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Alexander Coridaß, Geschäftsführer der ZDF Enterprises GmbH

Neue Vermarktungsansätze in der digitalen Welt
ZDF Enterprises entwickelt neue Geschäftsmodelle

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Alexander Coridaß
Alexander Coridaß
 

Der digitale Medienmarkt erfordert das Nachdenken über neue Vermarktungsformen. In den Blick gerät dabei neben der Neuausrichtung von herkömmlichen Lizenzierungsaktivitäten auch der Betrieb eigener Strukturen als entgeltpflichtige Angebote.

Mit Blick auf den medienökonomischen und technologischen Wandel, insbesondere auf die Digitalisierung sämtlicher Produktions-, Verbreitungs- und Verwertungsvorhaben, sehen sich alle Medienunternehmen mit einer veränderten Marktstruktur sowie einem neuen Nutzungsverhalten ihrer Zielgruppen konfrontiert. Bereits in den zurückliegenden Jahren wurde die Vertriebstätigkeit von ZDF Enterprises daher immer wieder an den wechselnden Kundenbedarf angepasst; alle Vermarktungsbemühungen sind gerade auch aufgrund der mit der Digitalisierung einhergehenden neuen Erfordernisse zu überprüfen, gegebenenfalls gemäß den Erfordernissen der digitalen Welt zu ergänzen und an neuen Marktstrategien auszurichten. Letztlich ist die Präsenz in digitalen Verwertungskanälen sowohl für ZDF Enterprises als auch für ihre Tochtergesellschaften von überragender strategischer Bedeutung, da sich sowohl im Verhältnis zu Geschäftskunden als auch zu Endkunden praktisch das gesamte Geschäftsvolumen der Gesellschaft innerhalb der nächsten Jahre in digitalen Paradigmen und Dimensionen abspielen wird. Als Muster und Beispiel hinsichtlich geänderter Nutzungsgewohnheiten und Verwertungserfordernisse kann insbesondere auf die Musikbranche hingewiesen werden – der elektronische Download von Musiktiteln hat bereits jetzt in weiten Teilen bisherige Geschäftsmodelle, insbesondere den Vertrieb physischer Tonträger, verdrängt. Auch die bekannten Entwicklungen in der Verlags- und Print-Branche belegen, wie wichtig die rechtzeitige Einstellung auf Erfordernisse des Digitalmarkts ist. Die vorgenannten Beispiele zeigen aber auch: Wer sich nicht rechtzeitig auf die digitale Welt einstellt, läuft Gefahr, den Anschluss zu verpassen und erhebliche wirtschaftliche Einbußen bis hin zum Verlust ganzer Marktsegmente hinnehmen zu müssen.

Wie ist dem zu begegnen? Anders ausgedrückt: Wie können bestehende Positionen des Unternehmens im Verwertungsmarkt gesichert sowie der Erfolg der Distribution gerade auch deutscher Produktionen verstärkt in weitere Märkte ausgeweitet werden?

Schauen wir zunächst auf das Feld der Nebenrechteverwertung: Seit Bestehen von ZDF Enterprises werden die Rechte für die Herstellung von Begleitprodukten (also Bücher, Merchandising-Produkte, CDs, DVDs und mehr) vermarktet. Mit diesen Produkten wird es in der Regel den Zuschauern ermöglicht, gegen ein angemessenes Entgelt ein physisches Erzeugnis als ergänzende und vertiefende Information zu ZDF‑Programmen zu erwerben. Mit Blick auf die technische Entwicklung unterliegt dabei insbesondere die Verwertung von audiovisuellen Konsumgütern einem geradezu radikalen Wandel. Es gibt unter Fachleuten und Marktteilnehmern keinen vernünftigen Zweifel: In zunehmendem Maße wird das elektronische Downloaden Video on Demand (VoD), Electronic Sell Through (EST) von Bewegtbild in erheblichem Umfang den Erwerb von haptischen Produkten (DVD-Kauf) ersetzen. Für die Interessenten an derartigen Produkten und für die Zuschauer des Senders bietet sich auf diesem dem klassischen Kauf von DVDs entsprechenden (und diesen innerhalb der nächsten Jahre zumindest teilweise substituierenden) Weg die Möglichkeit, ZDF-Programme einfacher und gegebenenfalls sogar kostengünstiger zu erwerben. Außerdem wird es möglich sein, über einen solchen Dienst auch diejenigen Genres und Formensprachen anzubieten, für die sich aus wirtschaftlichen (weil hohe Ini-tialkosten erfordernden) und technischen Gründen die Veröffentlichung eines physischen Produkts bisher nicht lohnt. Dies bedeutet, dass Zuschauern zu vergleichbar geringen Kosten ein zusätzlicher Service angeboten werden kann, in dem auch Nischen- und Special-Interest-Programme allgemein zugänglich gemacht werden können.

Neben der bereits erfolgten und auch weiterhin geplanten Lizenzierung an bereits bestehende, dritte Anbieter muss auch konkret die Möglichkeit geprüft werden, derartige VoD-Dienste – sei es als Electronic Sell Through, sei es als Streaming – gegen entsprechendes Entgelt (wie es sowohl der Rundfunkstaatsvertrag als auch Politik und Wettbewerber verlangen) anzubieten. Die Durchführung eines eigenen digitalen Direktvertriebs bietet nicht zuletzt die Möglichkeit, das Angebot den eigenen Vorstellungen entsprechend zu gestalten und (künftige) Abhängigkeiten von marktmächtigen Wettbewerbern zu vermeiden. Daneben, wie gesagt, wird es auf dem tendenziell nicht-exklusiven Markt der digitalen Welt weiter Lizenzierungen an VoD-Dienste Dritter geben.

Im Verhältnis zur kostenfreien Sichtungsmöglichkeit der ZDFmediathek stellt die entgeltpflichtige VoD-Nutzung ein Aliud dar; die Andersartigkeit der Mediathek‑Nutzung gegenüber einem Download entspricht beispielsweise dem Erwerb oder dem Ausleihen einer DVD gegen Entgelt. Dies bedeutet, dass grundsätzlich das – im Übrigen zeitlich begrenzte – Einstellen eines Programms in die ZDFmediathek eine parallele oder nachgelagerte VoD-Verwertung so wenig stört wie umgekehrt die elektronische Vermarktung eine Mediathek-Nutzung – auch insoweit kann auf die Vergleichbarkeit von VoD und DVD verwiesen werden.

Für den TV-Auslandsvertrieb sind gleichfalls neue Möglichkeiten auszuloten. Die Stärken und Schwächen spezifisch deutscher Fernsehprogramme im Auslandsvertrieb sind vielfach diskutiert worden – mit im Großen und Ganzen nicht sehr kontroversen Befunden. Unbestritten ist freilich, dass es derzeit für den »Programmtransfer« vom Rechteinhaber zum ausländischen Fernsehzuschauer im Rahmen der herkömmlichen Lizenzierung einer oder auch mehrerer fremdbestimmter Zwischenstufen bedarf. Sofern eine Markterschließung aufgrund der strukturellen Gegebenheiten des Zielmarkts nun aber nicht in ausreichendem Maße durch reine Lizenzierung erfolgen kann, liegt die Überlegung nahe, den Programmvertrieb mit der Etablierung von beispielsweise Genre-Angeboten unter Einbindung von ZDF Enterprises zu kombinieren. Ziel ist es letztlich immer, die Programm- und Vertriebspotenziale des Unternehmens zu nutzen, um die internationale Vermarktung des ZDF Enterprises‑Katalogs zu stabilisieren und sich zudem Optionen zur unternehmerischen Mitgestaltung und Teilhabe an zusätzlichen Wertschöpfungspositionen zu eröffnen. Gestützt wird diese Überlegung durch die Überzeugung, dass die Verbreitung deutschen Programms zumindest in bestimmten ausländischen Märkten noch erfolgreicher gestaltet werden kann. Zu überlegen ist daher, ob die Schaffung von beispielsweise Bezahlfernseh-Angeboten (zusammen mit deutschen und/oder lokalen Partnern) in ausgewählten Zielmärkten helfen kann, die skizzierten Marktziele zu erreichen. Oder anders ausgedrückt: Wenn die BBC in zahlreichen Märkten ihre Programme auf dem Wege von eigenen Bezahlfernseh‑Angeboten anbietet, warum soll dies nicht auch ein gangbarer Weg für ein deutsches Vertriebsunternehmen sein?

Und schließlich bieten Social Media‑ und andere Plattformen diverse Opportunitäten, beispielsweise über die Beteiligung an von im Umfeld der dort gezeigten Programme generierten Erlösen an der Wertschöpfung zu partizipieren. Das ARD-/NDR-Tochterunternehmen Studio Hamburg hat dies bereits erfolgreich vorgemacht mit durchaus beeindruckenden Auftritten auf YouTube beispielsweise zu den Themen »Beat Club« und »Loriot«.
Alle diese skizzierten Verwertungsformen in der digitalen Welt sind rechtlich zulässig und wirtschaftlich-strategisch dringend geboten. Es liegt nun an ZDF Enterprises selbst, entsprechende Projekte zu strukturieren, gegebenenfalls passende Kooperationspartner zu finden und letztlich passende Geschäftsmodelle zu entwickeln, um auf diesem Feld entscheidende Module der Zukunftssicherung des Unternehmens zu gestalten.
 
 
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