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Carl-Eugen Eberle, Justitiar des ZDF

Gerichtsberichterstattung im ZDF unter dem Schutz des Bundesverfassungsgerichts

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Carl-Eugen Eberle
Carl-Eugen Eberle
 
 Gerichtsberichterstattung erfüllt wichtige Funktionen: Sie trägt – wie die Öffentlichkeit der Gerichtsverhandlungen – zur öffentlichen Kontrolle der Rechtsprechung bei. Darüber hinaus aber kann gerade die Gerichtsberichterstattung in den Medien den Bürgern Rechtskenntnis vermitteln und zum Verständnis der Urteile beitragen. Gleichzeitig lässt eine kritische Begleitung der Rechtsprechung durch die Medien die Richter selbst gewandelte Einstellungen und Bedürfnisse erkennen und wird dadurch zum Faktor zeitgerechter Fortentwicklung des Rechts. So kann sie letztlich auch insgesamt einen Betrag zur Akzeptanz des Rechts leisten.

Was für die Gerichtsberichterstattung allgemein gilt, gilt für die Gerichtsberichterstattung im Fernsehen in verstärktem Maße. Sie spricht nicht nur über die Nachrichten und spezielle Sendungen einen besonders großen Kreis von Menschen an, sondern verschafft dem Berichtsgegenstand durch die Authentizität, die der Fernsehberichterstattung eigen ist, und durch die Kraft der Bilder eine eindrucksvolle und nachhaltige Aufmerksamkeit.

Damit wird zugleich deutlich, welch große Verantwortung mit der Gerichtsberichterstattung im Fernsehen verbunden ist. Mit seiner klaren Sprache, seinem stets auf das Wesentliche ausgerichteten Blick und mit der visuellen Aussagekraft seiner Beiträge ist es Bernhard Töpper in seiner Gerichtsberichterstattung auf vorbildliche Weise gelungen, dieser Verantwortung gerecht zu werden.

Fernseh-Gerichtsberichterstattung stößt bei den Betroffenen allerdings häufig auf wenig Gegenliebe. Auch wenn Fernsehbilder von der Verhandlung selbst gesetzlich ausgeschlossen sind1, kann die grundsätzlich zulässige Fernsehberichterstattung vor und nach der mündlichen Verhandlung und in den Verhandlungspausen die Verfahrensbeteiligten ins Bild nehmen und so einen authentischen Eindruck von der Situation im Gerichtssaal liefern.

Da Prozessbeteiligte sowie Angeklagte und ihre Verteidiger, aber auch die Richter selbst, oftmals wenig Interesse an einer medialen Öffentlichkeit haben, wird immer wieder der Versuch unternommen, Aufnahmen aus dem Gerichtssaal zu verhindern. Speziell die Gerichtsvorsitzenden nutzen dann ihre Befugnis zu sitzungs­polizeilichen Anordnungen2 dazu, Fernsehaufnahmen im Gericht durch ein Verbot zu untersagen. Sie begründen dies in der Regel mit dem Persönlichkeitsschutzrecht der Verfahrensbeteiligten sowie der Richter selbst, argumentieren aber auch gerne mit der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege, die durch Kamerateams im Gerichtssaal gestört werden könnte.

Gegen sitzungspolizeiliche Verbote der Fernseh-Gerichtsberichterstattung und die damit verbundenen Beschränkungen der journalistischen Arbeit ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten nicht eröffnet.3 Dies hat dazu geführt, dass Rechtsschutz wiederholt unmittelbar beim Bundesverfassungsgericht gesucht wurde, das dann im Eilverfahren entschieden hat. Einige wichtige dieser Entscheidungen wurden vom ZDF initiiert und dann zum Teil gemeinsam mit anderen Fernsehveranstaltern erwirkt.4 Im Laufe der Zeit hat die Verfassungsrechtsprechung über die solcher Art zustandegekommenen Leitentscheidungen eine Dogmatik für den Rahmen entwickelt, innerhalb dessen Fernseh-Gerichtsberichterstattung frei von sitzungspolizeilichen Verboten des Gerichtsvorsitzenden stattfinden kann. Insofern ist es gerechtfertigt, von einer »Gerichtsberichterstattung unter dem Schutz des Bundesverfassungsgerichts« zu sprechen.

1. Funktionsfähigkeit der Rechtspflege und Pool-Lösung
Schon früh, nämlich anlässlich eines Terrorismusprozesses Mitte der 70er Jahre in Stuttgart-Stammheim, wurde nach einer Lösung gesucht, wie den mit der Berichterstattung durch mehrere Fernsehteams gegebenenfalls verbundenen Störungen bei der ordnungsgemäßen Durchführung von Prozessen begegnet werden kann, für die ein großes Medieninteresse besteht. Auf Vorschlag der seinerzeitigen ZDF-Redaktion Recht und Justiz hatten sich verschiedene Fernsehveranstalter auf eine so genannte Pool-Lösung verständigt. Sie sah vor, dass bei einem Prozess jeweils lediglich ein aus drei Personen bestehendes Kamerateam im Gerichtssaal tätig wird, das seine Aufnahmen anschließend dann im Wege der Signalabgabe an alle anderen an dem Verfahren interessierten Rundfunkveranstalter zur Herstellung eigener Beiträge ungeschnitten und kostenlos zur Verfügung stellt. Bei der Bestellung des »Pool-Führers« verständigen sich die beteiligten Rundfunkveranstalter auf einen turnusgemäßen Wechsel.

Durch die Beschränkung der an der Berichterstattung interessierten Fernsehveranstalter auf ein Fernsehteam konnte dem Einwand begegnet werden, dass die Fernsehaufnahmen den Gerichtsbetrieb stören würden. Dieser Gesichtspunkt hat dann in den Gerichtsentscheidungen zur Fernseh-Gerichtsberichterstattung immer wieder eine Rolle gespielt und dafür gesorgt, dass – jedenfalls unter dem Aspekt einer Störung der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege – Fernsehaufnahmen aus dem Gerichtssaal nach Maßgabe der Pool-Lösung nicht unterbunden werden durften.5

2. Persönlichkeitsrechtsschutz der Verfahrensbeteiligten
Mit dem Einwand, der Persönlichkeitsrechtsschutz der Verfahrensbeteiligten rechtfertige ein Verbot von Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal, hat sich das BVerfG mehrfach auseinandergesetzt. Dabei hat das Gericht immer wieder die Bedeutung der Gerichtsberichterstattung im Fernsehen hervorgehoben und sie als grundrechtsgeschützte Position mit den Schutzinteressen der Verfahrensbeteiligten abgewogen. Im Ergebnis wurden so die Rahmenbedingungen formuliert, unter denen auch die Prozessbeteiligten eine fernsehmäßige Berichterstattung über das Gerichtsverfahren hinnehmen müssen.

a) Die Grundsatzentscheidung (Honecker)
In einer für die Fernseh-Gerichtsberichterstattung grundlegenden Entscheidung hat das BVerfG6 Fernsehaufnahmen vor und nach der mündlichen Verhandlung sowie in den Verhandlungspausen des Strafverfahrens gegen Erich Honecker und drei weitere Angeklagte zugelassen, nachdem der Vorsitzende Richter der 27. Strafkammer – Schwurgericht – des LG Berlin zuvor, im Hinblick auf den zu erwartenden Ansturm von Kamerateams, Filmaufnahmen im Gerichtssaal weitgehend untersagt hatte. Das BVerfG hat festgestellt, dass ein solch weitgehender Ausschluss von Fernsehaufnahmen in das Grundrecht der Rundfunkfreiheit eingreift.7 Die Gefahr, dass der Ernst des Strafverfahrens und die Würde der Angeklagten durch miteinander wetteifernde Fernsehteams im Sitzungssaal missachtet würden, sah das Gericht durch die vorgeschlagene Pool-Lösung gebannt. In der Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und der äußeren Ordnung des Strafverfahrens sowie dem Persönlichkeitsrecht der Beteiligten überwog aus der Sicht des Gerichts das Informationsinteresse. Angesichts der politischen und historischen Dimension dieses Verfahrens müsse der Öffentlichkeit und der Nachwelt mit den Mitteln der modernen Kommunikationstechnik auch ein optischer Eindruck von diesem Verfahren vermittelt werden können, so dass eine völlige Unterbindung von Fernsehaufnahmen als präventive Maßnahme eine unangemessene Beschränkung der Rundfunkfreiheit darstellt. Mit dieser Entscheidung war der Grundstein für den Grundrechtsschutz der Fernsehberichterstattung gelegt, die sich Beschränkungen nur zum Schutz gleich- oder höherrangiger Rechtsgüter und nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gefallen lassen muss.

b) Schutz privater Verfahrensbeteiligter (Al Qaida, Gäfgen)
Dem Beschluss des BVerfG vom 15. April 20098 ging eine sitzungspolizeiliche Verfügung des Vorsitzenden des 5. Strafsenats des OLG Frankfurt a. M. voraus, wonach angemessene Filmaufnahmen aus dem Gerichtssaal unter Hinweis auf Risiken für Leib oder Leben der angeklagten mutmaßlichen Al-Qaida-Terroristen, denen unter anderem die Planung eines Terroranschlags auf den Straßburger Weihnachtsmarkt vorgeworfen wurde, sowie gegebenenfalls weiterer am Verfahren beteiligter Personen untersagt worden waren. Auch in diesem Fall hatte das Gericht eine Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit an einer Fernsehbildberichterstattung einerseits und den Risiken für die Verfahrensbeteiligten andererseits vorgenommen. Aber auch in einem solchen, durch hohe Sicherheitsvorkehrungen gekennzeichneten Verfahren müssten Fernsehaufnahmen aus dem Gerichtssaal möglich sein, dem Schutz der Angeklagten und weiterer am Verfahren beteiligter Personen könne durch eine Anonymisierung der Gesichter der abgebildeten Personen Rechnung getragen werden.

Im Verfahren gegen Markus Gäfgen wegen Mordes an dem Bankierssohn Jakob von Metzler hat der Vorsitzende Richter der 22. Strafkammer des LG Frankfurt a. M. in sitzungspolizeilichen Verfügungen zwar Bildaufnahmen im Sitzungssaal vor der Sitzung für 15 Minuten erlaubt. Der Angeklagte sollte danach aber nur dann in Anwesenheit von Medienvertretern in den Sitzungssaal geführt werden, wenn diese sich vorher verpflichteten, sein Gesicht vor Veröffentlichung und Weitergabe der Aufnahmen an andere Fernsehveranstalter so zu anonymisieren, dass nur eine Verwendung in anonymisierter Form möglich bleibt, es sei denn, der Angeklagte sei mit der Veröffentlichung seiner Bilder einverstanden. Gefordert wurde eine Unterwerfungserklärung seitens der Medien, die für den Fall der Nichtabgabe mit dem angedrohten Ausschluss sämtlicher Medienvertreter sanktioniert werden sollte. Der gegen die Verfügungen gerichtete Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wurde vom BVerfG abgelehnt.9 Das Gericht bejahte zwar das Interesse an einer aktuellen und authentischen Fernsehberichterstattung angesichts der besonderen Umstände und Schwere der Straftat. Auch sei die Ano­nymisierung der Aufnahmen angesichts der anderen Voraussetzungen (Gefährdungslage) nicht wie im Al-Qaida-Verfahren zu begründen. Allerdings sei die Auflage, Aufnahmen des Gesichts des Angeklagten zu anonymisieren, kein schwerer Nachteil, weil den Sendern bereits vorher entstandene Aufnahmen des Angeklagten zur Verfügung stünden.

c) Schutz von Richtern, Schöffen, Rechtsanwälten (Coesfeld)
Im Urteil vom 19. Dezember 200710 konkretisierte das BVerfG die Voraussetzungen, unter denen Richter, Schöffen, Justizangestellte, Rechtsanwälte und gegebenenfalls auch Zeugen im Gerichtssaal gefilmt werden dürfen. In dem Verfahren ging es um eine sitzungspolizeiliche Anordnung des Vorsitzenden im Coesfelder Bundeswehrprozess. In diesem Verfahren waren 18 Berufssoldaten der Bundeswehr angeklagt, die ihnen zur Ausbildung unterstellten Rekruten misshandelt zu haben, indem diese aus Anlass einer Übung und ohne vorherige Einweisung der Gefangennahme sowie einem anschließenden Verhör durch fingierte feindliche Kräfte ausgesetzt wurden. In der sitzungspolizeilichen Verfügung war jegliche Ton-, Foto- oder Filmberichterstattung in den Zeiträumen 15 Minuten vor Eintritt in die Verhandlung und zehn Minuten nach ihrer Beendigung verboten worden, damit die Prozessbeteiligten Gelegenheit hatten, den Sitzungssaal zu betreten oder zu verlassen, ohne Fernsehaufnahmen ausgesetzt zu sein. Der Vorsitzende rechtfertigte dies mit dem Schutz von Persönlichkeitsrechten der Verfahrensbeteiligten und einer ungehinderten Wahrheitsfindung, dem der Vorrang vor dem von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gewährleisteten Informationsinteresse der Massenmedien zukomme. Darüber hinaus sei der Ausschluss der Medienberichterstattung für die Zeit der Anwesenheit der Verfahrensbeteiligten im Gerichtssaal auch zur Sicherung einer sachgerechten, von dem Druck einer Medienberichterstattung unbeeinflussten Entscheidungsfindung

der nicht als Berufsrichter tätigen Schöffen erforderlich. Dem Gericht sei es zudem nicht zumutbar, den Sitzungssaal vor den übrigen Verfahrensbeteiligten und allein zu dem Zweck zu betreten, die Anfertigung von Filmaufnahmen des Spruchkörpers zu ermöglichen.

Demgegenüber hat das BVerfG das überwiegende Informationsinteresse für eine Fernsehberichterstattung bejaht, die auch die bildliche Dokumentation der Anwesenheit der Verfahrens­beteiligten im Sitzungssaal umfasst. Eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Richter und Schöffen durch die Anfertigung und Verbreitung von Filmaufnahmen sei von diesen hinzunehmen, da sie ohnedies im Blickpunkt der Öffentlichkeit stünden, wobei Öffentlichkeit unter Einschluss der Medienöffentlichkeit zu verstehen sei. Ausnahmen könnten lediglich dann greifen, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Gefährdung der Sicherheit der Mitglieder des Spruchkörpers vorlägen. Schließlich weist das Gericht auch die Annahme zurück, die Schöffen könnten sich durch eine Medienberichterstattung an einer sachgerechten, nur auf dem Ergebnis der Hauptverhandlung basierenden Entscheidung gehindert sehen. Die Rechtsordnung dürfe von den Schöffen im gleichen Umfang wie von den Berufsrichtern erwarten, dass sie sich von Einflüssen einer auf das verfassungsrechtlich Gebotene begrenzten Medienberichterstattung über das laufende Strafverfahren frei halten. Gleiches gelte im Übrigen auch für die Verteidiger, die Fernsehaufnahmen in ihrer Funktion als Organ der Rechtspflege hinzunehmen hätten sowie – in diesem Fall – für die Angeklagten, die als Unteroffiziere der Bundeswehr zu einem Personenkreis zählten, bei dem die Fähigkeit vorausgesetzt wird, sich der öffentlichen Aufmerksamkeit auch in ungewohnten Situationen gewachsen zu zeigen. Schließlich gelte allgemein für Personen, die im Gerichtsverfahren infolge ihres öffentlichen Amtes oder in anderer Position als Organ der Rechtspflege im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen, dass sie nicht in gleichem Ausmaß einen Anspruch auf Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte haben wie eine vom Verfahren betroffene Privatperson.

Mit dieser Entscheidung hat das BVerfG in bemerkenswerter Klarheit deutlich gemacht, dass sich weder die Richterbank noch die Rechtsanwälte in dem durch § 169 S. 2 GVG vorgegebenen Zeitraum generell der Fernsehöffentlichkeit entziehen können. Für sie gilt auch, dass es einer Anonymisierung der Bildnisse grundsätzlich nicht bedarf. Die Entscheidung ist von erheblicher Tragweite, erlaubt sie doch der Fernsehberichterstattung im Regelfall immerhin Aufnahmen der Organe der Rechtspflege im Gerichtssaal vor und nach dem Beginn der Verhandlungen sowie in den Verhandlungspausen.

4. Fazit
Mit den angeführten Entscheidungen11 und der in ihnen angelegten Dogmatik hat das BVerfG gewissermaßen mosaikartig das Leitbild einer verfassungsgemäßen, der Rundfunkfreiheit genügenden Fernseh-Gerichtsberichterstattung gestaltet, auf das in späteren Entscheidungen nur noch verwiesen zu werden brauchte. So heißt es in den Beschlüssen vom 9. Juni 200812 gleichlautend: »In der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung ist mittlerweile hinreichend geklärt, unter welchen Voraussetzungen die Rundfunkfreiheit Fernsehaufnahmen von Gerichtsverfahren rechtfertigt (vgl. BVerfGE 91, 125 ff., 133 ff.; 103, S. 44, 61 ff. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 19. Dezember 2007 – 1 BvR 620/07 –, NJW 2008, S. 977 ff., 979 ff). Gleichfalls geklärt ist die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine beschränkende Anordnung zur Anonymisierung des Angeklagten getroffen werden darf (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 19. Dezember 2007 – 1 BvR 620/07 –, NJW 2008, 977 ff., 980 f.).«

Leider wird diese Rechtsprechung von den mit der Leitung medienrelevanter Prozesse beauftragten Gerichtsvorsitzenden häufig noch zu wenig beachtet. Nicht selten kommt es vor, dass, ungeachtet der dem Vorsitzenden übermittelten einschlägigen Entscheidungen des BVerfG sitzungspolizeiliche Verfügungen ausgesprochen werden, die die klaren verfassungsrechtlichen Vorgaben missachten. In solchen Fällen wirkt sich das Fehlen eines Rechtswegs gegen Entscheidungen nach § 176 GVG besonders nachteilig aus. Gegen solche Entscheidungen steht nur der Weg zum BVerfG offen, den ein Sendeunternehmen allerdings nur ungern beschreitet, wird das Gericht hier doch gewissermaßen als Ersatzrechtsweg in Anspruch genommen. Es sollte nicht Sache des BVerfG sein, gegenüber Gerichtsvorsitzenden (regelmäßig im Wege von Eilverfahren) die Verbindlichkeit seiner Entscheidungen einzufordern. Deshalb ist der Gesetzgeber gefordert, für diese Fälle endlich das BVerfG zu entlasten und einen Rechtsweg einzurichten, der den Anforderungen von Art. 19 Abs. 4 GG genügt.


1 169 S. 2 GVG. Die Verfassungsmäßigkeit dieser gesetzlichen Beschränkung der Fernseh-Gerichtsberichterstattung ist in BVerfGE 103, 44, 59 ff. begründet worden.

2 176 GVG.

3 BVerfGE 87, 334, 338 f. m. w. N.

4 Die nachfolgende Aufarbeitung dieser Gerichtsentscheidungen erfolgte im Zusammenwirken mit Herrn Dr. Krone und Frau Lutter, die jeweils an den – regelmäßig von Herrn Töpper angestoßenen – Verfahren auf Seiten des ZDF-Justitiariats mitgewirkt hatten.

5 Vgl. BVerfGE 87, 334, 340; 91, 125, 138; 119, 309, 327.

6 BVerfGE 91, 125.

7 BVerfGE91, 125, 135.

8 1 BvR 680/02.

9 1 BvR 697/03.

10 BVerfGE 119, 309; vorausgegangen war am 15.3.2007 eine einstweilige Anordnung (1 BvR 620/07).

11 Eine ausführliche Zusammenstellung der bei der Fernseh-Gerichtsberichterstattung zu beachtenden Kriterien findet sich in BVerfGE 119, 309, 318 ff.

12 1 BvR 680/02; 1 BvR 697/03.
 
 
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