Lautheitssprünge beim Übergang von unterschiedlichen
Programmen wie Filmen, Werbung
und Programmhinweisen waren lange
Zeit ein großes Ärgernis für unsere Zuschauer.
Deren Unzufriedenheit führte zu einem
geradezu revolutionären Umdenken bei der
Herstellung von Fernsehprogrammtönen. Die
»Lautheit« hält Einzug in die Fernsehproduktion.
Seit dem 31. August senden die öffentlich-rechtlichen
und privaten Fernsehsender ihre Programme
mit einheitlicher Lautstärke. Ermöglicht
wurde dies durch den Wechsel der Pegelungsmethode
von der bisherigen Spitzenpegelaussteuerung
hin zu Lautheitsaussteuerung und -normalisierung
(siehe Bild 1). Die technische Vorraussetzung
hierfür bietet eine von der EBU (European
Broadcast Union) erarbeitete neue Richtlinie namens
R128. Diese etabliert eine nachvollziehbare,
definierte Methode für die Messung der Lautheit
von Programmen aller Genres wie Nachrichten,
Sport, Fernseh- und Hörspiel, Musik, Werbung,
Film et cetera. Diese Methode und das Lautheitskonzept
an sich ziehen sich durch die gesamte
Broadcast-Signalkette und schaffen Rahmenbedingungen
für Produktion, File-Ingest, Play-out,
Distribution und Transmission auf mehreren Sendeplattformen.
R128 basiert in Gänze auf offenen
Standards und zielt darauf ab, die Art und Weise
der Audioproduktion und Pegelmessung zu harmonisieren.
In Verbindung mit einer neuen Generation von
Mess- und Aussteuerungsgeräten (siehe Bild 2)
kann in der Produktion nun die Lautheitsaussteuerung
erfolgen. Dadurch können Sendebeiträge
so produziert werden, dass die Lautstärke am
Sendeausgang einen definierten Wert aufweist.
Dieser Wert wurde europaweit in einer neuen
Messeinheit
auf 23LUFS (loudness units referenced
to digital full scale) festgelegt.
Da die Lautheit die empfundene Lautstärke eines
Programms beschreibt, führt eine Aussteuerung
nach dieser Messeinheit zwangsläufig dazu, dass
der Zuschauer zuhause keine signifikanten Lautheitssprünge
zwischen verschiedenen Programminhalten
(Trailer, Spielfilm, Show etc.) mehr wahrnehmen
kann. Durch die Aussteuerung nach
Lautheit verbessert sich für den Fernsehzuschauer
nebenbei auch die Tonqualität, da ein dynamisches
und damit natürliches Hörerlebnis übertragen
werden kann. Erfahrungen aus der Praxis
zeigen, dass die Arbeit, basierend auf dem Lautheitsparadigma,
sowohl befreiend wie auch befriedigend
ist. Die Mischungen werden dynamischer,
und auch Artefakte bei zu hoher Dynamikkompression
werden seltener. Selbst
Klassikkonzerte können annähernd mit ihrer natürlichen
Dynamik übertragen werden, ohne dass
sie vom Lautheitseindruck im Vergleich zu anderen
Programmelementen abfallen. Insgesamt ergibt
sich eine allgemeine Qualitätsverbesserung
des Tonsignals, ein besonders willkommener
Effekt.
Warum gab es in der Vergangenheit überhaupt
Lautheitssprünge zwischen Programmelementen
wie Werbung und anderen Programmen?
Technisch betrachtet, waren weder Trailer noch
Werbung, die als sehr laut empfunden wurden, zu
hoch ausgesteuert. Der bislang nach ARD/ZDF-Pflichtenheft
vorgeschriebene Spitzenpegel von
0dB (–9 dbfs) wurde auch bei diesem Programmmaterial
nicht überschritten. Ständig wachsende
technische Möglichkeiten in der Ton-Nachbearbeitung
wurden jedoch dazu genutzt, das Audio-Material immer stärker zu komprimieren und zu
verdichten, wodurch eine immer höhere Lautheit
erzielt werden konnte. Allgemein galt in der Branche
der Grundsatz: Je lauter desto besser. Die
Mehrheit der Zuschauer hingegen empfand überlaute
Programmbeiträge als unschön und unnötig
und schaltete ab.
Wie gelingt eine solche Umstellung, die hohe
Anforderungen an Technik und Personal
stellt, in der Praxis?
Ende des Jahres 2011 fiel im ZDF die Entscheidung,
gemeinsam mit der ARD und den privaten
Sendeanstalten die Harmonisierung des Programms
mit R128 auf den Weg zu bringen. Dazu
mussten zunächst einmal die notwendigen Messgeräte
angeschafft werden. Ergänzend wurden
Personalschulungen auf verschiedenen inhaltlichen
Ebenen mit Hilfe von Multiplikatoren sowohl
in der Zentrale als auch in den Landesstudios und
den Auslandstudios durchgeführt. An erster Stelle
standen die Toningenieure, deren Arbeitsweise in
hohem Maße Veränderung erfuhr. Aber auch alle
anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus
Technik, Produktion und Redaktion wurden seitens
des Produktions- und Sendebetriebs ihren
Arbeitsanforderungen entsprechend geschult und
informativ begleitet. So konnte am 31. August die
Tonaussteuerung nach Lautheit im ZDF realisiert
werden.
Auch wenn es noch die ein oder andere Stellschraube
gibt, an der man drehen kann, um das
Ergebnis zu optimieren, so ist die Umsetzung der
Tonaussteuerung nach Lautheit im Großen und
Ganzen als gelungen zu bezeichnen. Diese Verbesserung
haben auch die Fernsehzuschauer
bemerkt: Die Zuschauerbeschwerden, bezogen
auf Lautstärkeschwankungen im Programmton,
haben deutlich abgenommen.