Wolfgang Cimera, Geschäftsführer Network Movie
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Mord und Totschlag auf den Sendeplätzen des ZDF
Gute Unterhaltung ist auch meinungsbildend

Der Programmauftrag des ZDF umfasst nicht nur die Meinungsbildung, sondern im gleichen Umfang auch die Kultur und Unterhaltung. Der Auftrag von Network Movie lautet unter anderem, gute und spannende Unterhaltung auf qualitativ hohem Niveau zu produzieren. Dabei hat sich Network Movie besonders als Krimischmiede auf allen fiktionalen Sendeplätzen des ZDF einen hervorragenden Ruf erworben.

Auf den ersten Blick scheint es keine Schwierigkeit zu sein, den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Senders und die unternehmerische Zielsetzung von Network Movie in Einklang zu bringen. In diesem Zusammenhang kommt man an dem Anspruch der Qualitätssicherung durch den Sender nicht vorbei. Und selbstbewusst behaupten wir, dass wir mit unseren Einzelstücken, Reihen und Serien daran grundsätzlich, aber auch im Jahr 2011, einen nicht geringen Anteil haben. Einzelstücke, wie »Tod in Istanbul«, »Liebe deinen Feind«, »Amigo«, »Schandmal«, die Reihen »Nachtschicht«, »Der Kommissar und das Meer«, »Stralsund«, »Unter anderen Umständen«, »Einsatz in Hamburg«, »Nord Nord Mord« sowie die Serien »Kommissar Stolberg« und die »SOKO Köln« haben nicht unerheblich zum Erfolg des ZDF-Programms in diesem Jahr beigetragen. Aber was haben diese Formate mit dem Programmauftrag zu tun?

Über viele Jahrhunderte saßen Menschen am Feuer und erzählten sich Geschichten, Fabeln und Abenteuer. Geschichten erfüllen seit jeher zahlreiche soziale Funktionen. Sie sollen Wissen und Erfahrungen vermitteln, bieten Orientierung in Lebensfragen. Und im besten Fall sind sie unterhaltsam.

Heutzutage hat das Fernsehen diese Funktion weitgehend übernommen. Vielen Menschen mag diese Entwicklung nicht gefallen, da sie das Unterhaltungsfernsehen für den gefühlten Werteverfall unserer Gesellschaft mitverantwortlich machen. Die Darstellung von Gewalt auf dem Bildschirm, so liest man häufig, beeinflusst die psychische Entwicklung gerade junger Menschen in negativer Weise. Als Produzent fiktionaler Programme für das ZDF ist also die Frage von Bedeutung, wie Unterhaltungsmedien die Wertebildung beeinflussen.

Werte vermitteln sich dem Zuschauer meist unterbewusst, indem man also indirekt durch sie angesprochen wird. Indirekt, das kann heißen, emotional oder etwa, weil man in seiner vermeintlich sicheren Position verunsichert wird. Grenzüberschreitung oder gar Tabubruch, Mord und Totschlag aus Gier, Eifersucht und anderen niederen Motiven als geeignetes Mittel, um Wertehaltungen spielerisch abzugleichen und zu überprüfen? Das mag für manchen zynisch klingen. Wenn Werte ausdrücken, was wir uns für das gegenseitige Handeln wünschen, ist es erst einmal fragwürdig, ob man mit Krimis positive Wertearbeit leisten kann.

Und dennoch sind Kriminalgeschichten voller moralischer Botschaften, verhandeln sie und arbeiten diese in Richtung auf einen gesamtgesellschaftlichen Konsens aus. In diesem Sinne ist die Unterhaltung in den Medien schon immer ein Ort für Grenzüberschreitungen und einer damit verbundenen Standortbestimmung des aktuellen Wertewandels. Doch worin liegt die Aufgabe des Produzenten in diesem Prozess?

Zum einen sollte jede Irritation im negativen Sinne dem Zuschauer eine Einordnung des Geschehens ermöglichen. Das Böse braucht das Gute, wo ein Antiheld erscheint, sollte auch ein Held nicht fern sein. Dem Publikum sollte der sichere Hafen einer emotionalen oder intellektuellen Orientierung und Identifikation angeboten werden. Irritation braucht als Gegenpol Stabilisierung, und das wichtigste Mittel der Stabilisierung ist die Moral. Die Moral verlangt nach dem Urteil des Zuschauers.

Gerade diese Spielfläche bieten Krimis besonders gut, denn in der Regel erzählen sie die Geschichte derer, die das Verbrechen bekämpfen oder aufklären. Und dies natürlich auf der Grundlage des Gesetzes. Auf diese Weise ermöglichen uns Krimis eine alltagstaugliche Orientierung im Normensystem der modernen Gesellschaft.

In diesem Sinne schafft Network Movie beziehungsweise schaffen die ZDF-Kommissare Stolberg, Erichsen, Anders, Berlin und die vielen anderen das, was pädagogische Sendungen und Nachrichten häufig nicht schaffen: handfeste Wertearbeit, Meinungsbildung im Sinne des öffentlich-rechtlichen Fernsehens.

Wolfgang Cimera
»Nachtschicht – Wir sind die Polizei«: Erichsen (Achim Rohde) und Lisa (Barbara Auer)
Kommissar Martin Stolberg (Rudolf Kowalski, rechts) und sein Kollege Nico Schreiber (Wanja Muess)
»Nord Nord Mord«: Robert Atzorn als Kriminalhauptkommissar Theo Clüver, Oliver Wnuk als Hinnerk Feldmann und Julia Brendler als Ina Behrendsen
»Einsatz in Hamburg«: Aglaia Szyszkowitz als Jenny Berlin mit ihrem Kollegen (Rainer Strecker)