Daniel Fiedler, Koordinator ZDFkultur/3sat
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»Make some noise« – so lautet der Titel des im Mai 2011 veröffentlichten Videos der amerikanischen Band Beastie Boys, mit dem am 7. Mai 2011 der Digitalkanal ZDFkultur an den Start ging. Dieses erste Programm des neuen Kanals war durchaus programmatisch gemeint. Der neue Kulturkanal des ZDF will nämlich nichts weniger als für das ZDF einen neuen Kulturbegriff erobern. Eine Vorstellung von Kultur, die sich weniger an einem traditionellen, hochkulturell geprägten Kulturbegriff orientiert, wie es 3sat und ARTE für sich in Anspruch nehmen, sondern die Popkultur als Ausgangspunkt für das Programm nimmt.

Ziel von ZDFkultur ist es vor allem, jüngere Zuschauergruppen, die bislang keinen Weg zum ZDF fanden, an das Zweite heranzuführen. Popkultur ist dafür das Mittel, richtet sie sich doch an alle Gesellschaftsschichten und ist neben Sport und Fiktion ein wesentlicher Interessenspunkt im Mediennutzungsverhalten jüngerer Zuschauer. Popmusik, Jugend-, Sub- und Internetkultur bis hin zu Angeboten aus der Klassik, die für den popkulturellen Diskurs relevant sind, bilden den Kern der Angebotspalette von ZDFkultur.

In seinen Anfangsmonaten profilierte sich ZDFkultur erfolgreich als Musiksender. Nicht der Chart-Pop stand dabei im Mittelpunkt, sondern das Liveerlebnis. Wer ZDFkultur einschaltete, fand dort täglich Mitschnitte von Konzerten aus allen möglichen Gattungen: Rock und Heavy Metal genauso wie Pop, Indie oder HipHop. In den Sommermonaten wurde ZDFkultur zur Open-Air-Bühne. Der Sender berichtete live von sieben großen deutschen und europäischen Pop- und Rockfestivals. Mit einer überzeugenden Performance bildete ZDFkultur für das Hurricane-Festival, Roskilde, Glastonbury, Splash!, Melt!, Wacken und das Berlin Festival die mediale Bühne.

Musikfernsehen hat eine lange öffentlich-rechtliche Tradition, die aber in den vergangenen 15 Jahren vernachlässigt worden ist. Mit ZDFkultur ist diese Entwicklung vorbei. Neben der Livemusik stehen intelligente Musikformate im Vordergrund, wie die unplugged-Reihe aus dem Dessauer Bauhaus »zdf@bauhaus« oder das interaktive Format »on tape«, das in Zusammenarbeit mit dem Netzsender tape.tv entsteht.

Mit ZDFkultur ist ein ungewöhnlicher öffentlich-rechtlicher Digitalkanal geschaffen worden. Neben einem Präsentationskonzept, das bereits mehrfach mit den höchsten Auszeichnungen der Designbranche bedacht worden ist, zeigt dies vor allem die Wiedereinführung der Kanalmoderation. Unter Moderation versteht ZDFkultur aber nicht einfach nur Programmansage. Die jungen Talente Nina Sonnenberg, Rainer Maria Jilg, Lukas Koch und Jo Schück machen ZDFkultur authentisch und geben dem Sender ein unverwechselbares Gesicht. Zudem überzeugen sie durch ihre eigene Haltung zu den Themen, für die der Kanal steht. Auch hier zeigt sich der Mehrwert von ZDFkultur für das ZDF: In diesem Programm kann sich Moderatorennachwuchs ausprobieren und professionalisieren.

Die genannten Moderatoren prägen den Kanal, indem sie die wichtigen Formate von ZDFkultur präsentieren. Insbesondere mit »Der Marker« ist es gelungen, ein außergewöhnliches Jugend- und Popkulturformat zu entwickeln, das täglich sendet. Es ist das erste bimediale Format des ZDF, da es von vornherein gleichermaßen für Online und TV umgesetzt wird. Die Themen der Redaktion werden gleichwertig in Blogs, Beiträgen und Sendungen gezeigt. Erstmals wurde im ZDF eine »produzierende Redaktion« eingerichtet, womit neue flexible und kostenreduzierende Produktionsweisen geschaffen wurden, die schon heute richtungsweisend für das Unternehmen sind. Und auch inhaltlich ist »Der Marker« ein Experimentierfeld.

ZDFkultur hat für das ZDF einen neuen, jungen Kulturbegriff erobert und präsentiert Themen und Inhalte, die das ZDF in dieser Form bislang nicht kannte. Mit einem Programm-Mix, der sich zukünftig noch stärker aus Popmusik, Gaming, Funsport und Kultprogrammen zusammensetzen wird, kann ZDFkultur die Brücke für das ZDF in die Jugendkultur bilden, die es für seine Auftragserfüllung benötigt. Mit dem Hauptprogramm allein wird das ZDF die gesamte Gesellschaft dauerhaft nicht erreichen können. Gemeinsam mit ZDFkultur, ZDFinfo und ZDFneo aber schon. Dazu brauchen diese Kanäle aber vor allem eins: Zeit. Auch im digitalen Zeitalter dreht sich die Welt nicht schneller. Erfolg im Fernsehen misst sich auch heute nicht in Wochen und Monaten, sondern in Jahren. Diese Zeit sollten wir uns nehmen.

Daniel Fiedler
Plakatkampagne fü ZDFkultur
Sie moderieren ZDFkultur: Lukas Koch, Nina Sonnenberg, Jo Schück und Rainer-Maria Jilg