Frank Zervos, Chef vom Dienst ZDFneo/Projektleiter TVLab
Andrea Eisel, Stellvertretende Redaktionsleiterin ZDFneo/Leiterin ZDFneo online
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Ende August 2011 startete in ZDFneo ein Innovationsprojekt, das es im deutschen Fernsehen so noch nicht gegeben hatte: Eine Woche lang wurden insgesamt zehn innovative und neuartige TV-Piloten gezeigt, und die Zuschauer konnten online über den Gewinner abstimmen, der im kommenden Jahr als Reihe fortgesetzt wird.

Die Redaktion von ZDFneo setzte sich drei Ziele für das große TV-Projekt: Erstens sollten möglichst viele unterschiedliche Formate ausprobiert werden, zweitens sollte ZDFneo sich als Innovationsmotor für neue Formate in der deutschen Sender- und Produzentenlandschaft beweisen, und drittens sollte erstmalig bei einem großen Event den Zuschauern die entscheidende Rolle der Programmverantwortung übertragen werden.

Viel ausprobieren
Möglichst viele und unterschiedliche Formate in einem »Fernseh-Labor« ausprobieren zu dürfen, ist der Traum eines jeden Fernsehmachers. Und gerade für einen jungen, anderthalb Jahre alten Sender wie ZDFneo ist es überlebenswichtig, immer wieder neue Entwicklungen anzuschieben und aufzugreifen. Die Redaktion rief deshalb im Februar etwa 20 Produzenten dazu auf, Ideen für das TVLab einzureichen. Darunter waren Produzenten, mit denen ZDFneo bereits zusammengearbeitet hatte, aber auch neue Produktionsfirmen, etablierte genauso wie kleine unabhängige. Erlaubt waren alle Genres, nicht aber Eins-zu-eins-Adaptionen oder Kopien. Über 90 Ideen gingen Anfang März in der Redaktion ein, von denen eine interne Jury zehn aussuchte, die ab April gemeinsam mit den Produzenten weiterentwickelt und produziert wurden. Die von der Redaktion ausgewählten Projekte boten von Comedy über Magazin und Reportage bis hin zur TV-Serie eine breite Mischung aus allen für ZDFneo relevanten Programmgenres.

Innovationsmotor werden
Für den Programmauftrag von ZDFneo, als Experimentierplattform für das ZDF ein junges, attraktives und zeitgemäßes Programmangebot in einem schwierigen, extrem ausdifferenzierten Markt erfolgreich zu platzieren, war das TVLab eine ebenso spielerische wie passgenaue und konsequente Umsetzung. Das galt nicht nur für ZDFneo selbst, sondern auch für die Perspektive der Produzenten, die mit großer Resonanz und Begeisterung die Möglichkeit genutzt haben, ungewöhnliche Ideen unter realen Bedingungen einem »echten Stresstest« zu unterziehen. ZDFneo hat sich mit dem Experiment konsequent als eine erste Adresse für innovative Programmideen positioniert: Der Sender konnte neuen, mutigen und kreativen Sendungskonzepten eine Plattform bieten, Trends aufzuspüren, Ideen zu testen, und durch das große Zuschauer-Feedback herauszufinden, welche Themen ankommen und welche Formen gefallen.

Event setzen und Zuschauer einbinden
Welcher Pilot am Ende gewinnen und somit in Serienproduktion gehen würde, sollten die Zuschauerinnen und Zuschauer entscheiden: Auf der TVLab-Website von ZDFneo (tvlab.zdfneo.de) konnten sie über die Piloten abstimmen. Und hier konnten sich die Zuschauer auch Hintergrundinformationen abholen und die Piloten kommentieren. Teil des Event-Konzeptes war ein Blog, der zum Ziel hatte, eine Diskussion über das Thema Innovation im Fernsehen anzuregen. Für den Blog waren externe Blogger wie Richard Gutjahr, Jan Böhmermann oder Lukas Heinser und prominente TVLab-Paten wie Christian Ulmen oder Markus Kavka eingeladen, kontroverse Statements zum Thema Innovation im Fernsehen abzugeben und engagierte Debatten anzustoßen. Das TVLab wurde außerdem stark auf Social-Media-Plattformen wie Facebook, YouTube und Twitter eingebunden und im Netz auch durch gezielte Marketing-Maßnahmen unterstützt.

EBU-Projekt
Das TVLab in ZDFneo war zudem Teil der länderübergreifenden Aktion »Eurovision TV Lab« der European Broadcasting Union (EBU). Zeitgleich strahlten auch das Vorbild Ned3 (der niederländische TV-Sender hatte das TVLab in der Vergangenheit bereits zwei Mal erfolgreich durchgeführt), Canvas in Belgien sowie RTV in Slowenien jeweils ein eigenes TVLab aus. Durch einen Austausch der Programme kamen die ZDFneo-Zuschauer deswegen auch in den Genuss von kreativen Programmideen aus Holland und Belgien.

Die zehn Piloten
Die »Teddy's Show« ist eine Personality-Show des jungen Entertainer- und Musikertalents Tedros »Teddy« Teclebrhan, der sein Comedytalent in unterschiedlichen Figuren unter Beweis stellt. Er lässt uns Typen erleben, denen wir alle schon mal begegnet sind: Machos, Castingshow-Opfer, Prominente, Radikale. Teddy verkörpert zahlreiche Charaktere. Nebenbei fühlt er verschiedenen Politikern auf den Zahn, wie ernst es ihnen ist mit der Integration.

»German Angst – Der richtige Umgang mit …« ist eine Comedy-Reportage, die sich sozialen Randgruppen widmet – im Piloten dem Thema »Muslime in Deutschland«. Monothematisch, humoresk und immer provokant – jedoch nie vorführend. Moderator Micky Beisenherz schlägt eine Brücke zwischen den Betroffenen und den »normalen« deutschen Mitbürgern. Wer hat vor wem Angst und warum?

In »Wie geil ist das denn?!«, einem Comedy-Magazin, stellt sich die Presenterin Caro Korneli großen persönlichen Herausforderungen, indem sie Dinge tut, die man ihrer Meinung nach im Leben unbedingt und mindestens einmal gemacht haben sollte.

Die Reisereportage »neoXplorer« lädt die Zuschauer ein, aktiv ein Reisemagazin mitzugestalten. Dabei übernehmen die Zuschauer mit ihren Tipps und Fragen die Regie. Unter ihrer Anleitung und nach ihren Vorgaben erschaffen die Videojournalisten Anne Herzlieb und Jan Frerichs vor Ort ein neues, ungewöhnlich vielseitiges Bild des Reiseziels Istanbul.

»Ausgekuschelt! Die Puppen-WG« ist eine Puppen-Sitcom, die zeigt, dass es abgehalfterte Expromis überall gibt – auch in der Welt der Puppen, Maskottchen und Kuscheltiere. Sie alle waren einmal Superstars des (Werbe-) Fernsehens, wohnen nun gemeinsam in einer WG und hoffen auf ihr großes Comeback.

Der Serienpilot »Scharfe Hunde« erweitert die Fernseh-Krimilandschaft um ein außergewöhnliches Ermittlerduo, das bisher noch nie den Ernstfall erlebt hat. Jeder Kriminalfall handelt von Schauspieler Matze Beck (Thomas Heinze), einem abgesetzten Fernsehkommissar, dem es unter Anleitung seines Fachmannes, des Drehbuchautors André Lutz (Matthias Matschke), gelingt, den echten Fall auf noch so abenteuerliche Weise zu lösen.

In der Dating-Show »Liebe auf Speed« spielt eine junge Frau den Liebesengel für ihre beste Freundin, die sich nichts mehr wünscht, als endlich die große Liebe zu finden.

In »Moviacs«, dem Filmmagazin mit Nilz Bokelberg und Donnie O'Sullivan, geht es um das, was Millionen Menschen in Deutschland verbindet: die Liebe zum Film. »Moviacs« setzt sich dabei auf leidenschaftliche und unterhaltsame Weise mit der gesamten Bandbreite des Kinos auseinander: Vom großen Blockbuster über echte B-Movie-Granaten bis hin zum anspruchsvollen Martial-Arthouse-Film.

Das Großstadtmagazin »Bambule« ist Trendscout, Personalityshow und Reportermagazin in einem und repräsentiert und reflektiert das Lebensgefühl der 20- bis 40-jährigen Großstadtbewohner und all derjenigen, die sich so fühlen. Das Magazin mit Sarah Kuttner will informieren, polarisieren und natürlich unterhalten.

In der Street-Comedy »Bullshit« geht es um skrupellose Unternehmen, unkontrollierten Konsum-Irrsinn, Lügen für den Machterhalt. Martin Fromme, Lutz van der Horst und Sven Nagel entlarven Schwindel, Abzocke und amtlichen Wahnsinn, soweit die Gutgläubigkeit der Menschen reicht.

Die Abstimmung
Die Abstimmung, welches Format letztlich in Serie gehen sollte, erfolgte ausschließlich online durch die Zuschauer, die sich als Jury-Mitglied angemeldet hatten. Jury-Mitglied konnte jeder werden, der sich vor oder während der TVLab-Woche unter tvlab.zdfneo.de registrierte und damit alle Piloten online abrufen konnte. Allen Besuchern der Seite stand darüber hinaus ein breites Angebot an Bonus-Clips zu den einzelnen Piloten zur Verfügung. Die Jury war aufgefordert, jedes Format in den drei Kategorien »Gefallen«, »Innovation« und »Umsetzung« mit Punkten zwischen eins und zehn zu bewerten und zu kommentieren. Das für den User jederzeit sichtbare Ranking führte den Piloten auf Platz eins, der durchschnittlich die höchste Punktzahl erzielt hatte.

Die TVLab-Sieger
Publikumsgewinner des ersten TVLab wurde »Teddy's Show«, die mit durchschnittlich 5,3 Punkten in der Abstimmung am besten von den Juroren bewertet wurde. Aber auch alle anderen Projekte konnten große Fangemeinden versammeln, sodass die Ergebnisse aller Formate am Ende nicht weit auseinander lagen. Das spricht vor allem für die beeindruckende Qualität der abgelieferten Piloten. Die Redaktion entschied nach Bewertung aller Ergebnisse des TVLab, neben dem Publikumsgewinner noch an drei weiteren Formaten weiterzuarbeiten: »Bambule«, »German Angst …« und »Moviacs«.

Die Bilanz
Mehr als 1,4 Millionen Zuschauerkontakte gab es innerhalb der TVLab-Woche vom 27. August bis 3. September 2011. Die Woche wurde mit einer großen Presseresonanz in nahezu allen überregionalen Tageszeitungen wie auch auf den Onlinediensten wie Spiegel online oder DWDL begleitet. Die auf tvlab.zdfneo.de online gestellten Videos der zehn konkurrierenden Piloten wurden 979 000 Mal abgerufen. Bis zum Ende der TVLab-Woche hatten sich insgesamt fast 17 000 Zuschauer als Jurymitglieder registriert und online für ihre Lieblingspiloten abgestimmt. Nicht nur die beste Bewertung durch die Online-Juroren, sondern mit 89 000 Clicks auch die meisten Sichtungen erreichte dabei das Gewinnerformat »Teddy's Show«. An Stelle zwei, drei und vier waren sowohl in der Zuschauerbewertung wie in den Sichtungszahlen »Bambule«, »German Angst …« und »Moviacs«. Die umfangreiche und positive Zuschauer- und Presseresonanz wie auch der Programmertrag in der Fortführung von vier aus zehn Formaten ist eine eindeutig positive Erfolgsbilanz des TVLab.

Aufgrund der enormen und vor allem positiven Resonanz und der vielen hervorragenden Produktionen, die im Rahmen des TVLabs entstanden sind, fiel eine Entscheidung nicht schwer: Das TVLab wird im Jahr 2012 fortgesetzt. Wir freuen uns schon jetzt auf die nächste Flut kreativer, mutiger und spannender Formatideen.

Frank Zervos
Andrea Eisel
Joko und Klaas, die beiden Moderatoren des TVLab
Caro Korneli testet in »Wie geil ist das denn?« 100 Dinge, die man schon immer gemacht haben wollte
Sarah Kuttner untersucht in »Bambule« den Großstadtdschungel
In »Bullshit!« gehen die furchtlosen Reporter Martin Fromme, Lutz van der Horst und Sven Nagel dem täglichen Irrsinn auf den Grund
Patrick Bach, Günther Kaufmann und Danny Fogang in »Scharfe Hunde«
Bei »Ausgekuschelt« versuchen vier ehemalige TV- und Werbestars ihr großes Comback
Thomas Heinze und Matthias Matschke in »Scharfe Hunde«
Anne Herzlieb auf der Suche nach den unbekannten Seiten Istanbuls
Donnie O'Sullivan und Nilz Bokelberg in »Moviacs«
Bei »Liebe auf Speed« werden Singels von Jeannine Michaelsen (Mitte) ins Speed-Dating geschickt
Verwandlungskünstler Teddy stellt in »Just Teddy – Die Comedy-Show« verschiedene Charaktere dar
Micky Beisenherz geht in »German Angst« Vorurteilen auf den Grund