Die Popularität des Biathlonsports ist unumstritten,
das beweisen die stetig zunehmenden
Einschaltquoten. Mit der Fangemeinde
wächst aber auch der Anspruch an die Fernsehübertragungen.
Als klar wurde, dass das
ZDF die Biathlon-WM 2012 in Ruhpolding als
Hostbroadcaster ausrichten würde, stand
fest, dass alle technischen und kreativen
Hebel in Bewegung gesetzt werden müssen,
um ganz besondere Bilder für die Sender in
aller Welt zur Verfügung zu stellen.
Ein Sende- und Produktionsvorhaben von solchem
Umfang für eine Wintersportproduktion wird
in enger Verzahnung mit der Sportredaktion, der
Produktion, der Technik und dem verantwortlichen
Kameramann des Geschäftsfelds Bildgestaltung
geplant. Neue Ideen und Innovationen, aber auch
Erfahrungen aus vergangenen Produktionen werden
dabei berücksichtigt. Ein besonderes Highlight
für Athleten und Zuschauer während der WM
sind die Abendwettbewerbe. In der Primetime
nach 17 Uhr wird die gesamte Wettkampfstrecke
einschließlich des Biathlonstadions fernsehtauglich
mit Tageslichtscheinwerfern ausgeleuchtet,
die in der Dämmerung und nachts ein bläulich
wirkendes Licht abgeben. Ziel war es, eine wunderbare
Mondlichtstimmung zu kreieren, die
immer wieder Zuschauer und Fans des Biathlonsports
begeistert.
Noch vor einigen Jahren wurden riesige Heliumballons
als Leuchtkörper eingesetzt. Was auf den
ersten Blick romantisch aussah, war hochriskant,
denn bei aufkommendem Wind oder gar Sturm
wurden die Ballons instabil und für die Livesendung
zur Gefahr. Stattdessen wurde in diesem
Jahr mit zirka 600 Lux Lichtstärke auf den Streckenabschnitten
und zirka 1 200 Lux im Stadionbereich
ein einheitliches, homogenes Licht auf
Stativen oder Baumhalterungen fest installiert.
Lichttechniker und der verantwortliche Kameramann
waren schon Nächte vor der Veranstaltung
damit beschäftigt, die rund 220 Leuchtkörper mit
insgesamt über 400 KW auf der vier Kilometer
langen Strecke zu positionieren und einzuleuchten
– keine einfache Aufgabe in kalten Winternächten
unter teils widrigen Wetterbedingungen.
Der Strombedarf wurde vom Netz und zusätzlich
als Back-up über mehrere Aggregate gesichert.
Bis zum letzten Streckenabschnitt wurde die Energie
über insgesamt 20 Kilometer Starkstromkabel
transportiert.
Um den Spannungsbogen vom Laufen über das
Schießen zu dokumentieren, sind die Auswahl der
richtigen Kameraposition und der Einsatz von diversen
Spezialkameras unerlässlich. Hier ist das
ZDF federführend.
In umfangreichen technischen Überprüfungen
werden die Spezialkamerasysteme bereits im Vorfeld
einer Produktion auf ihre Outdoortauglichkeit
im Winterbetrieb getestet.
Immerhin ist es ein gewaltiger
Unterschied, ob ein hochsensibles System
in der warmen Sporthalle arbeitet oder bei
Minustemperaturen in Schnee und Eisregen.
So wurde zum Beispiel eine Schienenkamera eingesetzt,
die bei der WM 2012 in Ruhpolding eine
Strecke von mehr als 300 Metern über den
»Schießplatzberg« zurücklegte, immer auf Höhe
des Athleten und an dessen Geschwindigkeit angepasst.
Die Kamera ist auf einem aufwändigen
Kreiselkopfsystem montiert. Auch bei schneller,
unruhiger Fahrt werden alle Unebenheiten aufgehoben
und eine perfekte Bildstabilität gewährleistet.
Eine Technik, wie sie auch im Militärbereich
verwendet wird: Die Feuerbereitschaft und Treffgenauigkeit
eines schnell fahrenden Leopardpanzers
beruhen auf dem gleichem Prinzip.
Kamerafunktionen und Bildstrecke werden ferngesteuert
und komplett kabellos übertragen. Die
Schiene ist beheizt, sodass weder Schnee noch
Eis die Fahrstrecke beeinträchtigen können.
Hochleistungsakkus sorgen für eine stabile, störungsfreie
Stromversorgung. Vergleichbar mit
einem Videospiel, sitzt der Kameraoperator vor
einem Kontrollmonitor und steuert die Kamera
(Geschwindigkeit, Zoom, Schärfe und Schwenkbereich)
mit einem Multi-Joystick. In der Vergangenheit
wurden solche Kamerafahrten von einem
Kameramann auf einem Skidoo ausgeführt. Dabei
blieb es nicht aus, dass der Biathlet von störenden
Motorgeräuschen und Abgasen belästigt
wurde.
Ein Hauptevent der Biathlonübertragung ist nach
wie vor das Schießen, und so gehört die Bildteilung
Biathlet Scheibe seit einigen Jahren zum
Standard der Schießeinlage. Bei dieser Bildkombination
sind zwei Spezialkameras involviert. Der
Athlet wird während der Schießphase von einer
ferngesteuerten Hot-Head-Kamera beobachtet.
Platziert ist diese Kamera unmittelbar rechts
neben den Scheiben der Bahn eins. Der Kameraoperator
sitzt in sicherer Entfernung an einem
Bedienpult und steuert das System. Die konventionelle
Variante der vergangenen Jahre war eine
Holzhütte mit Schießscharte. Der Kameramann
stand mit seiner Kamera in dem »Unterstand« und
hatte nur einen eingeschränkten Blickwinkel.
Für die Scheiben kommt eine weitere Kamera
zum Einsatz: eine Schienenkamera, ausgelegt
von Bahn eins bis 30, die sich in einem Abstand
von etwa vier bis fünf Metern zu den Scheiben
bewegt. Auch diese Kamera hat ein speziell für
das Schießen beim Biathlon ausgeklügeltes System.
Die Kamerapositionen der Bahnen und
Scheiben eins bis 30 werden einprogrammiert. So
fährt die Kamera auf Knopfdruck zu den entsprechenden
Scheiben, parkt frontal davor und
schwenkt die fünf Scheiben während des Schießvorgangs
ab. Dadurch ist das Trefferbild auf der
Scheibe immer exakt zu sehen. Der Kameraoperator
kann außerdem die Schießreihenfolge, die
der Biathlet anwendet, im Vorfeld einprogrammieren
und abrufen. Das Zusammenspiel dieses
aufwändigen »Bildsplittings« ist nach langen Test- und
Probephasen ebenfalls eine Errungenschaft
des ZDF-Biathlonteams.
Völlig losgelöst und fast frei beweglich arbeitet die
Spidercam. Ein Seilzugsystem, das an vier Masten
befestigt ist, hält die Kamera in der benötigten
Höhe. Seilwinden verkürzen und verlängern, treiben
das System an und machen es schnell und
wendig. In der »Chiemgau Arena Ruhpolding«
wurden zur WM 2012 die vorhandenen Lichtmasten
neben der Schießanlage sowie zwei mobile
Vertikaltraversen als Hängepunkte genutzt. Fast
geräuschlos fliegt die Spidercam über die Köpfe
der Zuschauer hinweg hinunter zur Stadionmitte,
um zum Beispiel den Zieleinlauf der Biathleten zu
verfolgen. Auf diese Weise liefert sie in einem Arbeitsgang
faszinierende Bilder aus der Vogelperspektive
bis hinunter zur Augenhöhe der Athleten.
Wie alle anderen Spezialsysteme wird die Kamera
per Joystick gesteuert, außerdem können alle
Bewegungen und Fahrten vorprogrammiert und
abgespeichert werden. Die Höchstgeschwindigkeit
beträgt acht Meter pro Sekunde, die maximale
Aktionsfläche 250 mal 250 Meter. Für Schlechtwetterperioden
ist die Kameraoptik verschiedener
Systeme mit einem »Rain Deflector« ausgerüstet.
Eine schnell rotierende Glasscheibe (Zentrifugalsystem)
vor dem Objektiv schleudert Schnee und
Regentropfen nach außen.
Die hier aufgezeigten Spezialkamerasysteme sind
nur Teil eines aufwändigen Kameraverbunds. Für
den Fernsehzuschauer werden die Biathlonwettbewerbe
attraktiver und maßgeblich bereichert
durch die Innovation neuer Kameratechnik. Bestehende
Systeme werden immer wieder überarbeitet
und verbessert.
Die Übertragungen der Weltmeisterschaften
waren ein großer Erfolg, alle technischen und kreativen
Wagnisse und Ideen haben sich gelohnt.
Damit waren wir in der Lage, unseren Zuschauern
die Biathlon-Weltmeisterschaft aus Ruhpolding in
höchster HD-Qualität zu präsentieren. Und so arbeitet
das »ZDF-Biathlonteam« weiter nach dem
Motto: »Schneller, höher, näher dran.«