Dirk Beilstein, Leiter des Referats Zuschauerkommunikation
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Die Veränderung von Titeln ist auch immer ein Zeichen für sich vollziehenden Wandel. 1991 lautete die Überschrift im ZDF-Jahrbuch zur Zuschauerkommunikation noch »Resonanz durch Brief und Telefon«. Später wurde daraus »Was die Zuschauer bewegt und erregt« oder »Im direkten Kontakt mit den Zuschauern«. Sicher, der direkte Dialog mit dem Zuschauer ist heute wichtiger und anspruchsvoller und oft auch herausfordernder denn je – und nach wie vor eine Kernkompetenz des Bereichs, aber das Aufgabenportfolio hat sich erheblich erweitert.

Nie war es einfacher, mit dem ZDF in Kontakt zu treten – und dies tun Jahr für Jahr immer mehr Menschen. Sie tun dies als Zuschauer oder auch als Vertreter von Organisationen wie beispielsweise Firmen oder Behörden. Business to Business oder B2B ist hier der Fachbegriff. Die E-Mails über die Kontaktformulare in unserem Internetauftritt sind hier wie da der meistgewählte Kommunikationsweg. Egal, ob Firmen Dienstleistungen, Produkte oder Kooperationen anbieten, oder ob öffentliche Einrichtungen, Wettbewerber, Agenturen oder Behörden mit dem ZDF in Kontakt treten möchten – wer keinen direkten Ansprechpartner im Unternehmen hat, kann über den B2B-Desk den Erstkontakt knüpfen – oder auch über den Themendesk, denn auch Pressemitteilungen werden, ebenso wie gezielte Einzelangebote, größtenteils online verbreitet. Das Spektrum der angebotenen Themen ist so vielfältig wie das alle Lebensbereiche erfassende Programm selbst.

Nicht alle Themenvorschläge passen ins ZDF, und deshalb werden zunächst die Angebote auf Plausibilität, Relevanz, Verwertbarkeit und Exklusivität geprüft. Abschließend gilt es zu beurteilen, welchen Stellen im Haus die Angebote unterbreitet werden können beziehungsweise, wo es sinnvoll ist, entsprechende Kontakte zu vermitteln. So fungiert der Themendesk auf dieser Ebene gleichermaßen als Gatekeeper wie auch als Katalysator und trägt entscheidend dazu bei, dass die Kommunikation in sinnvollen Bahnen verläuft und die Anliegen zielgerecht zugeordnet werden. Im Jahr 2011 wurden über 150 000 Vorgänge auf diese Weise bearbeitet und stellten damit einen großen Anteil am Gesamtaufkommen von 477 160 Kontakten in diesem Jahr dar – ein deutlicher Sprung nach vorne trotz der – mit Ausnahme der Frauenfußball-WM – fehlenden Sportgroßereignisse (2010: 427 401). Knapp 71 Prozent (338 109) davon waren E-Mails, 26 Prozent Anrufe (125 924) und nur noch knapp drei Prozent Briefe und Faxe (13 127), was in absoluten Zahlen aber immer noch durchschnittlich 35 haptische Dokumente pro Tag bedeutet.

Die in unseren Programmen aufbereiteten großen Themen des Jahres spiegelten sich auch in der Zuschauerresonanz. Die Dynamik der Ereignisse im Nahen Osten wurde einerseits beim Themendesk in Form von eingesandten Augenzeugenberichten und Handyvideos greifbar, andererseits allein im Januar/Februar in Form von 925 Zuschauerreaktionen, in denen angesichts der zeitweise unübersichtlichen und die journalistische Arbeit erschwerenden Lage zum Teil eine substanziellere, authentischere und analytischere Berichterstattung gewünscht wurde. Ab Mitte Februar lenkten die Zuschauer ihr Augenmerk in 3 091 Reaktionen auf das Thema Karl-Theodor zu Guttenberg. Wie schon im Vorjahr bei Thilo Sarrazin oder ab Ende Dezember bei Christian Wulff wurde überwiegend das Ausmaß der Berichterstattung thematisiert. Zuschauerkritik ernstzunehmen und in den Gesamtzusammenhang einzuordnen, ist eine knifflige Kommunikationsaufgabe, die beispielsweise auch bei den 335 Reaktionen auf die vier Sommerinterviews in »Berlin direkt« gefragt war.

Solidarität in Form von Spendenbereitschaft und mannigfachen Hilfsangeboten offenbarte sich hingegen in vielen der 3 811 Reaktionen zur Erdbeben- und Atomkatastrophe in Japan. Oft wurde angemahnt, über die Fokussierung auf die Folgen für Europa sowie die Debatte über die Kernenergienutzung in Deutschland das Leid der Menschen im Katastrophengebiet nicht zu vergessen.

Mit gemischten Gefühlen reagierten 216 Zuschauer auf die Berichte zum Tod Osama bin Ladens. 223 Zuschauer bekräftigten beim ZDF ihre Ablehnung gegen den Biosprit E 10, wohingegen die Resonanz auf die Berichterstattung über EHEC (309 Reaktionen) differenzierter war: Sie wurde oft als »zu reißerisch«, »unfundiert« und »wenig aufschlussreich« beschrieben. Auf die Anschläge in Norwegen habe das ZDF nach Einschätzung einiger der 288 dazu Stellung nehmenden Zuschauer zu spät reagiert; vor allem aber wurde dem Sender die anfängliche Fehleinschätzung, dass Al-Kaida dahinterstecke, angekreidet.

Übertragungen von Hochzeitsfeierlichkeiten des europäischen Hochadels, wie aus Monaco (424 Reaktionen), kritisieren viele Zuschauer in Relation zur Bedeutung solcher Ereignisse als zu umfangreich. Bei »William und Kate« (582 Reaktionen) war die Übertragung auf beiden großen öffentlich-rechtlichen Sendern ein zusätzlicher Kritikpunkt. Beachtung fand auch die »FIFA Frauen-WM 2011«. Die 2 382 Reaktionen beschäftigten sich wie üblich mit den Reporterleistungen, aber auch mit den Gründen für das Ausscheiden des deutschen Teams und beinhalteten darüber hinaus viele Anfragen nach dem Spielplan und dem Reglement. Beim DFB-Pokalspiel Dresden – Dortmund (586 Reaktionen) kam vor allem aus den Reihen der Dynamo-Anhänger der Vorwurf, zu sehr auf die Randale vor dem Spiel fokussiert zu haben.

Die große Kompetenz, die dem ZDF bei Dokumentationen und Reportagen sowohl aus der Chefredaktion als auch der Programmdirektion zugeschrieben wird, manifestiert sich auch in der Zuschauerresonanz, die sich überwiegend im positiven Spektrum bis hin zu enthusiastischer Anerkennung bewegt. Häufig wurden weiterführende Informationen gewünscht. Beispiele waren die »WISO«-Dokumentation »Die Bank gewinnt immer« (104 Reaktionen) und die »Frontal 21«-Dokumentation »Die leise Revolution« (182). Kritisiert werden bisweilen die teils späten Sendeplätze, wie zum Beispiel bei »Wettlauf zum Südpol« (242 Reaktionen) oder bei »BURNOUT – Der erschöpfte Planet« (255 Reaktionen). Begeistert äußerten sich 1 249 Zuschauer über den Dreiteiler »Deutschland von oben (2)«. An die sechsteilige »Terra X«-Reihe »Unterwegs in der Weltgeschichte« mit Hape Kerkeling (687 Reaktionen) mussten sich die Zuschauer anfangs gewöhnen, denn erst gegen Ende überwogen die positiven Stimmen. Große Anerkennung erhielt das ZDF 2011 für seine ambitionierten fiktionalen Projekte, wie die »Millenium«-Trilogie von Stieg Larsson (707 Reaktionen), den »authentisch« und »anrührend« erzählten Zweiteiler »Schicksalsjahre« (434 Reaktionen) oder die Ausstrahlung von »Kapitalismus: Eine Liebesgeschichte« (180 Reaktionen). »Borgia« habe die Atmosphäre im Vatikan der Renaissance »opulent« und »spannend« in Szene gesetzt, so der überwiegende Tenor der 601 Reaktionen. Gelegentlich wurde die Darstellung von Sex und Gewalt als »zu exzessiv« empfunden.

Enttäuscht reagierten seit Juni 4 331 Fans auf das Ende von »Reich und Schön« und wenn, wie geschehen, die Sendeplätze von Telenovelas wie »Lena – Liebe meines Lebens« oder der Medical Daily »Herzflimmern« verschoben oder in ZDFneo verlagert werden, sorgt das stets für eine sich schlagartig erhöhende Zuschauerresonanz.

Im Fokus stand 2011 auch die Zukunft von »Wetten, dass ..?«, was sich in 11 226 Reaktionen manifestierte. Das anfängliche Bedauern über den Abschied von Thomas Gottschalk wich schnell einer engagierten Diskussion über die Nachfolgefrage, die nach der Erklärung von Hape Kerkeling in der Novembersendung abermals einen Schub erfuhr.

Zum Start von ZDFkultur gingen in der ersten Woche 341 Reaktionen ein. Neben inhaltlichen Anmerkungen kamen auch viele Fragen nach den Empfangsmodalitäten, wie überhaupt die technische Weiterentwicklung im Verein mit den unterschiedlichen Ausspielplattformen immer komplexere Anforderungen an die Mitarbeiter der Zuschauerredaktion stellt. Nach dem Relaunch der ZDFmediathek im Frühjahr berichteten über 500 Zuschauer von Problemen beim Abspielen der Onlinevideos

Ein Jahr vor Abschaltung des analogen Satellitensignals informierten ARD und ZDF in einer »Klardigital«-Aktionswoche. Hier wurden über 200 Rückmeldungen bearbeitet. 529 Zuschauer machten im Sommer auf Empfangsstörungen in ihrem Kabelnetz aufmerksam, deren Ursache in DAB+-Einstrahlungen lag. Als im Juli und im Oktober Unterbrechungen der Stromversorgung jeweils die Programmverbreitung stoppten, gab es insgesamt 700 Nachfragen.

Last but not least erweiterte die Zuschauerredaktion ihre Kommunikationskanäle im September mit der Produktivnahme der mittlerweile über 34 000 Fans verfügenden ZDF-Facebook-Dachseite. Bis Ende des Jahres wurden 315 Posts mit Programmhighlights und Veranstaltungshinweisen, Bildern und Hintergrundinformationen aus dem ZDF abgesetzt, die 4 930 Mal kommentiert wurden. Erste Erfahrungen zeigen, dass das Interesse eher sendungs- als senderspezifisch ist. Besonders aktiv zeigen sich die Community-Nutzer bei Themen beziehungsweise Sendungen, die auch auf den übrigen Kommunikationskanälen für starke Resonanz sorgen. Positiv registriert werden Feedback und rege Interaktion, Mitbestimmungsmöglichkeiten (beispielsweise Meinungsumfragen), exklusive Hintergrundinformationen sowie Blicke hinter die Kulissen und Videos/Bewegtbilder, die sich innerhalb von Facebook abspielen lassen.

Die Zukunft bleibt spannend, denn in der Zuschauerkommunikation werden unmittelbar veränderte Kommunikationsformen spürbar. Traditionelle Formen wie Brief oder Fax gehen deutlich zurück. Neue Wege wie etwa die Sozialen Netzwerke tun sich auf. Insgesamt wird die Zuschauerkommunikation schneller und unmittelbarer, eine Herausforderung, die wir gerne annehmen.

Dirk Beilstein