Eckhard Matzel, Geschäftsbereich Informations- und Systemtechnologie
Manfred Höffken, Geschäftsbereich Produktions- und Sendebetrieb
Jochen Schmidt, Geschäftsbereich Informations- und Systemtechnologie
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Die Abschaltung der analogen Satellitenausstrahlung
Inbetriebnahme des neuen Multiplex- und Compression-Centers (MCC)

Seit dem 30. April 2012 gehört das analoge Fernsehen über Satellit der Vergangenheit an, nachdem die terrestrische Verbreitung als erster Übertragungsweg bereits 2008 komplett digitalisiert wurde. Analoges TV existiert somit nur noch im Breitbandkabel. Parallel wurde das HD-Programmangebot von ZDF und ARD von insgesamt drei auf nunmehr 13 HD-Ableger erhöht. Im Multiplex- und Compression-Center (MCC) werden alle TV-Programme des ZDF und seiner Partner zentral aufbereitet und für sämtliche Fernsehverteilwege sowie parallel als Livestreams für das Internet bereitgestellt. Dieses kompakte Playout-Center codiert Programmsignale simultan in SD- und HD-Qualität in die für aktuelle DVB- und Internet-Endgeräte erforderlichen technischen Formate.

In den Morgenstunden des 30. April war es endlich so weit: Mit der Abschaltung der analogen Programmverbreitung über ASTRA auf 19,2° Ost endete endgültig das »analoge Zeitalter« aller Sender in Deutschland. Möglich war dies nur, weil sich alle Programmveranstalter – öffentlich-rechtliche sowie private – Ende 2009 auf diese Abschaltung verständigt hatten. Im April 2010, also genau zwei Jahre vor dem Abschalttermin, wurde in Berlin ein gemeinsames Projektbüro eingerichtet. Unter dem Label »klardigital 2012« wurde eine gemeinsame Kampagne gestartet, um alle Betroffenen sukzessiv und umfassend zu informieren.

Von hier aus wurde zentral die gesamte Kommunikationsarbeit koordiniert und durchgeführt, mussten doch im Vorfeld nicht nur die Zuschauer über die bevorstehende Analogabschaltung informiert werden, sondern auch Handwerk, Handel, Verbände der Wohnungswirtschaft, Hotel- und Gaststättengewerbe, Krankenhäuser, Alten- und Pflegeheime sowie die Kabelwirtschaft.

Zwei Jahre vor der Abschaltung waren in Deutschland noch etwa 6,8 Millionen Sat-Haushalte (Quelle: AGF/GFK) analog, ein relativ hoher Anteil, den es galt, bis zum 30. April 2012 auf ein Minimum zu reduzieren. Dies ist dem Projektbüro mit Unterstützung der Sender auch gelungen. Zum Ende der Informationskampagnen blieben knapp 500 000 betroffene Zuschauer, die über die zu treffenden Maßnahmen größtenteils informiert waren und ihre Satellitenanlage noch schnell auf Digitalempfang umstellten. Die Kommunikation des Projektbüros wurde in drei Phasen durchgeführt.

In Phase eins wurde der Schwerpunkt auf Information gesetzt. Hier waren insbesondere Business-to-Business (B2B), Presse und weitere Multiplikatoren das Ziel. Phase zwei richtete sich dann direkt an die Zuschauer: Es wurden in zeitlichen Abständen vier so genannte Aktionswochen durchgeführt, in denen die Zuschauer on air direkt auf die analoge Satellitenabschaltung hingewiesen wurden. In den letzten 100 Tagen vor der Abschaltung wurden die Zuschauer dann kontinuierlich, unter anderem auch durch Laufbänder, auf die Abschaltung hingewiesen. In den letzten Tagen der Phase drei waren die Laufbänder zum Hinweis auf die Analogabschaltung so groß und störend, dass die Information wohl auch den letzten Zuschauer erreicht hat.

Durch die vorbildliche Zusammenarbeit aller Beteiligten gelang es letztendlich, die Anzahl der von der Analogabschaltung tatsächlich überraschten Zuschauer auf ein Minimum zu reduzieren. Mit der Kampagne zur »Analogabschaltung« wurde ein Bekanntheitsgrad von über 90 Prozent erzielt, sodass die Anzahl der unvorbereiteten Anrufer an den Hotlines der Programmveranstalter am Tag der Umstellung und danach sehr überschaubar blieb. Nach wenigen Tagen konnte der Betrieb der Hotlines bereits wieder eingestellt werden. Die Satellitenverbreitung ist nach der Terrestrik somit der zweite Verbreitungsweg in Deutschland, der nur noch digital bedient wird.

HD-Aufschaltung
ZDF und ARD nutzten den Zeitpunkt der analogen Satellitenabschaltung gleichzeitig, um weitere Programme in HDTV aufzuschalten. Damit war ein Sendersuchlauf beim Endteilnehmer nur einmal erforderlich, es wurden sozusagen zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Zu den bereits seit 2008 (ARTE HD) und 2010 (ZDF HD, Das Erste HD) ausgestrahlten Programmen kamen am 30. April 2012 noch zehn weitere HD-Programme von ZDF und ARD hinzu. Das ZDF ist seit diesem Zeitpunkt mit seiner gesamten Programmfamilie, den Digitalkanälen ZDFneo HD, ZDFinfo HD und ZDFkultur HD, sowie den beiden Partnerprogrammen 3sat HD und KiKA HD über Satellit (ASTRA 19,2° Ost) empfangbar. Das Gesamtangebot von ZDF und ARD beläuft sich somit nun über Satellit auf insgesamt 13 Programme in HD-Qualität. Dies war eine aufwändige Aktion, da zum gleichen Zeitpunkt auch die neu errichteten Satelliten-Uplinkstationen beim ZDF in Mainz (zwei Uplinks) und die dazugehörigen Havariestationen im Hauptstadtstudio Berlin (ebenfalls zwei Stationen) ihren Betrieb aufnahmen. Die gesamte Aufschaltung ging trotz des enormen Zeitdrucks in Bezug auf die Fertigstellung der Technik und – nicht zu vergessen – die erforderlichen umfangreichen Schulungsmaßnahmen der Mitarbeiter weitestgehend problemlos vonstatten.

Kleinere Probleme traten allerdings bei einigen wenigen HD-Endgeräten auf, die in Zusammenarbeit mit den betroffenen Herstellern schnell gelöst werden konnten. Aufgrund des Kostendrucks werden heute die digitalen Empfangsgeräte, ob im Flatscreen integriert oder als Set-Top-Box ausgeführt, oftmals nur für einen Betrieb bereits bestehender Ausstrahlungskonfigurationen ausgelegt. Die digitalen Standards bieten jedoch weitaus mehr Möglichkeiten und Freiheitsgrade als die im Markt existierenden Geräte es zulassen. Dies führt in der digitalen Welt dazu, dass Geräte gegebenenfalls beim Empfang teilweise Fehler zeigen (Blocking; Freezing) oder gar komplett ausfallen. Einige wenige Endgeräte hatten genau dieses Problem mit den neuen HD-Ablegern von ZDF und ARD. Zum Glück kann hier im Nachhinein durch so genannte Softwareupdates einiges wieder korrigiert werden. Dies geschah auch bei fast allen Herstellern, allerdings mit großen zeitlichen Unterschieden. Das erste Update eines namhaften deutschen Herstellers war bereits nach drei Tagen verfügbar, einem letzten Hersteller ist es bis heute (Mitte Oktober 2012) noch nicht gelungen, ein Update für seine Boxen bereitzustellen. Hier gibt es bei den Herstellern noch erhebliches Verbesserungspotenzial, was derzeit auch in den interdisziplinären Arbeitsgruppen diskutiert wird.

Da wir auch in Zukunft immer wieder mit Änderungen bei den Ausstrahlungs­parametern rechnen müssen, um Verbesserungen bis zum Zuschauer zu bringen, haben sich ZDF und ARD gemeinsam entschlossen, der Industrie in Zukunft im Vorfeld einer Parameterumstellung über eine zentrale Stelle so genannte »Teststreams« des neuen Ausstrahlungssignals zur Verfügung zu stellen. Damit können die Hersteller dann ihre im Markt befindlichen Empfänger vor einer Umstellung testen und – falls notwendig – entsprechend per Update neue Software über die »Luftschnittstelle« (Antenne) oder den Kabelanschluss in die Geräte einspielen, sodass nach einer Umstellung der Ausstrahlungsparameter hoffentlich keine Fehler mehr auftreten.

Was passiert im MCC?
Im Multiplex- und Compression-Center werden die Signale aller linearen Programme für alle Sendewege zentral aufbereitet und überwacht, bevor sie an die Außenwelt abgegeben werden. Ursprünglich als Teil des Großprojektes »Reinvestition der Sendestraßen« gestartet, wurde das MCC als zentrale technische Aufbereitung aller TV-Programme des ZDF und seiner Partner sowohl in Standard-Auflösung (SD) als auch in HDTV ausgelegt. Das MCC bildet somit die letzte technische Instanz im ZDF vor der Ausstrahlung. Hierhin werden die Bild- und Tonsignale der Sendeabwicklungen (ZDF, ZDFneo, ZDFinfo, 3sat, ZDFkultur) übergeben. Dazu kommen extern zugelieferte Programme (KiKA, DLF, DRadio Wissen, DRadio Kultur), Videotexte, Untertitel, VPS, Programminfos sowie Daten zur Verknüpfung der Fernsehwelt mit dem Internet (HbbTV). Die HD-Signale werden mit einer Datenrate von zirka 1,5 Gigabit pro Sekunde angeliefert und dann nach neuesten technischen Verfahren um etwa den Faktor 100 für die HD-Ausstrahlung komprimiert.

Trotz dieser enormen Reduktion ist für die Zuschauer praktisch kein Qualitätsverlust wahrnehmbar. Danach werden sie zu DVB-Transportströmen, den so genannten »Multiplexen«, zusammengefügt. Das MCC bedient sämtliche Verbreitungswege der digitalen Fernsehwelt und stellt insgesamt sieben verschiedene Multiplexe bereit:

  • Ein SD- und zwei HD-Multiplexe für die Satellitenverbreitung über Astra;
  • Ein SD- und zwei HD-Multiplexe für die Einspeisung in die Kabelnetze;
  • Ein SD-Multiplex für die terrestrische Programmverbreitung (DVB-T);
  • Zuführung in die IPTV-Netze, wie zum Beispiel »T-Entertain«.

Ein zweites Teilsystem stellt gleichzeitig maximal zehn inhaltlich unterschiedliche Livestreams für die Ausspielung in das Internet bereit. Alle Programme werden digital aus den ZDF-Sendeabwicklungen und weiteren Quellen zugeführt. Die Streams werden in ZDFmediathek, Mediathek-App und weitere Internetportale (zdf.de, 3sat.de, phoenix.de etc.) integriert. Dies erfolgt in aktuellen technischen Formaten: Adaptives HTTP-Streaming für PCs, Tablets und Smartphones und dazu weitere Streams mit festen, manuell wählbaren Bandbreiten für ältere Endgeräte. »Adaptiv« bedeutet, dass ein Endgerät je nach Bildschirmgröße und Qualität der Internetverbindung die Stream-Bandbreite automatisch auswählt und fortlaufend dynamisch anpasst. Damit wird subjektiv die bestmögliche Bildqualität erreicht und zukünftig auch ein Angebot von HD im Internet ermöglicht, sofern verbesserte Anschlussgeschwindigkeiten dies zulassen.

Ein integriertes Management-System überwacht und steuert alle Geräte. Die wichtigen Systemkomponenten wie Kreuzschienen, Encoder, Multiplexer oder Server sind redundant ausgeführt, sodass der Ausfall eines Gerätes vom Zuschauer nicht bemerkt wird.

Das MCC – eine Punktlandung
Das Projekt lief gut an, der Terminplan wurde als »sportlich, aber mit zügigem Schritt umsetzbar« klassifiziert. Ein wichtiger Meilenstein: Am Firmensitz des Auftragnehmers entstand ein Testaufbau, an dem die Grundfunktionen geprüft wurden. Es folgte die Integration der Systeme in Mainz. Die Software für das Workflowmanagement musste sich dem komplexen Verbund aller Systemkomponenten in der Praxis stellen. Wie erwartet, war noch umfangreiche Detailarbeit vor Ort notwendig, um die realen Arbeitsabläufe abbilden zu können. Die Inbetriebnahme erfolgte nach dem bewährten Multiplikatoren-Konzept. Das bedeutet, einige Kollegen steigen – unterstützt durch die beteiligten Firmen – tief in die neue Technik ein und schulen anschließend das Team.

Das Ganze sollte nun »mit zügigem Schritt« in dem geplanten Zeitfenster über die Bühne gehen. Einige Software-Fehler, die bei der Inbetriebnahme gefunden wurden, verzögerten die Übergabe an den Betrieb, und zwei Termine standen plötzlich gefährlich nah vor der Tür: zum einen die »Abschaltung der analogen Satellitenverbreitung« mit der »HD-Aufschaltung«.

Zum zweiten sollten exklusiv für den Ausspielweg Internet sechs Livestreams von den Olympischen Sommerspielen mit dem Entzünden des Olympischen Feuers mit der neuen Technik on air gehen. In täglichen Abstimmungsgesprächen mit den Multiplikatoren, den ZDF-Service- und Planungsingenieuren, der Projektleitung und den Firmen wurde jeder weitere Schritt der Inbetriebnahme detailliert beschrieben und minutiös festgelegt. Der »Jungfernflug« gelang ohne nennenswerte Probleme. Einige Kompromisse waren notwendig: Die Einweisung der ZDF-Serviceingenieure wurde auf die Zeit nach der Inbetriebnahme verschoben und die Betreuung vorübergehend durch Firmenunterstützung gewährleistet. Das Ziel, alle Operatoren des Sendebetriebs off air zu schulen, wurde mit Zustimmung der Kollegen aufgegeben, und einige Mitarbeiter mussten ihre Einarbeitung an den neuen Systemen im heißen Betrieb machen. Um im Bild zu bleiben: »Starten, auf Strecke gehen und das Landen per Funk lernen«. Alle Mitwirkenden haben die Grenzen des Machbaren ausgelotet, viel gewagt und für das ZDF gewonnen. Alle Kanäle waren zeitgerecht und in HD-Qualität »on air«. Direkt im Anschluss wurde der Streaming-Teil des MCC für die Olympischen Sommerspiele, die am 27. Juli 2012 begannen, »vorläufig ertüchtigt«. Sechs zusätzliche Olympiakanäle live und exklusiv im Internet waren ein voller Erfolg.

Eckhard Matzel
Manfred Höffken
Jochen Schmidt
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Multiplex- und Compression-Center