Andreas Rother, Hauptredaktion Neue Medien/Crossmedia-Projekte
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Die Evolution des Internets zum Web 2.0 hält unvermindert an. Das ZDF hat die Chancen, die Social-Media-Plattformen einem traditionellen Fernsehsender bieten, frühzeitig erkannt. Nach den Phasen des Experimentierens und der Expansion in den vergangenen Jahren stand 2011 vor allem im Zeichen des Aufbaus effizienter Organisationsstrukturen für unsere Aktivitäten bei Facebook, YouTube, Twitter und Co.

Als die Hauptredaktion Neue Medien 2009 mit den heute.de-Nachrichten und dem Sport-Onlineangebot die ersten Seiten bei Facebook an den Start brachte, glich das dem viel zitierten Sprung ins kalte Wasser: Was wollen wir dort? Was dürfen wir da? Und interessiert das die Facebook-Nutzer überhaupt? Den vielen Fragen standen oft eher vage Vermutungen als klare Antworten gegenüber. Und wer hätte die Antworten auch geben sollen? Die Sozialen Netzwerke waren gerade erst aus den USA nach Deutschland herübergeschwappt, selbst in der Hauptredaktion Neue Medien hatten die wenigsten Kollegen einen eigenen Account. Also haben wir einfach ausprobiert – und uns von den ersten Erfolgen zum Weitermachen motivieren lassen.

Heute, zweieinhalb Jahre später, hat sich das ZDF mit einer Vielzahl von Angeboten in den wichtigsten Sozialen Netzwerken etabliert. Aber auch in der Mitte des Senders selbst sind die Social Networks angekommen. Die Hauptredaktion Neue Medien hat viele Erfahrungen gesammelt, ausgewertet und ihr Wissen in die Tiefe des ZDF getragen. Social Media ist längst nicht mehr nur Angelegenheit innovationsfreudiger Redaktionen, inzwischen beschäftigt sich die Hauptabteilung Kommunikation ebenso selbstverständlich damit wie die Medienforschung, das Justitiariat genauso wie die Kollegen vom Rechtemanagement. Auf viele Fragen hat die interdisziplinäre Arbeitsteilung Antworten gefunden:

Was wollen wir dort?
Das Marketingpotenzial – Reichweite für unsere Inhalte, insbesondere beim jüngeren Publikum – dürfte unbestritten sein: Allein Facebook hat in Deutschland mehr als 20 Millionen aktive Nutzer, knapp drei Viertel davon sind zwischen 14 und 34 Jahre alt. Aber auch die Möglichkeiten der direkten Kommunikation liegen auf der Hand. Fragen zum Programm und zum Sender, die über die ZDF-Dachseite auf Facebook gestellt werden, beantworten inzwischen Zuschauerredaktion und Hauptredaktion Neue Medien gemeinsam. Perspektivisch soll die Zuschauerredaktion hier die Hauptverantwortung übernehmen.

Darüber hinaus ist für die Redaktionen die direkte Kritik des Zuschauers besonders interessant. Die Kommentare erschließen nicht nur ein Meinungsspektrum, häufig tauchen dort auch Fragen und Themen auf, die die Redaktion noch nicht im Fokus hatte. Und Social Media gibt den Machern die Möglichkeit, Zuschauer am Programm zu beteiligen: Mit »ZDF log in« hat das ZDF ein TV-Format entwickelt, das die Nutzer vor, während und nach der Sendung konsequent einbezieht. Aber auch in anderen Sendungen wie »ZDFwochenjournal«, »maybrit illner« oder »ZDF spezial«-Sendungen ist die Beteiligung Routine geworden.

Was dürfen wir da?
Es ist nicht immer leicht, die seitenlangen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Plattformbetreiber zu dechiffrieren, um zu wissen, was auf welcher Plattform erlaubt ist und wie es die Betreiber mit Datenschutz und Urheberrechten halten. Denn als öffentlich-rechtlicher Sender sind wir besonderen Einschränkungen unterworfen. Das Gebot der Werbefreiheit unserer Onlineangebote gilt auch auf Plattformen, die wir nicht selbst verantworten. Wollen wir etwa einen neuen YouTube-Kanal eröffnen, braucht es erst einmal einen Kooperationsvertrag mit Google, der uns garantiert, dass im Umfeld unserer Videos keine Anzeigen geschaltet werden.

Im Arbeitsalltag sind es dann vor allem Urheberrechtsfragen, die in Abstimmung mit den Kollegen vom Rechtemanagement geklärt werden müssen. Denn Onlinerechte sind nicht gleich Onlinerechte. Bevor wir zum Beispiel ein Foto, das wir auf unserer Website verwenden, auch bei Facebook posten können, müssen wir klären, ob wir die so genannten Drittplattformrechte an dem Bild haben. Und nur, weil ein Video in der ZDFmediathek steht, heißt das noch lange nicht, dass wir es auch auf YouTube zeigen dürfen. Was anfangs immer wieder aufwändig geklärt werden musste, lässt sich heute dank standardisierter Verfahren in der Regel schnell klären.

Interessiert das die Community-Nutzer?
Wie Erfolg auf Social-Media-Plattformen definiert wird und mit welchen Kennziffern man ihn messbar machen kann, daran arbeitet zurzeit die ZDF-Medienforschung in enger Abstimmung mit der Hauptredaktion Neue Medien. Schon jetzt aber geben uns die Zahlen Recht. Mit @ZDFonline haben wir einen reichweitenstarken Twitter-Account, dessen Kurznachrichten regelmäßig unter den Top-Tweets (meist gelesen und weitergeleitet) vertreten sind.

Einige ZDF-Facebookseiten bewegen sich zum Jahresende auf die Marke von 100 000 Fans zu. Und auch auf YouTube entwickeln sich die Zugriffszahlen positiv. Das Video der Pressekonferenz, bei der der ehemalige Innenminister Schäuble seinen Sprecher bloßstellte, fand auf YouTube knapp eine Million Zuschauer. Heiß diskutiert: Ein Interview von Maybrit Illner mit der 21-jährigen Bloggerin Kübra Yücel über Integration, Migration und Kopftücher wurde innerhalb von 14 Tagen 11 500 Mal kommentiert.

Unsere Top-Accounts
Wetten dass ..? 107 000 Fans Facebook
ZDF heute 89 000 Fans
Wetten dass ..? 28 Mio. Videoabrufe YouTube
ZDF-Hauptkanal 21 Mio. Videoabrufe
Twitter@ZDFonline 64 900 Follower

Privatsphäre und Datenschutz
Viele Fragen aus den Anfangszeiten sind also beantwortet. Aufgrund der Dynamik, mit der sich das Web 2.0 weiterentwickelt, kommen aber auch immer neue dazu. Mehr denn je standen Privatsphäre und Datenschutz 2011 im Fokus der Debatte um Soziale Netzwerke. Um dazu eine fundierte Haltung entwickeln zu können, bedarf es hoher rechtlicher, aber auch technischer Kompetenzen. Und da sich vieles innerhalb der Thematik noch im Unklaren abspielt, ist am Ende auch immer wieder eine redaktionelle Abwägung von Nutzen und Risiken gefragt. Die Hauptredaktion Neue Medien tritt auch in diesem Prozess als Mittler auf und bringt Experten aus verschiedenen Abteilungen des ZDF regelmäßig an einen Tisch.

Aufwand und Nutzen
Nicht alle Programminhalte des ZDF sind für die Verbreitung auf Social-Media-Plattformen geeignet: Weil sie dort ihre Zielgruppe nicht finden, und weil Social Media viel Aufwand bedeutet, wenn man es ernst nimmt. Social Media ist kein Selbstläufer, ein halbherzig gepflegter Auftritt wird nicht erfolgreich sein. Auch das gehört zu den Erkenntnissen, die wir gewinnen konnten. Daher hat die Hauptredaktion Neue Medien eine Steuerungsfunktion übernommen. Redaktionen, die einen neuen Auftritt planen, legen in der Hauptredaktion Neue Medien ein Konzept vor, in dem sie Ziele, Inhalte und Pflegeaufwand beschreiben. Wir begutachten das Konzept, geben Tipps – und legen im Zweifelsfall auch unser Veto ein. Social Media ist mehr als Facebook, Twitter und Co. Mit Google+ hat einer der ganz großen Internet-Player 2011 Facebook den Kampf angesagt. Was zukünftig daraus wird, muss beobachtet werden. Keiner vermag heute zu sagen, wohin die nächste große Völkerwanderung im Netz führen wird. Fest steht, das Netz wird sich weiterentwickeln – die Hauptredaktion Neue Medien wird diese Entwicklung auf jeden Fall weiterhin wachsam beobachten.

Andreas Rother