Lisa Borgemeister, Redaktion ZDFinfo/Projektsteuerung Relaunch
Sylvia Förster, Chefin vom Dienst ZDFinfo
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ZDFinfo: Fernsehen zum Mitreden
Zwischen »ZDF log in« und »heute plus«

Vom Sofa aus in einer Talk-Sendung mitdiskutieren, Moderatoren und Redakteure direkt nach den »heute«-Nachrichten nach ihrer Meinung fragen, das Programm einfach auch mal selbst mitbestimmen – das ist keine Zukunftsmusik, sondern die Welt von ZDFinfo: Fernsehen zum Mitreden. Mit diesem Anspruch und neuen Formaten startete ZDFinfo am 5. September 2011 als Weiterentwicklung des ZDFinfokanals.

Zum Start des Relaunch-Projekts hatte sich das Team ambitionierte Ziele gesteckt: Nicht nur das Profil von ZDFinfo sollte geschärft werden – es galt auch, neue Formate ins Leben zu rufen, ein neues Design und ein virtuelles Studio zu entwickeln, die Arbeitsstrukturen innerhalb der Redaktion zu verändern und vieles mehr. ZDFinfo soll die informationshungrigen 30- bis 50-Jährigen erreichen. Die Königsdisziplin. Und das Programm des ZDFinfokanals musste weiterlaufen. Mit großem Pioniergeist machte sich das Redaktionsteam rund um Koordinator Peter Wagner – seit Juli dann mit Programmbereichsleiter Robert Bachem – ans Werk.

Klar, dass ein solches Projekt mit engem Zeitplan nicht von einer Handvoll Mitarbeiter allein gestemmt werden kann. Die bewährte enge Zusammenarbeit zwischen Redaktion und Produktion zahlte sich auch beim Relaunch aus: Mit Lisa Borgemeister (Redaktion) und Wolfgang Ommert (Produktion) ging ein Projektsteuerungsteam an den Start, das von Beginn an alle Abteilungen und Gewerke des Hauses in alle Überlegungen mit einband. Zahlreiche Mitarbeiter und Abteilungen des ZDF haben den Relaunch von ZDFinfo engagiert und maßgeblich mit vorangetrieben. Die kollegiale und fruchtbare Zusammenarbeit mit den Redaktionen des Hauses und die Nutzung von Synergien waren entscheidend für einen erfolgreichen Neustart.

ZDFinfo ist der Chefredaktion zugeordnet und dem starken Informationsprofil des Senders verpflichtet. Crossmedialität, Themen des digitalen Alltags, Serviceangebote für die »Generation der sozialen Netzwerke« und neuartige Dokumentationen machen ZDFinfo heute zu einem ganz besonderen Angebot im deutschen Fernsehen. Wir wollen Themen so anbieten, dass sie unseren Zuschauern helfen, in einer komplizierter werdenden Welt mitzureden. Mitreden über die Themen der Zeit beim Gespräch mit Kollegen und abends in der Kneipe, und mitreden bei uns in den Sendungen, transportiert über das Netz.

Damit ist ZDFinfo ein wichtiger Teil der Zukunftsstrategie des ZDF, ein Labor für neue »Info«-Formate. Das ist nicht ganz neu bei ZDFinfo. Schon vor dem Relaunch wurde in enger Zusammenarbeit mit den Redaktionen der Chefredaktion, vor allem aber mit den Kolleginnen und Kollegen der Hauptredaktion Neue Medien entwickelt, ausprobiert, verworfen, zur Serienreife gebracht. Wichtige Erfahrungen auf dem Weg zu einem Fernsehen zum Mitreden.

Echt direkt: »ZDF log in«
Und so ist auch jetzt noch unser »ältester« Spross in der Crossmedia-Familie eines unserer Kernformate: Der jung moderierte, interaktive Polit-Talk »ZDF log in« diskutiert wöchentlich Themen, die in der politischen und gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung – auch im Internet – eine wichtige Rolle spielen. Die Gäste der Sendung werden mit Fragen und Reaktionen aus dem Netz konfrontiert. Ungewohnt für viele Politiker und Experten, sich direkt mit Usern, Zuschauern auseinandersetzen zu müssen. Spannend für die User, dass ihre Fragen im Fernsehen »zu Wort« kommen. Eine Herausforderung für die Moderatoren, dies alles zusammenzubringen. Genauso wie die technischen Anforderungen an die Studiocrew.

Echt neu: »heute plus«
Die Macher der »heute«-Sendung stellen sich im neuen Format »heute plus« direkt den Fragen der Zuschauer und Nutzer. Ein Mal in der Woche, direkt im Anschluss an die Nachrichten um 19 Uhr, gibt diese interaktive Feedback-Sendung Gelegenheit zur Diskussion über Themenauswahl, Machart und Gewichtung der gerade ausgestrahlten Nachrichten. Für uns Fernsehmacher eine höchst spannende Erfahrung, auf Augenhöhe mit dem Zuschauer kritisiert und auch gelobt zu werden. Ein bisschen revolutionär. Und ganz neu auf dem deutschen Fernsehmarkt. Auch die Crew im neuen Nachrichtenstudio 1 stand vor der Herausforderung, die interaktiven Elemente in die »grüne Hölle« zu integrieren.

Echt anders: »Europa plus«
Entwickelt und umgesetzt von der Hauptredaktion Politik und Zeitgeschehen, geht das neue kritische Europamagazin »Europa plus«, den Interessen jüngerer Zuschauer folgend, das Thema Europa crossmedial, verständlich, unkompliziert und oft genug auch witzig an. Junge Europäer kommen über die Onlineplattform »Café Babel« zu Wort. So manches Erklärstück hat es schon ins Hauptprogramm geschafft.

Echt jung: »WISO plus«
»WISO plus« ist mit fünf Erstausstrahlungsterminen pro Woche eine der tragenden Programmsäulen von ZDFinfo, umgesetzt von der Hauptredaktion Wirtschaft, Recht, Soziales und Umwelt. Werktäglich werden die reichhaltigen Serviceangebote des ZDF gebündelt, die Beiträge überarbeitet, »verjüngt« und durch neue Themen aus dem Bereich Internet, Computer und Handy ergänzt. Unter den Schlagworten Umwelt, Recht, Geld, Technik und Leben präsentieren drei wechselnde Moderatoren eine monothematische Sendung mit neuen Trends und handfesten Tipps. Die Themen orientieren sich an der Lebenswirklichkeit der jüngeren Zielgruppe: Ob wilde Ehe oder Arbeitsrecht, aber auch die neuesten Trends der internationalen Schuhmessen werden hier besprochen. Frisch und manchmal auch frech steht im Mittelpunkt, was das Leben der Zuschauer einfacher, aber auch spannender macht.

Echt gelungen: das Design
Neben den Fragen der inhaltlichen Ausgestaltung musste für die Sendungen auch eine äußere Form gefunden werden. Eine senderprägende, wiedererkennbare Optik sollte es sein. Kompetent, jung, spielerisch und vor allem kreativ hat das Marketing den »Verpackungsprozess« und die Kampagne von ZDFinfo umgesetzt. Die »Sprechblase mit Zipfel« oder »Zwickel« – pardon: das »Infopanel mit Pointer« – entwickelte sich schnell zum Lieblingswerkzeug aller am Prozess Beteiligten. Damit bahnte es sich seinen Weg durch das Senderdesign, das Studiodesign, das Sendungsdesign, die Beitragsverpackungen, wunderbare Trailer: passend, eindeutig und wiedererkennbar.

Dann fiel die Entscheidung, das Nachrichtenstudio 2 zu entwickeln, um die neuen Formate dort zu beheimaten. Aller Anfang ist schwer, und so hielt sich die Begeisterung bei Redaktion und Technikkollegen zunächst in Grenzen. Virtualität ist ein weites Feld, der Zeitplan war sehr eng. Nach dem ersten »Blick durch die Kamera« war das Eis jedoch gebrochen, alle Zweifel aufgelöst. Dass am 5. September alle Sendungen on air waren, ist einer großartigen und engagierten Leistung der Kolleginnen und Kollegen von Technik, Design und Redaktion zu verdanken, die in einem kreativen, sehr kollegialen, teamorientierten Prozess alles möglich gemacht haben.

Echt crossmedial: »my info«
Technischen Herausforderungen ganz anderer Art stellten sich die Kollegen von Streamingdiensten und Studioproduktion. Die meistgeklickten Videos der ZDFmediathek sollten sich in einer Sendung bei ZDFinfo wiederfinden. Genau in der Reihenfolge, wie sie geklickt wurden und auch in der Optik der Mediathek wieder erkennbar. Soweit die Idee. Nur, wie kommt die ZDFmediathek ins Fernsehen? Die Kollegen haben gegrübelt, programmiert und getestet, völlig neue technische Wege beschritten. So gibt es seit dem Start von ZDFinfo jeden Tag eine halbe Stunde Programm, bei dem die User die Inhalte und das Ranking bestimmen. Spannend, denn keine einzige Sendung würde ein Redakteur so bauen. Hier ist der Zuschauer Programmdirektor.

Echt schnittig: »Sport 360° extrem«
Den Piloten gibt es schon, Anfang 2012 soll das Format in Serie gehen: »Sport 360° extrem«. In einer Kooperation zwischen den Hauptredaktionen Sport und Neue Medien ist für ZDFinfo ein Magazin entstanden, das sich für die Trendsportarten abseits der großen Sportereignisse interessiert. Freaks sind hier gefragt, zum Beispiel aus der BMX-Szene. In einer Kombination aus Vor-Ort-Moderationen und Drehs mit einem Star der Szene, Videos aus dem Netz und Skype-Schalten zu Freaks aus anderen Nationen, entsteht, mit viel Musik kombiniert, ein echt schnittiges Sportmagazin.

Echt motivierend
Und weiter landen innovative Konzepte auf unseren Tischen. Die Entwicklung von ZDFinfo motiviert viele Kolleginnen und Kollegen, Formatvorschläge zu machen, intensiv über die Machart von Beiträgen und Dokumentationen nachzudenken, neue Wege zu gehen. Nicht alles wird seinen Weg ins Programm finden. Aber die Erfahrungen, die wir alle dabei sammeln, der Mut und die Kompetenz, die dazu gehören, werden ihre Wirkungen auf das Programm haben. Auch die Formate werden weiter Raum für Entwicklung und Innovation haben. Wir können gespannt sein.

ZDFinfo profitiert vom Hauptprogramm und ist gleichzeitig Innovationsmotor für das Hauptprogramm. Einiges, was zunächst erst einmal für ZDFinfo produziert wurde, nimmt dann auch seinen Weg ins ZDF. Unter dem Label »info premium« sendet ZDFinfo Dokumentationen und Reportagen, die durch besondere Machart und neue Blickwinkel auffallen. Ungewöhnliche Kameraführung, neue Formen der optischen Gestaltung, eine auffällige Erzählhaltung – »info premium« bietet dem Zuschauer ein frisches und junges Dokumentationsformat. Das Label steht für Geschichten hinter den News. Die Produktionen gehen einer Sache auf den Grund, fragen nach den Motiven der Menschen. Aber auch bei anderen Programmfarben, wie zum Beispiel Dokusoaps, gedeiht die Synergie und Kooperation mit dem Hauptprogramm.

2011 war ein anstrengendes Jahr für alle Beteiligten – doch das Projekt Relaunch ist gelungen. Mit dem Start von ZDFinfo hat das ZDF die Neupositionierung seiner drei Digitalkanäle erfolgreich abgeschlossen. Ja, tatsächlich erfolgreich. Schon im ersten Monat erreichte ZDFinfo einen Marktanteil von 0,2 Prozent insgesamt und vor allem auch mit den jüngeren Zuschauern eine Verdoppelung der Quote. Damit positioniert sich ZDFinfo als zweiterfolgreichster öffentlich-rechtlicher Digitalkanal, trägt zur Verjüngung der ZDF-Zuschauer bei und hilft den drohenden Generationenabriss zu verhindern.

Der Erfolg der ersten Wochen und Monate zeigt, wie sehr sich die Entwicklungsarbeit aller Beteiligten gelohnt hat. ZDFinfo ist es gelungen, das Profil deutlich zu schärfen und mit einem frischen, jungen Erscheinungsbild für Aufmerksamkeit zu sorgen. Jetzt gilt es, die Erfolge auszuwerten und sowohl das Programmschema als auch die Formatarbeit stetig weiter voranzutreiben. Den Blick mutig auf Innovation und Verjüngung gerichtet.

Lisa Borgemeister
Sylvia Förster
»heute plus«
»WISO plus«
»europa plus« auf ZDFinfo