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Elmar Theveßen, Leiter der Hauptredaktion Aktuelles, Stellvertretender Chefredakteur
Robert Sarter, Leiter Entwicklung und Probebetrieb Nachrichtenstudio (EPN)

Mensch oder Roboter – Wie verändern sich die Arbeitsplätze rund um das Nachrichtenstudio?

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Elmar Theveßen
Elmar Theveßen


Robert Sarter
Robert Sarter



Blick in die »grüne Hölle«
Blick in die »grüne Hölle«
 »VCF on continue«, ruft der Regisseur. Dabei schaut er gebannt auf den mit 20 Quadratmetern übermächtig groß wirkenden Flachbildschirm mit nahezu 70 Quellen und Bildsignalen. Hofft er auf ein Echo? »SMD«, kommt eine Antwort, oder war es eine Frage? Schweigen. »Werden hier die Computer mit Voice Control gesteuert?«, wagt eine Kollegin der Besuchergruppe leise zu fragen, die heute zum ersten Mal das neue Studio und die neue Regie besichtigt. Bevor ich darauf antworten kann, ruft es mit lauter Stimme aus der zweiten Reihe der Regie: »Controbimaz geht nicht«. Wieder Ruhe.

Das große grüne Studio mit den schiefen Wänden, dem großen braunen Holztisch mit den mattierten hellen Flächen und die großen Kameraroboter mit den futuristisch anmutenden Armen konnte ich den Besuchern noch halbwegs nachvollziehbar erklären. Zumindest hatten sie immer mit den Köpfen genickt. Jetzt sind sie vollends darüber ins Grübeln geraten, was sich in der so genannten »grünen Hölle« abspielt. Bisher hatte ich immer versucht, diesen Begriff zu vermeiden. Wäre doch die Konsequenz, dass hier der »Teufel« am Werke ist oder zumindest einiges nicht mit rechten Dingen zugeht. Wenn ich im Fußball dem Gedanken an Hölle und Teufel auch etwas Positives abgewinnen kann, trifft dies für das neue Studio keineswegs zu. Ich stammele ein verlegendes »Äh«, dann hilft mir ein rheinhessisch ausgesprochenes »Go« des Regisseurs, etwas Zeit für meine Antwort zu gewinnen.

Die Sendung läuft indes wie geplant. Die Besucher blicken gebannt auf die große Monitorfläche, auf die verschiedenen Kameraeinstellungen, und ich versuche, ihnen das Wort-Geschnetzelte zu filetieren. Da sie ja eigentlich lieber Spielfilme als die »News« ansehen, fange ich mal so an: »Es ist kein Da Vinci Code und kein Voice-Control-System, nichts Außerirdisches oder Übersinnliches, das diese kryptischen Begriffe erfordert. Es sind neue Workflows, neues Design, neue Technik, neue Arbeitsplätze, neue Software. Bei so viel Veränderung ist eine neue ›Regiesprache‹ von Ansagen und Hinweisen zwangsläufig. Und weil es bei den Nachrichten immer schnell gehen muss, die Sendeabläufe kurze, prägnante Begriffe notwendig machen, gibt es für jede Steueranweisung auch gleich eine Abkürzung. Es existiert tatsächlich eine eigene Nomenklatur unter dem Titel: ›Neue Begrifflichkeiten im virtuellen Nachrichtenstudio‹. Mit 136 Begriffen und den entsprechenden Abkürzungen. Das hat schon etwas von einem kleinen Lexikon oder einem Fremdsprachenwörterbuch: ›Schwieriges Deutsch‹ in unverständliches, ›Virtuelles Deutsch‹«.

Die Augen meiner Besucher kleben immer noch auf der großen Monitorwand, und es könnte sein, dass die Erklärungsversuche nicht unbedingt erfolgreich waren. Aber wie sollte das auch gehen? Hatten die Kolleginnen und Kollegen aus Regie/Technik/Produktion und Redaktion doch fast zwei Jahre an diesen Wort-Extrakten gearbeitet und gefeilt. Und als hätte ich es geahnt, folgt unausweichlich die Frage: »Wer denkt sich so etwas aus und wer steuert das alles hier? Sind das noch die Menschen oder machen die Maschinen alles allein?«. Wie auf Knopfdruck denke ich plötzlich an den Spielfilm, der gestern Abend im Fernsehen lief. Ein Science-Fiction mit dem Titel »I, Robot«. Über Zukunftsängste und die schwierige Koexistenz von Menschen und Robotern. In der Hauptrolle Will Smith. Da hatten die Robots künstliche Intelligenz erworben, und einige von ihnen verfügten über eine emotionale Zentraleinheit. Die hochentwickelten Maschinen kamen irgendwann zu dem Schluss, dass sie die Menschen, die Kriege führen, die Erde vergiften und stets Fehler machen, nur dann wirklich beschützen können, wenn die Robots selbst die Steuerung übernehmen. Das alles im Jahr 2035. Ich schaue die Robocam in unserem Studio an. Eine Ähnlichkeit ist leider nicht direkt zu erkennen, und ihre Emotionen möchten wir nach einem halben Jahr Schulungsbetrieb und täglichem Hin- und Herschubsen nicht wirklich wissen.

Mehrere Besucher beobachten mich und wundern sich über mein langes Schweigen. Ich entschuldige mich für mein kleines Träumchen und rede mich raus mit dem Stress der letzten Wochen. Da habe man ja ab und zu kleine Aussetzer. »Mhm, ja die Steuerung in unserem Studio erfolgt über ein Ablaufsystem und über Templates. In den letzen Wochen und Monaten haben wir über 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den neuen Softwaresystemen und Workflows geschult. Und so funktioniert das: Die Redakteure der einzelnen Sendungen schreiben ihre Beiträge und Moderationstexte in der gewünschten Reihenfolge auf; ähnlich einer Gliederung in einem Aufsatz. Die einzelnen Positionen werden nun bearbeitet. In der Moderationsposition schreibt der Moderator seine Texte, der Bildredakteur sucht gleichzeitig eine passende Bebilderung dazu, und auf den Beitragspositionen werden erste und letzte Worte und Inserts vermerkt. Damit nun die Maschinen im Studio wissen, welches Set (beispielsweise Hintergrund mit Weltkarte) in der einzelnen Position gewünscht wird, füllen Redakteure und Bearbeiter gemeinsam mit den Regisseuren so genannte Templates aus. ›Templating‹ ist das Zauberwort, das den Bedienern das Steuern ermöglicht und den Computern die Anweisungen gibt. Die Templates sind vergleichbar mit Schablonen. Sie beschreiben die einzelnen Elemente, die in den Rechnern erzeugt werden und dann in der Sendung auf dem Bildschirm zu sehen sind. So gibt es ein Template für Schaltgespräche oder den Moderator in Großeinstellung. Immer, wenn man den Zustand ändern möchte, benötigt man ein neues Template. Dabei ist zu beachten, dass die Templates aufeinander passen und einen Sinn ergeben, ähnlich einem Sudoku-Spiel oder Kreuzworträtsel. Die Templates ergeben aneinandergereiht Playlisten, über die dann als Beispiel die Robocams gesteuert werden«. »Der Mensch denkt und der Computer lenkt«, wirft ein Besucher ein. War das eine Frage?, denke ich. »Ja, in dem Fall könnte man das so beschreiben«, lautet meine Antwort, und ich hoffe, dass meine Zuhörer die vielen neuen Eindrücke und Erklärungen aufnehmen und speichern können. Inzwischen läuft das Wetter, dann kommt noch die Verabschiedung, und die »heute«-Sendung ist vorüber.

»Wie ging eigentlich der Film von gestern Abend aus dem Jahr 2035 zu Ende?«, versuche ich mich zu erinnern. Die Menschen – Will Smith sei Dank – hatten es geschafft, den automatischen Datentransfer zu den Robotern zu unterbrechen, die Steuerung der Robots wieder zu übernehmen und den Zentralcomputer zum Absturz zu bringen. Absturz – oh, bitte nicht!!! Zu oft hatten wir vor dem Sendestart Software-Probleme. Allein der Gedanke treibt meinen Puls ins Unermessliche, und ich bin froh, von einer weiteren Frage abgelenkt zu werden: »Wie kommen denn diese 3D-Objekte in das Studio?«. Diese Frage beantworte ich gerne: »Das ist eine Sache, auf die wir besonders stolz sind. Neben den neuen Jobs in der Regie und den neuen Workflows gibt es auch in der Redaktion ein neues Berufsbild. Grafikredakteur: Das sind Journalisten, die sich gleichzeitig intensiv mit dem Erstellen und Aufbauen von Grafikelementen beschäftigen. Wir haben eine Taskforce aufgebaut mit fünf Kolleginnen und Kollegen, die gemeinsam mit der Redaktion Ideen entwickeln und vorbereiten. Damit gehen sie zu den Grafikern in die 3D-Grafik. Diese verfügen in ihren 3D-Rechnern über eine Simulation unserer Studiofläche. Gemeinsam zeichnen sie die gewünschten Elemente und passen sie auf die Gegebenheiten unserer virtuellen Räume an. Nach der Abnahme kommen die Objekte dann ins Studio, werden nochmals justiert, geprobt und aufgezeichnet.«

Das sei alles sehr beeindruckend und modern, so der einhellige Kommentar der Besucher beim Hinausgehen. Was die Technik so alles möglich mache! Eine letzte Frage noch: »Könnte man in so einem Studio auch einen Science-Fiction-Film drehen?«. Etwas verblüfft sage ich: »Mit Steffen Seibert in der Hauptrolle?«.
 
 
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