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Hiltrud Fischer-Taubert, Hauptredaktion Kultur und Wissenschaft, Redaktion »Menschen – das Magazin«

Zehn Jahre »Aktion Mensch«
Neue Herausforderung: Inklusion

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Hiltrud Fischer-Taubert
Hiltrud Fischer-Taubert



Mit der Kampagne »Voll im Leben« zeigt »Aktion Mensch«, welche Barrieren Behinderte im Alltag überwinden müssen.
Mit der Kampagne »Voll im Leben« zeigt »Aktion Mensch«, welche Barrieren Behinderte im Alltag überwinden müssen.


Plakat zur Kampagne »Voll im Leben«
Plakat zur Kampagne »Voll im Leben«
 

Hiltrud Fischer-TaubertAm 1. März 2000 wurde aus der »Aktion Sorgenkind« die »Aktion Mensch«. Ein mutiger Schritt, denn mehr als 90 Prozent der Bevölkerung kannten diese Marke, und Marketing-Experten befürchteten erhebliche Einbußen bei Lotterieeinnahmen und Spenden nach einer Namensänderung – und damit einen Rückgang der dringend benötigten Fördermittel. Aber für die »Aktion Sorgenkind« war es ein notwendiger Schritt. Denn immer mehr Menschen mit Behinderung fühlten sich durch »Sorgenkind« reduziert auf Objekte von Mitleid und Fürsorge. Außerdem stand der Name zunehmend in Widerspruch zur konkreten finanziellen Unterstützung mit dem Ziel, Menschen mit Behinderung ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.

Dabei war der Start der »Aktion Sorgenkind« im Oktober 1964 zunächst ein Tabubruch: Zum ersten Mal wurde eine Lotterie-Unterhaltungssendung (»Vergißmeinicht« mit Peter Frankenfeld) gekoppelt mit Spendenaufrufen für behinderte Kinder. Hans Mohl, damaliger Leiter der Gesundheitsredaktion, brachte das Leben behinderter Menschen zum ersten Mal ins Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit. Der Auslöser, Behinderung als gesellschaftliche Aufgabe zu begreifen, war die »Contergan-Katastrophe« (nach der Einnahme des Schlafmittels Contergan durch Schwangere wurden mehrere Tausend Kinder mit schweren Missbildungen geboren). Durch die Gründung eines Vereins 1966, getragen vom ZDF und sechs Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege, wurde die »Aktion Sorgenkind« institutionalisiert.

In den folgenden Jahrzehnten konnte durch langfristig angelegte Förderung mit den Einnahmen der Lotterie und zusätzlichen Spenden für Menschen mit Behinderung vieles erreicht werden: Bildungschancen, Arbeitsmöglichkeiten, Verbesserung der Wohnbedingungen. Gleichzeitig fand ein Paradigmenwechsel statt, Behinderung nicht mehr als individuelles Defizit, sondern als eine Wechselwirkung mit gesellschaftlichen Bedingungen zu sehen: »Behindert ist man nicht, behindert wird man«. Dieser Entwicklung wurde 1995 mit der Kampagne »Ich will kein Mitleid, ich will Respekt« Rechnung getragen. Im neuen roten Logo stand jetzt »Aktion« im Vordergrund, das umstrittene »Sorgenkind« wurde deutlich zurückgenommen. 1997 wurde auch Aufklärung als Vereinsziel verankert und die »Aktion Grundgesetz« für mehr politische Gleichstellung ins Leben gerufen – weil Barrieren in den Köpfen ebenso behindern wie Barrieren im Alltag.

Durch diese systematische Vorbereitung fand die Namensänderung breite Akzeptanz, als es am 1. März 2000 hieß: » Aus Hilfe wird Partnerschaft, aus Aktion Sorgenkind wird Aktion Mensch«. Gleichzeitig wurde die Förderung auf die Kinder- und Jugendhilfe erweitert. Die »Aktion Mensch« wurde zur erfolgreichsten privaten Förderorganisation, die bisher mit rund drei Milliarden Euro Hilfe leisten konnte. Allein im Jahr 2009 wurden 13 000 Projekte frei gemeinnütziger Organisationen mit 166 Millionen Euro unterstützt. Mehr als 4,5 Millionen Lotterieteilnehmer haben das ermöglicht.

Aufklärung ist neben der Förderung sozialer Projekte ein Ziel der »Aktion Mensch«. Mit Maßnahmen wie dem BIENE-Award, der barrierefreie Internetseiten auszeichnet, der Initiative »1 000 Fragen«, mit der eine bioethische Diskussion angestoßen wurde oder dieGesellschafter.de, die im Internet zur Auseinandersetzung mit der Frage »In was für einer Gesellschaft wollen wir leben?« anregt, wird ein Diskurs über gesellschaftliche Fragen initiiert.

»Inklusion« ist jetzt die Herausforderung für die »Aktion Mensch«. Die UN-Behindertenrechtskonvention, die Anfang 2009 von Deutschland ratifiziert wurde und Menschen mit Behinderung ein Recht auf Teilhabe in allen gesellschaftlichen Bereichen gibt, muss schrittweise umgesetzt werden. Dazu gehört unter anderem das Recht auf den Besuch von Regelkindergärten und -schulen für alle Kinder mit Behinderung, der Abbau von baulichen Barrieren und Alternativen zum Leben in großen Heimen. Eine große Aufgabe, denn Inklusion wird die soziale Landschaft in Deutschland in vielen Bereichen erheblich verändern, und es werden hohe finanzielle Mittel benötigt.

»Das Wir gewinnt« heißt es bei der »Aktion Mensch«. Mit seinem Engagement als Mitglied und Medienpartner der »Aktion Mensch« zeigt das ZDF in besonderer Weise soziale Verantwortung. ZDF-Intendant Markus Schächter ist Aufsichtsratsvorsitzender der »Aktion Mensch«. Im Kuratorium, das monatlich die Fördermittel bewilligt, entscheiden Vertreter des ZDF mit über die Vergabe dieser Mittel. Die Sendereihe »Menschen – das Magazin« (samstags, 17.45 Uhr) und die »5-Sterne-Gewinner« (sonntags, 19.28 Uhr mit Thomas Gottschalk) zeigen die Welt der »Aktion Mensch«.

 
 
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