Milena Bonse, Das kleine Fernsehspiel
Burkhard Althoff, Das kleine Fernsehspiel
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»Wer rettet Dina Foxx?«
Krimitradition im Internetzeitalter

Als in Zusammenarbeit zwischen der Redaktion Das kleine Fernsehspiel, der Hauptredaktion Neue Medien und Autor und Regisseur Max Zeitler die Idee für den Internetkrimi »Wer rettet Dina Foxx?« entstand, war nicht abzusehen, welch große Aufmerksamkeit dieses crossmediale Experiment erhalten würde. Die Prämisse war so einfach wie provokativ: Ein 50-minütiger Krimi sollte an seiner spannendsten Stelle abbrechen und die Zuschauerinnen und Zuschauer auf eine dreiwöchige interaktive Tätersuche schicken. Der im Fernsehfilm etablierte Fall musste von Zuschauern und Usern gelöst werden. Alle Elemente der Geschichte wurden von Anfang an sowohl für das Fernsehen als auch für das Internet entwickelt und produziert. Fernseh- und interaktiver Krimi sollten nicht voneinander zu trennen sein, sondern ein Gesamtereignis ergeben. Die Idee war, eine neue unterhaltsame Erzählform für ein junges Publikum zu entwickeln und damit die Krimitradition des ZDF ins Onlinezeitalter zu führen.

Der Film
Für Dina Foxx, selbsternannte Datenschutz-Superheldin namens »Datagrrl«, wird das Leben zum Albtraum, als sie festgenommen und beschuldigt wird, ihren Freund Vasco ermordet zu haben. Im Gefängnis berichtet sie ihrem Anwalt Dr. Bernd Pitz, wie sie vor kurzem von ihrer idealistischen Gruppe freidaten.org zur Firma Avadata wechselte, um dort für ein spezielles Computerprogramm zu werben. Dieses Programm ist eine Art »Daten-Radiergummi«, mit dem im Netz verstreute unliebsame Informationen gelöscht oder eingesammelt werden können. Ihrem Freund Vasco, der zu dieser Zeit ebenfalls bei Avadata arbeitet, stoßen immer seltsamere Dinge zu, wie falsche Bankbuchungen und Unfälle mit technischen Geräten. Als Vasco zunehmend paranoider wird und sich sogar von Dina trennt, versteht sie die Welt nicht mehr. Kurz darauf wird Vasco tot aufgefunden. Dina ist geschockt und fest davon überzeugt, dass ihr Freund ermordet wurde. Auf eigene Faust beginnt sie mit Nachforschungen.

Dabei stößt sie auf die geheimnisvolle Firma Qoppamax, über die Vasco zuletzt recherchiert hatte. Sie ist sich sicher: Vasco war einer großen Sache auf der Spur, und sie selbst sitzt nur im Gefängnis, weil sie für jemanden zur Gefahr geworden ist. Kurz bevor der Film abbricht, wird Dina ein Video vorgeführt, das sie selbst am Tatort zeigt – damit ist sie die Hauptverdächtige.

Digitale Schnitzeljagd
Direkt nach dem Ende des Films startete der interaktive Krimi unter www.freidaten.org. Drei Wochen lang hatten die Zuschauerinnen und Zuschauer nun die Möglichkeit, zu ermitteln – alleine oder zusammen mit anderen Internet-Usern. Dina Foxx' virtuelle Wohnung wurde zum Datenschutzraum, in dem es galt, online Spuren zu sammeln und so zur Klärung des Falls beizutragen. Gleichzeitig konnte man sich dort spielerisch über das Thema Datenschutz informieren, indem man 25 Alltagsgegenstände wie Handys, Fotokameras oder Geldkarten anklickte und dabei über versteckte Datenrisiken aufgeklärt wurde. Auf www.freidaten.org, der fiktiven Homepage von Dinas Datenschutz-Freunden, warteten aber auch komplexere Aufgaben zur Lösung des Falls, die selbst für game-affine User eine spannende Herausforderung darstellten. Und alle, die einfach nur dem Fortgang der Geschichte folgen wollten, konnten sich in einer so genannten »Lean-Back«-Variante regelmäßig über die neuesten Entwicklungen und Ereignisse informieren.

Insgesamt bot der interaktive Krimi 14 weitere Websites, 20 Social-Media-Profile, 300 Minuten Videoinhalte, 25 Audiobeiträge sowie zahlreiche Fotos und speziell erstellte Rätsel und Dokumente. Die Geschichte, aber auch die Figurenwelt aus dem Fernsehen, wurde im Internet weitererzählt. So hatten alle Hauptfiguren beispielsweise ein eigenes Facebook-Profil, über das man mit ihnen kommunizieren konnte. Dinas Arbeitgeber Avadata hatte eine eigene Homepage, ebenso ihr Anwalt Dr. Pitz.

All diese Seiten, die das Erzähluniversum des Films auf das Internet ausweiteten, wurden später zur Lösung des interaktiven Krimis relevant, weil dort verschiedene Indizien und Hinweise zur Lösung des Falles versteckt waren.

Ein ZDF-Ereignis
Im ZDF erhielt »Wer rettet Dina Foxx?« vielfach Unterstützung. Gezielte Online-PR und Marketingaktivitäten machten auf den Ausstrahlungstermin im Fernsehen und den dreiwöchigen interaktiven Krimi aufmerksam. In zahlreichen Sendungen und auf den Webseiten des ZDF wurde auf »Wer rettet Dina Foxx?« hingewiesen. So war auf zdf.de während des gesamten Zeitraums ein Schwerpunkt zu »Wer rettet Dina Foxx?«, und auf den Seiten von heute.de gab es eine Reihe von Berichten über das Thema Datensicherheit. Im »heute-journal«, im »ZDF-Mittagsmagazin«, in der Sendung »Volle Kanne« sowie in diversen anderen Magazinen gab es Beiträge und Berichte zu »Wer rettet Dina Foxx?«. Schließlich produzierte der ZDFinfokanal eine etwa 30-minütige Auflösungsreportage über den interaktiven Krimi, die am 12. Mai auch im ZDF-Hauptprogramm gesendet wurde.

Ein Fall für alle
Bereits vor seiner Ausstrahlung stieß das Projekt auf großes Interesse. Es wurde auf den 44. Mainzer Tagen der Fernsehkritik, die unter dem Motto: »Wissen, was zählt. Wenn Fernsehen und Internet verschmelzen« standen, vorgestellt. Eine weitere Präsentation fand im April 2011 in Berlin bei der »re:publica – Konferenz über Blogs, Soziale Medien und die digitale Gesellschaft« statt. Das Presse-Echo zu »Wer rettet Dina Foxx?« war ausgesprochen stark. Alle wichtigen regionalen und überregionalen Tageszeitungen, Magazine und Onlinemedien würdigten das crossmediale Projekt als »ein echtes Experiment« (Stuttgarter Zeitung), in dessen Kern Fragen stehen, »die in unserer Digitalgesellschaft drängender werden« (FAZ). Sie stellten einen Zusammenhang zur ZDF-Krimitradition her, etwa mit der Überschrift »Ein Fall für alle« im Berliner Tip oder auch in der Süddeutschen, die in der Tätersuche im Internet »etwas für alle (sieht), die beim Tatort immer schon früher als andere den Täter kennen«. »Der erste TV-Krimi zum Mitmachen« (Express) sei daher »ein echter Protoyp« (Blickpunkt Film) und als innovatives Format, das sich dezidiert an jüngere Zielgruppen richtet, eine »doppelte Überraschung vom ZDF« (stern.de). »Mit kleinem Budget wurde hier Großes geleistet«, resümiert die Frankfurter Rundschau.

Eine Dina-Foxx-Fangemeinde
Die Ausstrahlung des Fernsehkrimis wurde in Ausrichtung auf ein junges Publikum auf den 20. April 2011 im Anschluss an das Fußballspiel FC Barcelona – Real Madrid programmiert. Obwohl der Film wegen der Verlängerung des Spiels erst um 0.05 Uhr begann, erreichte »Wer rettet Dina Foxx?« 670 000 Zuschauer und einen Marktanteil von 8,2 Prozent. Bei den 14- bis 49-Jährigen Zuschauern war der Marktanteil überdurchschnittlich.

Zur Lösung der komplexen Rätsel tauschten sich die User in mehr als 14 000 Kommentaren aus. Weit mehr verfolgten das Geschehen im freidaten-Blog und auf den anderen Webseiten des ZDF. Insgesamt gab es rund zwei Millionen Seitenabrufe auf den externen und internen »Dina-Foxx«-Seiten, etwa 200 000 Videosichtungen fanden in der ZDFmediathek und auf YouTube statt. Die Resonanz der Mitspieler war äußerst positiv, was sich neben Beiträgen auf freidaten.org, Twitter und in weiteren Foren auch durch eigens von ihnen im Internet angelegten Seiten wie Mindmaps und Excel-Tabellen zeigte. Das Spiel wurde von den zahlreichen Hobbydetektiven begeistert aufgenommen. Es ist damit das größte so genannte Alternate Reality Game, das bisher in Deutschland gespielt wurde.

Lust auf neue Abenteuer
Soviel positive Erfahrungen spornen zu weiteren Experimenten in diesem Feld an. Momentan arbeiten Das kleine Fernsehspiel und die Zentralredaktion Neue Medien zusammen mit teamworx und UFA-Lab an einem zweiten Abenteuer mit Dina Foxx. Wir hoffen, dass dieses wieder (erzähl)-technisch innovativ die Verschmelzung von Fernsehen und Internet vorantreiben wird – und, dass Dina Foxx wieder gerettet wird!

Milena Bonse
Burkhard Althoff
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