Michael Schmid-Ospach, Stellvertretender Vorsitzender des ZDF-Fernsehrats
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Jugendmedienschutz – Aufgabe und Anliegen des Fernsehrats
Engagement für wirksamen Jugendmedienschutz im Internet

Dem Fernsehrat ist der Jugendmedienschutz seit jeher ein besonderes Anliegen. Die Arbeit des Gremiums auf diesem Gebiet durfte ich für den Fernsehrat auf der Tagung »Quo vadis, Jugendmedienschutz?« am 30. November in Mainz vorstellen, die von der evangelischen und der katholischen Kirche sowie ARD und ZDF veranstaltet wurde. Vor dem Hintergrund, dass der Jugendmedienschutz als überaus komplexes Gefüge medienpolitische, rechtliche, technische und sozialwissenschaftliche Bezüge aufweist, ist der Fernsehrat angesichts seiner pluralistischen Zusammensetzung in der besonderen Lage, die verschiedenen Aspekte berücksichtigen zu können. Die Fernsehratsmitglieder stammen unter anderem aus den Bereichen Erziehungs- und Bildungswesen, der Familienarbeit, des Kinderschutzes, der Kirchen und der Politik. Regelmäßig überprüft der Fernsehrat ZDF-Inhalte auf Übereinstimmung mit den ZDF-Jugendschutzrichtlinien. In der letzten Sitzung des Programmausschusses Programmdirektion wurden etwa Sequenzen des Mehrteilers »Borgia« vorgeführt und eingehend diskutiert. Neben der durch das Gremium veranlassten Thematisierung bestimmter ZDF-Angebote ergibt sich dessen Befassung mit Jugendschutzbelangen weiterhin über die Monat für Monat vorgelegten Berichte des ZDF-Jugendschutzbeauftragten sowie über Zuschauerbeschwerden. Intensiv hat der Fernsehrat auch die Entwicklung der »Kriterien zum Jugendmedienschutz« begleitet. Diese wurden bekanntlich von den Jugendschutzbeauftragten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erarbeitet, um die recht abstrakten und in der juristischen Terminologie abgefassten Jugendschutzbestimmungen für die praktische Arbeit in den Redaktionen greifbar und handhabbar zu machen.

Ferner hat sich der Fernsehrat vor Kurzem mit der Problematik auseinandergesetzt, dass die Altersfreigaben für Fernsehfilme durch die öffentlich-rechtlichen Anstalten und die DVD-Einordnung durch die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) voneinander abweichen können. Wenn die FSK-Klassifizierung, welche auch für Fernsehen und Mediathek verbindlich ist, nach der Bewertung durch die Anstalten erfolgt und der Film mit einer strengeren Alterseinstufung versehen wird, also eine Bewertungsdivergenz vorliegt, sind die Wiederholungsmöglichkeiten im Fernsehen deutlich eingeschränkt. Besonders negative Folgen haben diese Bewertungsunterschiede etwa bei Reihen und Serien, soweit eine höher eingestufte Folge zu einer von der Regelzeit abweichenden Sendezeit ausgestrahlt werden muss.

Insofern begrüßt der Fernsehrat das mit der FSK zum Zwecke der quantitativen Reduzierung von Bewertungsdivergenzen zwischen ZDF-Jugendeignungen und FSK-Freigaben verabredete praktische Verfahren als einen ersten wichtigen Schritt für eine wechselseitige Anerkennung erteilter Jugendschutzklassifizierungen.

Allein diese Beispiele mögen verdeutlichen, dass der Jugendmedienschutz seitens des Fernsehrats mit großer Verantwortung wahrgenommen wird. Wir haben repressiv wie auch präventiv ein überaus gut funktionierendes System, das sich in jeder Beziehung sehen lassen kann. Dies wird auch augenscheinlich, wenn man die Vielzahl ZDF-Angebote betrachtet und diese in Relation setzt zu der nur marginalen Anzahl der von Zuschauern eingereichten Beschwerden wegen vermuteter Jugendschutzverletzungen.

Mit Blick auf den Jugendmedienschutz insgesamt wird deutlich, dass eine Anpassung der einschlägigen Regelungen an die medialen Gefährdungen der digitalen Welt sowohl notwendig als auch von Verfassungs wegen geboten ist. Diese Forderung wird in entsprechenden Studien und Konferenzen, wie zuletzt der Tagung »Quo vadis, Jugendmedienschutz?«, immer wieder laut. Denn ohne Zweifel sind Kinder und Jugendliche in der Mediennutzung nach wie vor potenziellen Risiken ausgesetzt. Die Liste reicht von sexueller Ausbeutung über Gewaltdarstellungen, Abfragen persönlicher Daten, Mobbing bis hin zu extremistischer Propaganda. Eingängig beschrieben wurde das Cybermobbing unter Jugendlichen in dem Fernsehfilm »Homevideo« oder aber in der Folge »Rufmord im Internet« der Reihe 37°.

Die mit der Internetnutzung verbundenen Gefahren und Risiken werden einer aktuellen Studie1 zufolge von den Eltern in Deutschland als extrem hoch bewertet. Daher spricht sich die Mehrzahl der Eltern dafür aus, dass Kinder nur mit Unterstützung von Filterprogrammen surfen sollten. Dennoch sind Kinderschutzprogramme nicht sehr weit verbreitet. Nur jeder vierte Computer, der von Zehn- bis Zwölfjährigen genutzt wird, verfügt über eine solche Schutzfunktion2. Eine sich aus diesem Klima entwickelnde Abschottung würde den Kindern und Jugendlichen allerdings auch die mit dem Internet verbundenen Entwicklungschancen nehmen, die gerade in einem Wissensstandort wie Deutschland nicht hoch genug bewertet werden können. Entsprechende Tendenzen sind bereits erkennbar. Im europäischen Vergleich nutzen deutsche Kinder das Netz eher zurückhaltend und haben auch weniger Fähigkeiten im Umgang mit dem Internet3. Dieser Verunsicherung sollte durch einen klaren, an die Wirklichkeit angepassten Jugendmedienschutz begegnet werden. Dazu gehört eine nach Alter differenzierte Balance zwischen Schutzmaßnahmen und Medienkompetenz, wobei Schutzmaßnahmen in dem Umfang zurücktreten können wie die Eigenverantwortung, etwa durch Alter oder Zunahme der Medienkompetenz, steigt. Gerade für die Jüngeren müssen sichere Räume im Internet geschaffen werden. Darüber hinaus ist die Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen zu stärken, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Onlinenutzung mobiler wird und sich der Kontrolle der Eltern mit fortgeschrittenem Alter der Kinder entzieht. In diesem Zusammenhang ist auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk aufgerufen. Entsprechend ist die Stärkung der Medienkompetenz in der auch vom Fernsehrat verabschiedeten Selbstverpflichtungserklärung des ZDF für die Jahre 2011 bis 2012 ein wichtiger Aspekt. Neben der Beteiligung am Informationsprogramm »Schau hin!« sowie am Kindersoftwarepreis TOMMI gibt es zahlreiche ZDF-Produktionen zur Förderung von Medienkompetenz. Ein wirksamer Schutz der Kinder und Jugendlichen kann nur funktionieren, wenn auch Familie und Schule mitwirken. Eltern und Pädagogen sollten die sicheren Angebote kennen und Kinder für die Gefahren im Internet sensibilisieren.

Notwendig ist ein gesamtgesellschaftlicher Konsens, der die unterschiedlichen Interessenlagen berücksichtigt und auch Nutzer und Unternehmen einbezieht. Es bleibt zu hoffen, dass nach dem Scheitern der Jugendschutznovelle im Dezember 2010 die erforderlichen Rahmenbedingungen für einen effektiven, wirksamen und transparenten Kinder- und Jugendmedienschutz in einem neuen Anlauf geschaffen werden.

  1. Final recommendations for policy, methodology and research to the European Commission Safer Internet Programme (October 2011), London School of Economics and Political Science
  2. Studie KIM 2010, BITKOM
  3. Siehe Fußnote 1
Michael Schmid-Ospach