Susanne Kayser, Leiterin Medienforschung
Beate Frees, Leiterin Onlineforschung
Bernhard Kessler, Medienforschung
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Über die Hälfte der Bewegtbildnutzer sieht Fernsehinhalte im Netz
Grundlagen zur Medienkonvergenz und erfolgreiche Formate in der ZDFmediathek

Bewegtbilder im Netz erfreuen sich nach wie vor wachsender Beliebtheit. Dabei werden Fernsehinhalte mehr und mehr zum Treiber dieser Entwicklung. Über die Hälfte der Bewegtbildnutzer hat bereits Fernsehinhalte im Web gesehen, wobei die ZDFmediathek aktuell die erfolgreichste Sendermediathek ist. Der Blick auf das Verhältnis von Fernsehen und Internet zeigt, dass diese Entwicklung keineswegs zu Lasten des Fernsehens geht. Vielmehr bleibt auch das Fernsehen ein Erfolgsmedium.

Neben der zweifellos steigenden Bedeutung des Internets konnte auch das Fernsehen in den letzten Jahren seinen ohnehin schon großen Anteil am Medienbudget noch weiter ausbauen. Nie zuvor wurde mit im Schnitt täglich 223 Minuten so viel ferngesehen wie im Jahr 2010. Bemerkenswert ist dabei, dass der Anstieg der Sehdauer auch bei jüngeren Zuschauern zu beobachten ist. Ungeachtet von der Sehdauer zeigt sich darüber hinaus, dass fast jeder Deutsche mit Fernsehen erreicht wird. Täglich schalten 72,4 Prozent aller Zuschauer (52,11 Mio.) den Fernseher ein. Pro Monat sind es sogar 96,4 Prozent (69,4 Mio.). Diese Zahlen sind über die letzten zehn Jahre stabil geblieben.

Auch die lineare Fernsehnutzung ist stabil geblieben. Trotz der zunehmenden Möglichkeiten zur zeitversetzten Nutzung – DVD, PVR (Persönlicher Videorekorder) – macht diese Nutzungsform nur 0,4 Prozent (~1 Minute) der Gesamtfernsehnutzung aus und liegt damit hinter den Erwartungen. Fernsehnutzung findet also in den allermeisten Fällen live statt. Des Weiteren ist Fernsehen nach wie vor ein Gemeinschaftserlebnis. Bei Showevents wie »Wetten, dass ..?« schauen rund 60 Prozent der Zuschauer zusammen mit anderen fern.

Nun stellt sich allerdings die Frage, wie sich die wachsende Fernsehnutzung mit der zunehmenden Internetnutzung zusammenbringen lässt. Inzwischen sind fast drei von vier Deutschen online, wobei im Schnitt täglich 83 Minuten mit Internetnutzung verbracht werden. Im Vergleich zu den 44 Minuten aus dem Jahr 2005 ist dies ein deutlicher Anstieg. Dass dieser Anstieg nicht zu Lasten des Fernsehens geht, lässt sich unter anderem durch rückläufige Entwicklungen bei anderen Medien wie Radio oder Tageszeitung erklären. Zudem hat auch die Parallelnutzung von Medien (2010: plus sieben Minuten gegenüber 2005) zugenommen, wobei hier die Kombination Fernsehen und Internet die größte Rolle spielt. Wenn Internet und Fernsehen parallel genutzt werden, bedeutet dies allerdings nicht, dass auf dem Fernseher ein Spielfilm gesehen wird, während im Internet eine Dokumentation läuft. Vielmehr ist das Internet hauptsächlich ein Kommunikationsmedium. So entfallen laut ARD/ZDF-Onlinestudie rund 49 Prozent der Internetnutzung auf kommunikative Handlungen wie E-Mails schreiben oder chatten. Und dies geht nicht zu Lasten der Fernsehzeit, sondern zu Lasten anderer Freizeitaktivitäten.

Das Verhältnis zwischen Fernsehen und Internet ist also nicht im Sinne einer Kannibalisierung zu verstehen, sondern eher im Sinne sich ergänzender Angebote. Wie so etwas aussehen kann, zeigt die Entwicklung der ZDFmediathek. Durch das ZDF-Onlineangebot wird dem Zuschauer die Möglichkeit einer zeitsouveränen Nutzung ermöglicht. Am Beispiel von »Neues aus der Anstalt« wird deutlich, dass dieses Angebot auch angenommen wird. Immerhin fünf Prozent der Gesamtnutzung entfallen auf Videoabrufe (Kennzahl Sichtungen) in der ZDFmediathek.

Solche Beispiele belegen, dass die Bedeutung von Bewegtbildern im Internet zunimmt, obwohl – zumindest im Moment – Fernsehnutzung im Internet mit rund einer Minute täglich im Vergleich zu fast vier Stunden vor dem Fernsehgerät für die Gesamtbevölkerung noch eher eine Randnutzung darstellt. Bei jüngeren Zielgruppen und einzelnen Primetime-Serien allerdings kann der Anteil zeitversetzter Nutzung via Internet bereits deutlich höher liegen.

Gleichzeitig wächst das Potenzial von bewegten Bildern im Netz. So hat im Vergleich zu 2010, neben dem Besuch von Communitys, vor allem die Nutzung bewegter Bilder im Internet zugenommen. Insgesamt sehen sich 2011 gut zwei Drittel (68 Prozent) aller Onliner (51,7 Mio. Personen) zumindest gelegentlich bewegte Bilder im Netz an. Unter die Bezeichnung Bewegtbilder fallen alle audiovisuellen Angebotsformate im Netz, wie beispielsweise Fernsehsendungen live oder zeitversetzt, sonstige Videos oder Podcasts – dies entspricht dem so genannten weitesten Nutzerkreis. 2010 waren es 65 Prozent, also drei Prozentpunkte weniger. Treiber dieser Entwicklung waren 2011 Fernsehinhalte, die zunehmend via Internet angesehen werden: Über die Hälfte der Bewegtbildnutzer hat bereits Fernsehinhalte im Web gesehen. Dies entspricht 37 Prozent gemessen an allen Onlinern und rund 19 Millionen Personen – 2010 waren es erst 30 Prozent und rund 15 Millionen Personen. Hinzugekommen sind vier Millionen Menschen aus allen Altersgruppen, am deutlichsten ist der Zuwachs allerdings bei den 14- bis 29-Jährigen. Die Nutzer interessieren sich also auch im Internet weitestgehend für Inhalte, die sie aus dem Fernsehen kennen.

Die Hauptnutzung von Bewegtbildern findet auf Videoportalen statt, fast jeder Nutzer von audiovisuellen Inhalten nutzt auch YouTube (65 Prozent). Mit deutlichem Abstand folgen die Mediatheken der einzelnen Sender.

Die ZDFmediathek liegt 2011 mit 21 Prozent Reichweite auf Platz eins nach Sender-Mediatheken, dicht gefolgt von der Mediathek ARD/Das Erste.

Innerhalb von vier Wochen wird die ZDFmediathek von elf Prozent der Internetnutzer aufgesucht und damit von rund sechs Millionen Personen. Diese sechs Millionen Menschen rufen 2011 monatlich rund 30 Millionen Mal Videos in unserer Mediathek ab - im Jahr 2010 waren es rund 280 Millionen Videoabrufe und rund 23 Millionen pro Monat. Die höchste Nutzung nach Videoabrufen (ZDF-Kennzahl Sichtungen) entfällt dabei mit rund der Hälfte der Gesamtnutzung auf das Genre Information. Dies ist allerdings auch das Genre mit den meisten Onlinevideos (ganze Sendungen bis hin zu kurzen Einzelbeiträgen). Beispielsweise erzielt das »heute-journal« im Jahr 2010 mit 4 219 Sendungen und Einzelbeiträgen rund 15 Millionen Sichtungen. Auf den ersten drei Rängen platzieren sich entsprechend die täglichen Nachrichtenformate: das »heute-journal« auf Platz eins, gefolgt von der Hauptnachrichtensendung »heute« um 19 Uhr und den Kurznachrichten »heute 100 sec«, die täglich in zehn bis zwölf Ausgaben gesendet wird. Setzt man die täglichen Formate mit den wöchentlichen beziehungsweise unregelmäßig ausgestrahlten Formaten des Genres Information ins Verhältnis, so zeigt sich ein anderes Bild: Mit bis zu 400 000 Sichtungen pro TV-Ausstrahlung (ganze Sendung als Onlinevideo im Jahr 2010) sind Reihen wie beispielsweise »Die Deutschen« und »Terra X« deutlich erfolgreicher als beispielsweise das »heute-journal« im Netz mit durchschnittlich rund 40 000 Sichtungen pro TV-Ausstrahlung (Einzelvideo ganze Sendung). Dies liegt in der Natur der Sache, da Nachrichten in der Regel bereits zwei bis drei Stunden nach Ausstrahlung beziehungsweise Livestellung genutzt werden und danach ihre Aktualität verlieren, was bei Dokumentationen zu gesellschaftlich oder politisch relevanten, aber gewissermaßen zeitlosen Themen nicht der Fall ist. Ein weiteres Erfolgskriterium im Internet ist der Zugang zu den Inhalten: Beispielsweise werden auch Folgen zu »Die Deutschen«, Staffel I, die im Umfeld der neuen, aktuell im TV augestrahlten Folgen von »Die Deutschen«, Staffel II, verlinkt wurden, verstärkt abgerufen.

Rund ein Drittel der in der ZDFmediathek abgerufenen Videos entfällt auf das Genre Fiktion. Wobei die Abrufvideos der Telenovelas »Hanna – Folge Deinem Herzen« und »Lena – Liebe meines Lebens« Rang eins belegen, unter anderem deshalb, weil sie im Jahr 2010 die mit Abstand meisten TV-Ausstrahlungen hatten. Serielle Fiktion ist online besonders attraktiv, da verpasste Sendungen unabhängig von der linearen Ausstrahlung angesehen werden können und somit keinen Handlungsstrang verpassen lassen. Darüber hinaus sind erfolgreiche Videos der ZDFmediathek größtenteils auch Sendungsmarken, die im Fernsehen reüssieren. Der Erfolg im Internet ist darüber hinaus maßgeblich von der TV-Ausstrahlung und -Frequenz abhängig. Vergleicht man beispielsweise die Leistung der einzelnen Videos ganzer Sendungen miteinander, dann sind »Die Rosenheim-Cops«, Der Fernsehfilm der Woche und Der ZDF-Sonntagsfilm ähnlich erfolgreich wie die Telenovelas »Hanna« und »Lena«, gefolgt von den Einzelvideos zu »SOKO Stuttgart«, »Kommissar Stolberg« und »SOKO Leipzig«. Im Hinblick auf die geringe Zahl sowohl der TV-Ausstrahlungen als auch der Onlinevideos sind 2010 im fiktionalen Bereich vor allem die zweite Staffel von »Kommissarin Lund« sowie die Serie »Klimawechsel« erfolgreich.

Die Nutzungsanteile im Genre Unterhaltung und im Genre Sport liegen abhängig von programmlichen und gesellschaftlichen Ereignissen jeweils bei unter zehn Prozent. Im Genre Unterhaltung sind beispielsweise die »heute-show«, die »Küchenschlacht«, »Wetten, dass ..?« und »Neues aus der Anstalt« erfolgreich. In Verbindung mit dem tragischen Unfall von Samuel Koch bei »Wetten, dass ..?« entfällt allein ein Viertel aller Sichtungen in diesem Genre in 2010 auf die Dezember-Ausgabe. Hinzu kommen mehr als drei Mal so viele Abrufe (rund 6 Mio. Videoabrufe) über den ZDF-Kanal auf YouTube. In der Summe erreichen die Unterhaltungsformate deutlich weniger Sichtungen als die Formate im Genre Fiktion und Information, was vor allem an der niedrigeren Ausstrahlungsfrequenz und in diesem Zusammenhang am geringeren Angebotsumfang liegt.

Auch die Nutzung von Sportangeboten ist in hohem Maße ereignisgetrieben. So ist die Nutzung abhängig von den saisonalen Sportereignissen, von den persönlichen Vorlieben der Fans und vom Erfolg in den einzelnen Sportarten.

Zusammenfassend sind erfolgreiche Sendungsabrufe im Internet stark abhängig von der Häufigkeit der TV-Ausstrahlung, von der Anzahl der Videos (Sendungen und Einzelbeiträge), von starken Formaten und vom Genre. Hinzukommen unvorhersehbare Ereignisse (Emotionales), über die am nächsten Tag berichtet wird und die damit die Vorteile der zeitversetzten Nutzung einzigartig machen.

Susanne Kayser
Beate Frees
Bernhard Kessler
Produktionsleistungwert am Beispiel von »Neues aus der Anstalt« am 22. März 2011
YouTube meistgenutztes Videoportal, gefolgt von ZDFmediathek
Hitliste Sendungen 2010