Andreas Lauterbach, Hauptredaktion Sport
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Die FIFA Frauen-WM 2011 war in vielerlei Hinsicht eine Veranstaltung der Superlative. Nie zuvor fanden die Welttitelkämpfe in Deutschland statt. Noch nie war der Zuschauerzuspruch in den Stadien und an den Bildschirmen bei einer Frauensportart so groß, und erstmals zeigten ZDF und ARD alle Spiele live. Das Motto der Veranstalter »20elf von seiner schönsten Seite« beschrieb treffend die 22 Tage in diesem Sommer. Das Fazit liest sich gut, doch der Weg dahin war für alle beteiligten Bereiche hart und steinig.

Schon in der ersten Sitzung mit allen relevanten Redaktionen im ZDF blies dem Frauenfußball ein kühler Wind der Skepsis und Häme entgegen. Der immer wiederkehrende Vergleich mit dem Männerfußball erschwerte die Arbeit immens. Doch das motivierte das Team, etwas gänzlich Neues auf die Beine zu stellen. Die wichtigste Aufgabe war es, dem Frauenfußball gerecht zu werden und den Leistungen der Spielerinnen Respekt zu zollen.

Das Sendekonzept sah vor, die Moderation im Stadion des Topspiels zu platzieren. Sven Voss präsentierte das Geschehen locker und gekonnt von einer Plattform inmitten der Zuschauer gemeinsam mit Silke Rottenberg. Die langjährige Torfrau der deutschen Nationalmannschaft bestach durch ihre kompetente Art. Katrin Müller-Hohenstein präsentierte die neuesten Nachrichten und Interviews vor dem jeweiligen Hotel der deutschen Nationalmannschaft. Unterstützt wurde die Sportstudiomoderatorin von der »ZDF-Morgenmagazin«-Expertin Renate Lingor. Die frühere Mittelfeldstrategin gab wertvolle Hinweise für die programmprägende Rubrik 3D. Hier wurden exklusiv im ZDF jeden Tag (auch für die ZDFonline-Redaktion) taktische Elemente der Teams mit Hilfe modernster Computertechnik anschaulich aufgearbeitet. Die zweite feste Rubrik, »WM-Splitter«, befasste sich mit den kleinen abseitigen Geschichten und Stimmungen im Gastgeberland. Alle wichtigen Regelentscheidungen wurden von unserer Expertin, der FIFA-Schiedsrichterin Dr. Riem Hussein, charmant auf den Punkt gebracht.

Die hohe Kompetenz der ZDF-Übertragungen wurde auch durch die Reporter gestärkt. Neben dem erfahrenen Norbert Galeske saß zum ersten Mal bei einer Fußballweltmeisterschaft eine Frau am Mikrofon. Claudia Neumann bestach durch exzellentes Fachwissen und emotionale Kommentierung.

Dem ZDF-Team gelang es, den hohen Anforderungen an Produktion und Technik gerecht zu werden, die notwendige Distanz in der Berichterstattung zu wahren und dennoch ein emotionales Sportereignis zum Mitfiebern auf die Bildschirme zu bringen. Logistische Meisterleistungen wurden unter Federführung des ZDF unter anderem bei den Übertragungen aus den Stadien, den Hotels der deutschen Mannschaft und dem IBCC (Internationales Koordinationscenter) in Frankfurt erbracht.

In enger Zusammenarbeit mit den Kollegen der Aktualität wurden auch die gesellschaftlichen Aspekte, vor allem das Thema »Frauen und Fußball«, kompetent umgesetzt. Der von der Chefredaktion initiierte »Mannomann-Tag«, ein geglückter Weltrekordversuch elfmeterschießender Frauen und Mädchen, war ein voller Erfolg. Als zusätzlicher Gewinn entpuppten sich die beiden ZDFneo-Dokumentationen zur Historie des Frauenfußballs und der Chefin des Organisationskomitees Steffi Jones, sowie die Reportage der Hauptredaktion Sport über die harte WM-Vorbereitung der deutschen Nationalmannschaft.

ZDFonline hatte nie zuvor einen reichhaltigeren Rechteumfang, der, intensiv genutzt, zu einem großen Erfolg des ZDF-Internetauftritts führte. Alle Spiele, die das ZDF übertrug, gab es im Netz als Livestream, dabei wurden durchschnittlich 22 648 Sichtungen erzielt. Betrachtet man nur die Livestreams mit deutscher Beteiligung, so liegt der Durchschnittswert bei 61 795 Sichtungen. Zu allen Spielen (auch denen, die von der ARD ausgestrahlt wurden) gab es Zusammenfassungen nach dem Prinzip: alle Spiele, alle Tore. Angereichert wurde die ZDFmediathek außerdem mit 3D-Analysen zu verschiedenen Teams.

Neben den Videos glänzte das Onlineangebot durch eine Rundumversorgung mit Liveticker, Statistiken, Kurzmeldungen auf allen drei Plattformen (zdf.de/heute.de/ sport.zdf.de), exklusiven Berichten zur deutschen Nationalmannschaft, dem »DFB11Center« mit Silke Rottenbergs DFB-Formcheck und Notentool, dem ZDF-Fanbus, unserem WM-Blog und einer umgebauten ZDFmediathek, um das vielfältige Videoangebot übersichtlich präsentieren zu können.

Diese Inhalte wurden mit einem völlig neuartigen Sendehinweis im Fernsehen präsentiert. Dabei wurde das Livebild in das Onlineangebot integriert und die gesamte Webseite ausgestrahlt. Der Moderator (hier Sven Voss) stand damit im Onlineangebot und konnte dem Zuschauer am Bildschirm den Onlinemehrwert eindrucksvoll präsentieren.

In den Sozialen Netzwerken Twitter und Facebook wurde mit aktuellen Bildern aus den Stadien und Links zu ZDF-Inhalten auch die junge Generation auf die WM-Berichterstattung aufmerksam gemacht und zur Diskussion angeregt.

Mit »Celia kickt« gab es ein gemeinsam von Online-Redaktion und der Hauptredaktion Sport sowie Journalistikstudenten der TU Dortmund entwickeltes Videomodul, das vor allem auf den familiären Charakter der Frauenfußball-WM abzielte. Dabei lernten Zuschauer und User deutsche Nationalspielerinnen mal von einer ganz anderen Seite kennen. Im Fernsehen wurden immer wieder Videoclips aus »Celia kickt« (145 000 Sichtungen) präsentiert und entsprechende Onlinehinweise gegeben.

Trotz des frühen WM-Aus der deutschen Mannschaft sprengte die Zuschauerakzeptanz der FIFA Frauen-WM alle Rekorde. Insgesamt sahen 38,93 Millionen Zuschauer mindestens ein WM-Spiel bei ARD oder ZDF. Das entspricht 54,1 Prozent des gesamten Publikumpotenzials. Im Schnitt sahen 2011 in Deutschland 6,70 Millionen die Livespiele im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Bei den deutschen Begegnungen stieg die Zahl der Fernsehzuschauer auf im Vorfeld nie für möglich gehaltene 16,34 Millionen (55,7 Prozent Marktanteil).

Den höchsten Wert des gesamten Turniers und aller Frauenspiele überhaupt erreichte das Viertelfinal-Aus der deutschen Nationalmannschaft gegen den späteren Weltmeister Japan. Die 0:1-Niederlage am Samstagabend erlebten 17,01 Millionen (59,2 Prozent Marktanteil) und bescherte dem ZDF somit auch die erfolgreichste ZDF-Sendung im Fernsehjahr 2011.

Wahrhaft eine Veranstaltung der Superlative. Rückblickend lässt sich festhalten, dass aus dem kühlen Wind der Skepsis ein warmer Regen geworden ist. Die WM hat wieder einmal gezeigt, dass das deutsche Publikum in den Stadien und an den Fernsehgeräten ein sportliches Großereignis als »Gesamtkunstwerk« versteht. Auch wenn die eigene Mannschaft, wie in diesem Fall mit einer Bilanz von drei Siegen und einer Niederlage, enttäuschte, blieb das Publikum dem Fußballfest treu. Ganz im Sinne von Respekt und Fairness. Und so haben doch irgendwie alle gewonnen.

Andreas Lauterbach
Die Frauenfußball-WM im Internet
Dieter Gruschwitz (Bildmitte) und sein Team sind für die Frauenfußball-WM im Einsatz