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Reinhold Elschot, Leiter der Hauptredaktion Fernsehspiel

Vom Glück des Erzählens
Der Fernsehfilm der Woche im ZDF

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Reinhold Elschot
Reinhold Elschot



Lina (Nina Kunzendorf) und Uli (Peter Simonischek) in »Liebesjahre«
Lina (Nina Kunzendorf) und Uli (Peter Simonischek) in »Liebesjahre«


»Ich habe es dir nie erzählt«: Andi (Roeland Wiesnekker) und Carla (Barbara Auer) wollen Andis Tochter schützen
»Ich habe es dir nie erzählt«: Andi (Roeland Wiesnekker) und Carla (Barbara Auer) wollen Andis Tochter schützen


»Fischer fischt Frau«: Hein (Peter Heinrich Brix) macht einen Heiratsantrag im Linienbus
»Fischer fischt Frau«: Hein (Peter Heinrich Brix) macht einen Heiratsantrag im Linienbus


Vitja (Roeland Wiesnekker) und Vladimir (Uwe Mansshardt) jagen eine Mordzeugin. Szene aus »Mörder auf Amrum«.
Vitja (Roeland Wiesnekker) und Vladimir (Uwe Mansshardt) jagen eine Mordzeugin. Szene aus »Mörder auf Amrum«.
 

Heißt es nicht, um Aristophanes zu bemühen, Eulen nach Athen tragen, wenn man noch einmal schreiben will über den Fernsehfilm der Woche, jenen Platz für exzellentes Erzählfernsehen im ZDF und überhaupt, gern gesehen, positiv kritisiert und immer wieder prämiert? Es ist ja, soviel ist richtig, alles gesagt, eigentlich – und doch: nein.

Denn der Sendeplatz muss sich, wie der Fernsehfilm überhaupt, immer wieder neu erfinden: Er muss vielfältig sein und doch in seiner Vielfalt bei sich bleiben, er muss verlässlich sein und doch überraschend, er muss Gewohnheiten schaffen und doch verstören, er muss zum Mitfühlen animieren und doch das Mitdenken fordern, er muss spannend sein und doch entlastend, er muss uns lachen machen und doch fühldenkend, er muss ernst sein und doch leicht, er muss vom Leben und der Gesellschaft handeln, kurzum: Er muss all das haben, halten und können, was das Erzählen im Fernsehen ausmacht. Er muss substanziell unterhaltsam sein. Am besten ist er dann, wenn er die Erwartungen des Publikums übertrifft: noch intensiver, noch interessanter, noch tiefer, noch besser als angenommen. Wer die Erwartungen nur, sagen wir: bedient, der ist selbst bald bedient. Erst das Einssein von Attraktivität und Anspruch, von Seele, von gefühltem Leben mitten in Thriller und Komödie macht die Erfolge des Fernsehfilms der Woche aus. Und er muss, anderer Aspekt, wissen, dass das Erzählen heute nicht mehr das Erzählen morgen sein wird.

Über einem Prospekt dieses spannendsten Sendeplatzes für das Erzählfernsehen der Republik könnte stehen: Glück. Wir möchten unsere Zuschauer glücklich machen – im Kopf oder im Herzen, im Idealfall da und dort. Dazu bedarf es einigen Aufwands: intellektuell, emotional, finanziell. Erzählt wird immer und jeweils konkret, hier also ein beherzter Griff in die große, schöne Wundertüte des neuen Fernsehfilms der Woche, im Herbst 2010 produziert und bald im Programm.

Da sind die »Liebesjahre«, ein herausragendes Post-Ehedrama von Matti Geschonneck, eines Regisseurs, dem das ZDF – Kontinuität! – viele exzellente Filme verdankt, ein Vierpersonenstück voller Leben und Lebensschmerz, voller Hoffnungen und geplatzter Träume mit Iris Berben, Peter Simonischek, Nina Kunzendorf und Axel Milberg. Dann »Ich habe es Dir nie erzählt«, das Drama einer alleinerziehenden Mutter, Barbara Auer, die sich neu verliebt und durch die Eifersucht ihrer Tochter am Glück, am Lebensglück gehindert wird. »Schmidt und Schwarz«, eine Berliner Kriminalkomödie mit dem Star-Paar ­Corinna Harfouch und Michael Gwisdek. »Fischer fischt Frau«, die Landkomödie mit doppelt ernstem Hintergrund: sich verändernde ökonomische Verhältnisse und Migration, mit Peter Heinrich Brix in einer Glanzrolle. Dann »Moor der Angst«, ein Thriller, der den Ausnahme-Mimen Franz Xaver Kroetz zurück ins Fernsehen holt, und Matthias Glasners Mystery-Thriller »Der Teufel weiß es« mit Jürgen Vogel und Silke Bodenbender, ein Film, der das Genre Mystery im Fernsehen in seiner starken emotionalen Kraft neu definieren könnte, und mit »Mörderisches Wespennest« ein weiteres und doch anderes Crime-in-nature, ein Film dieses vom ZDF für den Fernsehfilm in Deutschland miterfundenen und in alle Weitungen gepflegten Genres, hier wieder vom Dreier-Team Schönemann-Schmidt-Imboden, die schon die »Mörder auf Amrum« so erfolgreich machten. Und mit »Riskantes Spiel« das erste Multimediamovie, das vor allem auf dem Schirm, aber auch im Netz erzählt wird, vorbereitend, parallel, weitend, intensivierend, hernach.

Dazu gesellen sich wenige, freilich sehr erfolgreiche kleine Montags-Reihen wie »Unter anderen Umständen« mit Natalia Wörner und die vielgepriesene »Nachtschicht«: Der Montag leistet sich diese Reihen – zu nennen wäre noch »Stralsund« mit Katharina Wackernagel –, die gleichzeitig von hoher Qualität und großem Erfolg sind, die den Zuschauer interessieren; Reihen mit nur einem Film im Jahr sind hier möglich, weil und wenn sie zur Stabilisierung des Sendeplatzes beitragen und verlässlich Qualität und Attraktivität bieten. Und dazu immer mal wieder Zweiteiler, die das filmisch-inhaltliche Fernseh-Erzählen noch einmal anders ausloten können: Geschonnecks »Entführt« war sehr erfolgreich, und jetzt kommt »Operation Kranich – Verschollen am Kap«, ein attraktiver Film mit Heino Ferch und Barbara Auer, oberflächlich betrachtet ein Thriller, in Wahrheit ein Familiendrama und ein Film über den Kampf um die dramatisch knapper werdenden Wasservorräte der Erde.

Das alles ist Der Fernsehfilm der Woche im ZDF. Der Platz für die besten Ideen, die besten Regisseure, Autoren, Produzenten, Schauspieler. Die viel zu erzählen haben und noch viel erzählen können. Die kleine und große Kunstwerke schaffen, immer wieder, und die – und das ist das Schöne am Ende des linearen Fernsehens – haben viele Leben: die im ZDF-Hauptprogramm zu sehen sind, bei ZDFneo, oft auch als Premieren, bei ARTE, in der ZDFmediathek. Repertoirefähigkeit ist ein Begriff, der technisch klingt und mancherorts einen eher langweilen Beigeschmack hat, doch ganz falsch: Die großen Theater und Bühnen der Welt, sie leben vom Repertoire, von den Werken, die sich als gut und attraktiv durchgesetzt haben, und nicht zuletzt dies ist das Pfund, mit dem die Fiction im Fernsehen wuchern kann und muss, in Zeiten, in denen das Geld möglicherweise wieder einmal knapper wird: Das Gebührengeld, es ist gut angelegt, ein Film erreicht etwa bei ZDFneo und ARTE noch einmal andere Zuschauergruppen, und bei seiner Wiederholung unter veränderter Konkurrenzlage ist es keine Seltenheit mehr, dass ein ZDF-Fernsehfilm mehr Zuschauer erreicht als bei der Premiere.

Es gibt noch so viel zu erzählen, der Stoff, er geht nie aus: die Geschichten des Lebens und die der Gesellschaft, immer wieder neu interpretiert, im Drama, im Genre.

Und wenn sich dann ein exzellenter, besonderer, großer, qualitätsvoller Film mit einer guten Akzeptanz verbindet, weil wir den Menschen etwas zu sagen, zu erzählen haben, wenn wir die Zuschauer fesseln, sie auf der Höhe der Möglichkeiten bestens zu unterhalten vermögen, dann ist das Glück beinahe vollkommen.
 
 
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