Peter Frey, Chefredakteur
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Traditionsformate modernisieren
Wie das Hauptprogramm erneuert wird

Traditionen pflegen und modernisieren – für das ZDF-Hauptprogramm geht das zusammen. Wir haben starke Traditionskerne. Doch die können wir nur weiter nutzen, wenn wir sie neu definieren. Wichtige Impulse bieten dabei die Digitalkanäle und die Onlineangebote.

Am Puls der Zeit sein – was das bedeutet, haben wir in den Sendungen des ZDF im Jahr 2011 nur zu gut zu spüren bekommen. Denn der Puls der Zeit war in diesem Jahr der Ereignisse so kräftig und drängend wie selten. In der arabischen Welt stürzte eine junge Demokratiebewegung alte Machthaber. Nach dem Erdbeben und dem Tsunami in Japan hielt das Reaktorunglück von Fukushima die Welt in Atem. In sieben deutschen Bundesländern wählten die Bürger neue Länderparlamente. Und die Finanzkrise ließ Europa um die gemeinsame Währung und den Zusammenhalt bangen.

Es war ein Jahr der Sonderanstrengungen, der »ZDF spezials«, der Online-Nachrichtenticker. Unermüdlich berichteten unsere Korrespondenten Dietmar Ossenberg, Stephan Hallmann, Johannes Hano, Antje Pieper und Udo van Kampen aus Ägypten, Tunesien, Libyen und Japan, aber auch aus den europäischen Krisenzentren Rom, Brüssel und Athen. Die Redaktionen ordneten ein und lieferten Hintergründe. Es war ein Jahr des leidenschaftlichen Journalismus. Und es war auch ein Jahr, das deutlich gemacht hat, wie wichtig das ZDF für die Zuschauer als Informationsquelle ist. So zeigte das ZDF nach der Atomkatastrophe von Fukushima tagsüber »heute spezial«-Sendungen, nach der 19-Uhr-Sendung fassten »ZDF spezials« die Ereignisse des Tages zusammen. Das »heute-journal« ging immer wieder in die Verlängerung.

Wenn sich die Ereignisse überstürzen, wächst bei den Zuschauern auch das Bedürfnis nach kontinuierlicher Information. Dem kam das ZDF mit einem Sonderprogramm auf ZDFinfo nach. Während der arabischen Revolution zeigte der Digitalkanal Livebilder des Senders Al-Arabiya, die ZDF-Experten einordneten. Nach der Atomkatastrophe von Fukushima sendete ZDFinfo nach dem gleichen Prinzip Bilder des japanischen Senders NHK. Das Zuschauerinteresse an allen Zusatzangeboten war sehr groß. Auch die Onlineangebote des ZDF stießen auf enormes Interesse. So folgten zum Beispiel Tausende User den ZDF-Reportern in Libyen auf Twitter.

Am Puls der Zeit sein – das heißt es aber auch für das ZDF-Programm insgesamt. In Zeiten des rasanten technischen Wandels muss man dazu oft Neues schaffen – wie die Digitalkanäle oder die Onlineauftritte. Da heißt es: neue Plattformen bespielen, zum Beispiel die Sozialen Netzwerke, neue Formate entwickeln und die gestiegenen Bedürfnisse der Zuschauer nach Kommunikation und Interaktion bedenken. Doch Hauptprogramm, Digitalkanäle und Onlineangebote, das sind keine Säulen, die einfach so nebeneinander stehen. Es sind verbundene Projekte, die ineinander greifen. Mit einem gemeinsamen Ziel: der Modernisierung des ZDF als Ganzem und der Modernisierung des Hauptprogramms.

Denn das ZDF hat starke Marken, die wir auch in Zukunft nutzen sollten. Doch wir müssen diese Traditionskerne neu definieren. Modernisierung geht dabei verschiedene Wege. Optische, personelle und inhaltliche Komponenten spielen zusammen. Ein gutes Beispiel für diese Entwicklung ist das Wirtschafts- und Verbrauchermagazin »WISO«. Die Sendung ist ein wahres ZDF-Traditionsprodukt seit inzwischen 27 Jahren. 2011 hat sie nicht nur einen neuen, moderneren Look bekommen. Mit Martin Leutke und Marcus Niehaves führt auch ein neues, junges Leitungsteam die Redaktion. In der Moderation treffen sich Tradition und Erneuerung. Martin Leutke und Michael Opoczynski führen abwechselnd durch die Sendung. Dazu kommt eine inhaltliche Neujustierung. Service verbindet Zuschauer und Redaktion. Und deshalb setzt die Sendung in ihrer neuen Form deutlich stärker auf Interaktion. Die Moderatoren beziehen das Publikum im Studio ein. Und auch die Onlineredakteure sind während der Sendung ständig präsent. So können sich Internetuser direkt beteiligen und zum Beispiel Fragen an die Experten stellen.

Zusätzlich bekommt »WISO« Impulse aus dem Digitalkanal ZDFinfo, der am 5. September startete. Dort läuft werktäglich »WISO plus«. Die viertelstündige Sendung vertieft die Themenbereiche Recht, Technik, Umwelt, Leben und Geld speziell für ein junges Publikum. Die Redaktion ist wiederum im Internet sehr aktiv mit einem eigenen Blog und Auftritten bei Facebook und Twitter. In die »WISO«-Sendungen im Hauptprogramm gehen von »WISO plus« Themenideen, aber auch Rückmeldungen aus dem Netz ein. »WISO« ist im Kern »WISO« geblieben. Doch gleichzeitig hat die Sendung ein neues, moderneres Gesicht bekommen und wird mehr und mehr auch ein Angebot für die Generation der 14- bis 49-Jährigen, die dem ZDF fehlt.

Mitten im Modernisierungsprozess befindet sich »heute«, die Hauptnachrichtensendung des ZDF. Das Ziel ist es, noch näher an die Zuschauer heranzukommen. Auch dabei kommen wichtige Impulse aus der digitalen Welt. Auf ZDFinfo ist die Sendung »heute plus« angelaufen. Immer mittwochs können die Zuschauer dort während der Sendung im Chat über den Internetauftritt von heute.de Fragen an die Redaktion und die Moderatoren stellen. Die Palette reicht von inhaltlichen Nachfragen bis zu Fragen zum Bau der Sendung und zur Themenauswahl. Im Anschluss an die Nachrichtensendung beantworten Redakteure und Moderatoren live die Fragen der Zuschauer.

Die Redaktion kommt so mit ihrem Publikum ins Gespräch. Die Ergebnisse des Austauschs fließen in die Sendung im Hauptprogramm zurück. Im Bereich der Europaberichterstattung kommen Impulse auch von der Sendung »Europa plus«. Das wöchentliche Magazin auf ZDFinfo betrachtet europäische Themen aus einer jungen Perspektive und setzt auch stark auf den Dialog mit den Zuschauern.

Modernisierung heißt für das ZDF auch Modernisierung der Verbreitungskanäle. Das traditionelle, zeitgebundene Fernsehen ist eben nur ein Ausspielweg für die Kernprodukte des ZDF. Junge Zuschauer sind mobil, sie wollen die Nachrichten auch mobil nutzen. Im Internet und auf Facebook ist die »heute«-Familie schon länger präsent. 2011 kam nicht nur ein Auftritt im Sozialen Netzwerk Google+ dazu. »heute« und »heute-journal« sind nun auch als Livestream über die Webseiten von heute.de und zdf.de zu sehen. Außerdem gibt es seit diesem Jahr die App für die ZDFmediathek. Damit lassen sich die Sendungen des ZDF auf mobilen Geräten verfolgen, sowohl live als auch jederzeit als Video-on-Demand.

Eine Folge des Ereignisjahrs 2011 ist auch die Stärkung der Nachrichtensendungen am Vormittag. Ab Anfang 2012 wird es jede Woche von Montag bis Freitag um neun und um zwölf Uhr »heute«-Sendungen geben. Das ermöglicht es dem ZDF nicht nur, schneller auf Ereignisse zu reagieren. Es wirkt auch auf die Onlineangebote zurück. Videomaterial des ZDF kann nun noch schneller seinen Weg ins Netz finden. Das ist für die Internetangebote des ZDF sehr wichtig, denn die setzen stark auf Bewegtbild.

»heute« und »WISO« sind nur besonders markante Beispiele für die Modernisierung des ZDF-Hauptprogramms. Ziel ist es, bis Sommer 2012 alle Sendungen der Chefredaktion im ZDF zu erneuern. Vieles ist schon geschehen. Das »heute-journal« ist mit einem neuen Design näher an die Zuschauer herangerückt. Mehr Kommentare stärken die analytische Dimension der Sendung.

»maybrit illner« – ein weiteres Traditionsformat im ZDF-Hauptprogramm – feierte in diesem Jahr die 500. Sendung. Das Format ist ebenfalls modernisiert worden. Ziel war eine stärkere Fokussierung. Die neue Sitzordnung macht intensivere Gespräche möglich. Die Zuschauer sind näher am Geschehen. Und über einen großen Flachbildschirm sind interaktive Elemente eingebunden.

Einen neuen Look haben das »ZDF-Morgenmagazin«, das »ZDF-Mittagsmagazin« und das politische Magazin »Berlin direkt« bekommen. Auch das »auslandsjournal« und »Frontal 21« senden aus neuen Studios. Durch »das aktuelle sportstudio« führt mit Sven Voss ein neuer, jüngerer Moderator. Er gibt dem Generationswechsel, der sich bei dem erfolgreichen Sportformat vollzogen hat, ein Gesicht.

Im Jahr 2011 gab es noch mehr Neuerungen: Aus dem Magazin »ZDF.umwelt« ist »planet e.« geworden. Mit dem neuen Konzept nähert sich die Redaktion Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen in dokumentarischer Form. Das Format ist dadurch hintergründiger und konzentrierter.

Neues Konzept und neuer Sendeplatz, das hieß es für die ZDF-Dokus. Mit »ZDFzoom« ist eine ganz eigene Art der Dokumentation mit einer eigenen Bildästhetik entstanden. Die Autoren rücken nah an ein Thema heran. Der Zugang ist investigativ. Der ZDF-Doku-Platz ist jetzt der Mittwochabend um 22.45 Uhr. An anderer Stelle und mit anderem Fokus läuft auch das Traditionsformat »ML mona lisa«. Aus dem Frauen- ist ein Gesellschaftsmagazin geworden, das sich unter dem Claim »Frauen, Männer & mehr« Themen der modernen Lebenswelt widmet. Am neuen Sendeplatz am Samstagnachmittag gibt es auch eine neue Moderatorin: Barbara Hahlweg.

Oft sind es viele kleine Stellschrauben, an denen gedreht werden muss, um ein Traditionsformat moderner zu machen. Und dabei ist klar: Modernisierung ist nie abgeschlossen. Das gilt besonders angesichts des rasanten Wandels in der digitalen Welt. Aber wer wäre besser auf diesen Wandel eingestellt als wir Journalisten. Das Ereignisjahr 2011 hat gezeigt, wie viel sich in wenigen Stunden verändern kann. Darauf professionell zu reagieren, ist einfach unser Job. Und so sehen wir auch die Arbeit an unseren Formaten als »Work in progress«. Es pulsiert also weiter im ZDF.

Peter Frey