Kurt Beck, Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz und Vorsitzender des Verwaltungsrats des ZDF
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Das Internet bietet den Bürgerinnen und Bürgern neue Möglichkeiten, sich in gesellschaftliche und politische Prozesse einzubringen und diese mitzugestalten. Dies sind neue Herausforderungen an die Politik, an die Medien und an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Hierin liegen aber auch große Chancen.

Unsere Gesellschaft lebt durch die Vielfalt der Meinungen und gesellschaftlichen Strömungen. Bürgerinnen und Bürger interessieren und engagieren sich. Die Bereitschaft und der Wunsch, sich einzubringen, wachsen. Unsere Bürger wollen sich in einer durch Globalisierung komplexer werdenden Welt zu ihren Themen zu Wort melden und Gehör finden.

Diese Bereitschaft gilt es auch bei politischen Gestaltungsprozessen zu nutzen. Bürgerbeteiligung ist ein Gewinn. Rheinland-Pfalz entwickelt deshalb Dialog- und Beteiligungskonzepte, um die Bürgerinnen und Bürger frühzeitig, umfassend und in verständlicher Form über aktuelle Planungen zu informieren. Ziel ist es, die Bürger sowohl bei infrastrukturellen Großprojekten als auch anderen politisch relevanten Reformvorhaben frühzeitig zu beteiligen.

»Stuttgart 21« zeigt, dass wir moderne Beteiligungsprozesse bei wichtigen politischen Entscheidungen brauchen. Nur hierdurch kann es gelingen, notwendige Entscheidungen zu vermitteln und das Vertrauen in öffentliche Institutionen nachhaltig zu stärken.

Traditionelle Modelle der Beteiligung haben in den letzten Jahrzehnten an Bedeutung verloren. Neue Partizipationsformen unter Nutzung des Internets und anderer digitaler Kommunikationskanäle entstehen als Mittel politischer Teilhabe. Das Internet und damit die Entwicklungen des Web 2.0 ermöglichen über E-Participation breite, aber auch gleichzeitig individuelle, zeitlich und örtlich ungebundene Arten der Mitbestimmung. In diesem Umfeld muss sich auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk neu aufstellen.

Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk kommt mehr denn je die Aufgabe zu, seine Zuschauer und Nutzer mit seinen medialen Angeboten über alle politisch und gesellschaftlich relevanten Ereignisse zu informieren und sie dadurch in die Lage zu versetzen, sich eine fundierte Meinung zu bilden. Denn nur ein informierter Bürger, der die Hintergründe und verschiedenen Positionen kennt, kann sich in die öffentliche Diskussion einbringen. Die Vielzahl der Angebote führt zu einer zunehmenden Unübersichtlichkeit. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat die Aufgabe, als Medium des öffentlichen Meinungsbildungsprozesses für Einordnung zu sorgen und damit die demokratische Teilhabe zu ermöglichen.

Information ist das eine, die neuen technischen Entwicklungen, die das Internet bietet, das andere. Deshalb gilt gerade in der Informationsflut: Öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist wichtiger denn je. Dazu muss er auch die neuen Medien nutzen, um die Akzeptanz vor allem bei jungen Menschen zu erhöhen.

Für das ZDF und seine Partnerkanäle gilt es aber auch dort, das Profil weiter zu schärfen. An Informationen im Internet müssen die gleichen hohen Qualitätsstandards gelegt werden wie an die traditionellen Medien. Dies ist ein Qualitätsvorsprung gegenüber vielen anderen Quellen im Netz, die oftmals unzureichend recherchiert und geprüft sind. Die Vielzahl der Angebote steigert nicht automatisch auch die Qualität. Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit sind das Pfund der Anstalten, mit dem es zu wuchern gilt.

Neben der Gruppe der Jüngeren ist aber auch die Generation jenseits der 50 nicht zu vernachlässigen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss deren Affinität zu den neuen Medien nutzen. Der Onlinebereich ist eine wichtige und sinnvolle Ergänzung der traditionellen Medienangebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

ARD und ZDF haben dies schon frühzeitig erkannt. Das ZDF hat sich in seiner Selbstverpflichtungserklärung aus dem Jahr 2010 den Themen »Ausbau von crossmedialen Formaten« und »der verstärkten Interaktion mit und der Beteiligung von Zuschauern« gewidmet und entsprechende Projekte in dieser Richtung aufgesetzt.

Mit der Berichterstattung zur Bundestagswahl 2009 ist das ZDF neue Wege gegangen. Das ZDF hat zusammen mit YouTube eine neue Plattform des politischen Dialogs unter dem Namen »Open Reichstag« geschaltet. Mit der TV-Wahlberichterstattung des Senders wurden interaktive Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten der Onlinevideo-Plattform verbunden. Die Internetnutzer und Fernsehzuschauer sind bei diesem Projekt aufgerufen, sich mit eigenen Fragen per Onlineabstimmung und mit ihren persönlichen Meinungen und Positionen in die politische Diskussion einzubringen.

Dieses Konzept zeigt, dass es mit innovativer Kombination klassischer und neuer Medien auch bei jüngeren Menschen gelingt, das Interesse an der politischen Auseinandersetzung zu wecken. Diesen Weg setzt das ZDF seit diesem Jahr konsequent mit dem interaktiven Politmagazin »ZDF log in« im Programm von ZDFinfo fort. Bei »ZDF log in« stellen sich Politiker, wie auch Verantwortliche gesellschaftlich relevanter Gruppierungen und Organisationen, unmittelbar den Zuschauerfragen, die über das Internet übermittelt werden. Jugendlichen wird ein Gefühl der Zugehörigkeit zur politischen Gemeinschaft vermittelt und die Möglichkeit aktiver Teilhabe eröffnet.

Das ZDF nutzt auch die Sozialen Netzwerke wie Facebook, StudiVZ und die Kommunikationsplattform Twitter, um seine Zuschauer mit Nachrichten zu versorgen und in einzelne Programmbereiche einzubinden.

Das ZDF ist damit auf dem richtigen Weg. Ich ermutige die Verantwortlichen des ZDF auch weiterhin, ihre Anstrengungen zu verstärken und mit neuen Formaten zu »experimentieren«, damit auch künftig Plattformen entstehen, auf denen junge Formate unter Einbindung des Publikums »ausprobiert« werden können.

Kurt Beck