Daniel Matejka, Toningenieur im Geschäftsfeld Außenübertragung/Studioproduktion
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Lautheitssprünge beim Übergang von unterschiedlichen Programmen wie Filmen, Werbung und Programmhinweisen waren lange Zeit ein großes Ärgernis für unsere Zuschauer. Deren Unzufriedenheit führte zu einem geradezu revolutionären Umdenken bei der Herstellung von Fernsehprogrammtönen. Die »Lautheit« hält Einzug in die Fernsehproduktion.

Seit dem 31. August senden die öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehsender ihre Programme mit einheitlicher Lautstärke. Ermöglicht wurde dies durch den Wechsel der Pegelungsmethode von der bisherigen Spitzenpegelaussteuerung hin zu Lautheitsaussteuerung und -normalisierung (siehe Bild 1). Die technische Vorraussetzung hierfür bietet eine von der EBU (European Broadcast Union) erarbeitete neue Richtlinie namens R128. Diese etabliert eine nachvollziehbare, definierte Methode für die Messung der Lautheit von Programmen aller Genres wie Nachrichten, Sport, Fernseh- und Hörspiel, Musik, Werbung, Film et cetera. Diese Methode und das Lautheitskonzept an sich ziehen sich durch die gesamte Broadcast-Signalkette und schaffen Rahmenbedingungen für Produktion, File-Ingest, Play-out, Distribution und Transmission auf mehreren Sendeplattformen. R128 basiert in Gänze auf offenen Standards und zielt darauf ab, die Art und Weise der Audioproduktion und Pegelmessung zu harmonisieren.

In Verbindung mit einer neuen Generation von Mess- und Aussteuerungsgeräten (siehe Bild 2) kann in der Produktion nun die Lautheitsaussteuerung erfolgen. Dadurch können Sendebeiträge so produziert werden, dass die Lautstärke am Sendeausgang einen definierten Wert aufweist. Dieser Wert wurde europaweit in einer neuen Messeinheit auf –23LUFS (loudness units referenced to digital full scale) festgelegt.

Da die Lautheit die empfundene Lautstärke eines Programms beschreibt, führt eine Aussteuerung nach dieser Messeinheit zwangsläufig dazu, dass der Zuschauer zuhause keine signifikanten Lautheitssprünge zwischen verschiedenen Programminhalten (Trailer, Spielfilm, Show etc.) mehr wahrnehmen kann. Durch die Aussteuerung nach Lautheit verbessert sich für den Fernsehzuschauer nebenbei auch die Tonqualität, da ein dynamisches und damit natürliches Hörerlebnis übertragen werden kann. Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass die Arbeit, basierend auf dem Lautheitsparadigma, sowohl befreiend wie auch befriedigend ist. Die Mischungen werden dynamischer, und auch Artefakte bei zu hoher Dynamikkompression werden seltener. Selbst Klassikkonzerte können annähernd mit ihrer natürlichen Dynamik übertragen werden, ohne dass sie vom Lautheitseindruck im Vergleich zu anderen Programmelementen abfallen. Insgesamt ergibt sich eine allgemeine Qualitätsverbesserung des Tonsignals, ein besonders willkommener Effekt.

Warum gab es in der Vergangenheit überhaupt Lautheitssprünge zwischen Programmelementen wie Werbung und anderen Programmen?
Technisch betrachtet, waren weder Trailer noch Werbung, die als sehr laut empfunden wurden, zu hoch ausgesteuert. Der bislang nach ARD/ZDF-Pflichtenheft vorgeschriebene Spitzenpegel von 0dB (–9 dbfs) wurde auch bei diesem Programmmaterial nicht überschritten. Ständig wachsende technische Möglichkeiten in der Ton-Nachbearbeitung wurden jedoch dazu genutzt, das Audio-Material immer stärker zu komprimieren und zu verdichten, wodurch eine immer höhere Lautheit erzielt werden konnte. Allgemein galt in der Branche der Grundsatz: Je lauter – desto besser. Die Mehrheit der Zuschauer hingegen empfand überlaute Programmbeiträge als unschön und unnötig und schaltete ab.

Wie gelingt eine solche Umstellung, die hohe Anforderungen an Technik und Personal stellt, in der Praxis?
Ende des Jahres 2011 fiel im ZDF die Entscheidung, gemeinsam mit der ARD und den privaten Sendeanstalten die Harmonisierung des Programms mit R128 auf den Weg zu bringen. Dazu mussten zunächst einmal die notwendigen Messgeräte angeschafft werden. Ergänzend wurden Personalschulungen auf verschiedenen inhaltlichen Ebenen mit Hilfe von Multiplikatoren sowohl in der Zentrale als auch in den Landesstudios und den Auslandstudios durchgeführt. An erster Stelle standen die Toningenieure, deren Arbeitsweise in hohem Maße Veränderung erfuhr. Aber auch alle anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Technik, Produktion und Redaktion wurden seitens des Produktions- und Sendebetriebs ihren Arbeitsanforderungen entsprechend geschult und informativ begleitet. So konnte am 31. August die Tonaussteuerung nach Lautheit im ZDF realisiert werden.

Auch wenn es noch die ein oder andere Stellschraube gibt, an der man drehen kann, um das Ergebnis zu optimieren, so ist die Umsetzung der Tonaussteuerung nach Lautheit im Großen und Ganzen als gelungen zu bezeichnen. Diese Verbesserung haben auch die Fernsehzuschauer bemerkt: Die Zuschauer­beschwerden, bezogen auf Lautstärkeschwankungen im Programmton, haben deutlich abgenommen.

Daniel Matejka
Lautheitsaussteuerung
Messgerät zur Lautheitsaussteuerung