Andreas Eck, Projektleiter »ZDF log in«
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Ein Gast, ein Thema und 60 Minuten Zeit. Auf der Upload-Seite von »ZDF log in« können diskutierfreudige User nicht nur die Sendung sehen, sondern zu dieser auch ihre Meinung äußern. Sie ist damit eine der ersten Sendungen im ZDF, die Internet und Fernsehen konsequent miteinander verbindet.

»Was gibt's im Netz?«. Tja, das fragen wir Fernsehmacher uns schon lange. Speziell bei unserem interaktiven Talk-Experiment »ZDF log in«. Die Frage steht inzwischen auf der roten Liste unserer Moderatoren, beantwortet haben wir sie aber noch immer nicht richtig. Denn die Tiefen des Internets sind unendlich, vollkommene Kontrolle unmöglich. So viel haben wir nach über 30 Livesendungen zumindest gelernt.

Wir sind also »drin«, damit aber noch lange nicht in den Köpfen junger Menschen, die Fernsehen nicht mehr nur als Leanback-Medium begreifen, sondern mitgestalten, eingreifen, selbst bestimmen wollen. Dies gilt besonders für den Informationsbereich, wo selbst topaktuelle Nachrichtensendungen wie »heute« nur schwer mit der Schnelligkeit des Netzes mithalten können. Fernsehen dient bei den Jungen meist als Unterhaltungsmedium. Ihre Informationen und Agenda suchen sie sich schon lange selbst im Netz zusammen. Leitmedien wie das Fernsehen werden immer mehr zu Randerscheinungen, die man mitnimmt, die aber nicht mehr zwingende Grundnahrung zur Meinungsbildung sind. Ein Individualisierungsprozess mit enormer Wucht, der uns zwingt, darüber nachzudenken, wie wir das klassische Massenmedium Fernsehen mit dem sich ständig erneuernden Massenmedium Internet verbinden können. Viel ist versucht worden, vieles gescheitert, manches in der Entwicklungsphase steckengeblieben.

Die gute Nachricht nach knapp einem Jahr »ZDF log in«: Es gibt noch Hoffnung. Denn ganz ohne »Lagerfeuermentalität« und Orientierung kommen auch jene nicht aus, die immer weniger in den Zuschauerstatistiken öffentlich-rechtlicher Sender auftauchen. Eine »verlorene« Generation, die oft zu Unrecht als unpolitisch bezeichnet wurde. Der Zuwachs bei Sozialen Netzwerken wie Facebook macht deutlich, dass die User sich mitteilen, Erfahrungen und Meinungen austauschen wollen. Eine moderne Form des Bürgerforums, in dem enormes Potenzial steckt.

Noch geht es vorrangig um private Dinge. Doch Fernsehsender, nicht nur in Deutschland, sondern in der ganzen Welt, haben schon lange eines erkannt: Hier existiert eine völlig neue Diskussionskultur, von der User wie auch Sender profitieren könnten. Die Voraussetzung dafür: Man findet die richtige Form der Interaktivität. Denn mit dem reinen Vorlesen von ein paar Fragen haben Internet und Fernsehen noch lange nicht zueinander gefunden.

Der Kampf um die Vorherrschaft im Wohnzimmer der Zukunft hat gerade erst begonnen. Noch stecken die Smartscreens, bei dem Zuschauer gleichzeitig im Netz mitchatten können, in den Kinderschuhen. Doch Sendungen wie »ZDF log in« zeigen, dass es auch mit einem Laptop neben dem TV funktioniert.

Nicht immer laufen die Diskussionen im Netz und bei »ZDF log in« synchron. Denn während sich die zahlreichen Chatter bei einem Thema festbeißen und den unbegrenzten Zeitrahmen des Internets nutzen, wird die auf 60 Minuten getaktete Sendung von unserem Moderator Wolf-Christian Ulrich zum nächsten Diskussionspunkt getrieben.

Eine Herausforderung, die Gelassenheit und Schnelligkeit erfordert. Denn, warum eine lebendige Diskussion im Netz stoppen, wenn wir schon das gemeinsame Forum und den Impuls dafür kreiert haben. Warum nicht umgekehrt den Impuls der Netzdiskussion nutzen und in die TV-Debatte werfen? Hier muss nicht nur die Redaktion im Hintergrund schnell reagieren, sondern auch die Moderatoren im Studio. Wichtig ist, dass es sie immer wieder gibt – diese magischen Momente, wenn Fernsehen und Internet sich berühren und die Rituale üblicher Talkrunden durchbrechen.

Keine leichte Aufgabe für Politiker, die es gewohnt sind, ihre Kreise in den vertrauten Bahnen journalistischer Fragesteller und parteipolitischer Gegner zu ziehen. Die Fragen aus dem Netz sind anders: direkter, schnörkelloser und manchmal hart. Eine selbstbewusste Gegenbewegung zu den üblichen Frageritualen, die oft auch die jungen Diskutanten im Studio ansteckt und ihnen Kraft verleiht. Ganz anders als die zittrigen Stimmen ausgewählter Jungwähler, die in Vorwahlsendungen eine direkte Frage an den Kandidaten stellen dürfen. Bei »ZDF log in« bestimmen nicht die, die an der Macht sind, das Tempo, sondern die, die sie an die Macht wählen.

Nicht jeder sieht die Chance, die in solch einem direkten Dialog steckt. Gerade in unserer Anfangszeit war manch prominenter Gast von der Wucht und der Schnelligkeit der Diskussion überrascht. Wer es sich leicht machen wollte, hat sich über die Respektlosigkeit beschwert. Wer gesehen hat, dass er sich genau wie das ZDF bei einer als verloren geglaubten Generation profilieren kann, hat sich auf den interaktiven Streit mit Lust eingelassen. Genau wie unser Moderator Wolf-Christian Ulrich, der mit seiner spontanen und gutgelaunten Art viel zur Glaubwürdigkeit unserer kleinen feinen Sendung beigetragen hat.

Mittlerweile sind die Gäste, die mit Lust kommen, in der Überzahl. »ZDF log in« hat noch nicht die Zuschauerzahlen erreicht, die wir uns wünschen. Die Sendung hat sich aber nach fast einem Jahr und zahlreichen XXL-Sendungen mit einer Länge von bis zu vier Stunden als eine Marke etabliert, die bei der sehr ehrlichen Internetgemeinde immer mehr Fans findet (unter anderem bei Facebook, Twitter und StudiVZ) und die mittlerweile auch im politischen Berlin bekannt ist. Vorbei die Zeiten, in denen man den Pressesprechern bei der Gästeakquise das Konzept des Formats erklären musste.

»ZDF log in« ist aber nicht nur in der Außenwahrnehmung eine der ersten Sendungen des ZDF, die Netz und Fernsehen konsequent miteinander verbindet. Auch intern mussten wir Pionierarbeit leisten, da manches, was auf dem Bildschirm so einfach und selbstverständlich aussieht, mit mehr Arbeit verbunden war, als wir uns das vorgestellt hatten.

Sicherlich, es gab mit »Erst fragen, dann wählen« eine erfolgreiche Vorgängersendung, die das wöchentliche Format erst ermöglicht hat und erste Weichen gestellt hat. Daraus ein wöchentliches Talkformat zu machen, bei dem die Mitarbeiter von den beiden verantwortlichen Redaktionen, Hauptredaktion Neue Medien und »ZDF-Morgenmagazin«, in kleiner, rotierender Mannschaft jeden Mittwoch auf Sendung gehen und sich als eine gemeinsame Redaktion verstehen, war noch einmal eine ganz neue Herausforderung.

Mittlerweile können wir bei allen Schwierigkeiten, die so ein Experiment mit sich bringt, sagen, dass wir viel voneinander gelernt und einiges erreicht haben. Zugegeben, es hat Zeit gebraucht, bis wir Fernsehmacher als Kontrollfreaks und selbst ernannte Welterklärer verstanden haben, dass das Netz zwar Chaos sein kann, wir es aber dennoch ein klein wenig kontrollieren können. So haben wir beispielsweise gelernt, wie man durch eine vorher abgesprochene Dramaturgie den Chat steuern kann, sodass es nicht nur einige, sondern viele dieser kleinen magischen Momente gibt und dass aus dem Programmauftrag, die Crossmedialität zu stärken, eine richtig lebendige Sendung werden kann.

Noch ist nicht klar, wie lange wir die Chance bekommen, weiter zu experimentieren. Denn »ZDF log in« ist eine Sendung, die wohl nie am Ziel ankommen wird. Aber genau darin steckt bei allem Kraftaufwand wahrscheinlich gerade der Zauber. Ein Format, das dem Klischee, öffentlich-rechtliches Fernsehen habe keinen Mut mehr, etwas entgegensetzt. Kraftvoll und innovativ – immer mit dem Risiko, auch scheitern zu können.

Andreas Eck
»ZDF log in«
Wolf-Christian Ulrich und Milena Bonse