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Nikolaus Brender, Chefredakteur des ZDF

Qualitätsjournalismus in der digitalen Welt

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Nikolaus Brender
Nikolaus Brender
 November 2009: noch wenige Tage bis zu den Feierlichkeiten rund um »20 Jahre Mauerfall«. Die Journalisten der Innenpolitik, Regisseur und Kameraleute nehmen Maß an den Liveübertragungen aus Berlin. Noch einmal soll die Mauer fallen, dieses Mal als Baustein-Großmodell. Noch einmal wird das ZDF in großem Stil live übertragen, kommentieren und einordnen. Noch einmal heißt es, Zähne zusammenbeißen, für das letzte Stück des Berichtsmarathons 2009, den die Mitarbeiter der Chefredaktion in diesem Jahr hinter sich gebracht haben.

60 Jahre Bundesrepublik, 60 Jahre Grundgesetz, 70 Jahre Kriegsbeginn, eine Europawahl, Kommunalwahlen und sechs Landtagswahlen, eine Leichtathletik-WM, zwei Besuche des amerikanischen Präsidenten, eine Bundestagswahl, Finanz- und Wirtschaftskrise und 20 Jahre Mauerfall – genug Anlässe, um damit ein ganzes Programm zu füllen. Und doch markieren die Großereignisse nur die Zusatzleistung, die das ZDF neben der ganz normalen täglichen Information erbracht hat.

Bei so vielen Sonderanstrengungen könnte man fast übersehen, dass das ZDF in diesem Jahr selbst ein kleines Großereignis kreiert hat: Seit dem 17. Juli senden die »heute«-Nachrichten, das »heute-journal« und das »heute-Wetter« aus dem neuen Studio. Es folgten »logo!«, das »ZDF-Mittagsmagazin« und das »ZDFwochen-journal«, und Ende des Jahres wird auch der »blickpunkt« ins neue Studio ziehen. Was gab es da nicht alles zu kritisieren – von den überdimensionalen Weiten des Studios über die Farbtemperatur bis zur Krawatte des Moderators: Nichts, was sich verändert hatte, blieb unkommentiert. Und doch: Ein knappes halbes Jahr später sind drei Viertel unserer Zuschauer mit dem neuen Look zufrieden und begrüßen das neue Design als weltoffen und modern. Rund 60 Prozent der Zuschauer finden schon jetzt, dass die Nachrichten mit den zusätzlichen Erklärelementen des virtuellen Raums noch verständlicher geworden sind – und das, obwohl wir die journalistisch-grafischen Möglichkeiten noch längst nicht ausgeschöpft haben.

Eine entscheidende Veränderung wird bei der Diskussion über die Details des neuen Nachrichtenlooks meist übersehen: Das neue Gebäude bietet nicht nur Platz für neue Technik. Hier kommt endlich auch räumlich zusammen, was nach dem Verständnis künftiger Nachrichtenrezipienten inhaltlich längst zusammengehört. Erst im neuen Nachrichtenstudio sitzen die Redakteure des ZDF-Onlineangebots zusammen mit jenen, die die Fernsehnachrichten machen. TV und Internet miteinander zu verschmelzen, ohne dabei die Qualitätsmerkmale öffentlich-rechtlicher Informationsangebote zu verlieren – das bleibt die wichtigste Herausforderung der kommenden Jahre.

Vor gerade einmal 40 Jahren wurde der Grundstein der digitalen Vernetzung gelegt, vor erst 20 Jahren entstand das »World Wide Web«. Und doch sind bereits heute schätzungsweise 1,7 Milliarden Menschen online. Damit hat etwa ein Fünftel der gesamten Weltbevölkerung nahezu grenzenlosen Zugang zu Informationen.

Ein Fünftel der Menschheit gewöhnt sich an neue Kommunikationsformen, wächst auf mit den Mitmachfunktionen des Web 2.0 und lernt schnell, sie nach eigenen Vorstellungen zu nutzen.

In Deutschland haben rund 70 Prozent der Einwohner Zugang zum Internet. Die 14- bis 19-Jährigen surfen schon jetzt länger, als sie fernsehen: 123 Minuten im Netz stehen täglich 97 Minuten vor dem Fernseher gegenüber. Das sagt noch nichts über die Art der Nutzung aus, deutet jedoch bereits an, wo die Zuschauer von morgen primär nach Informationen suchen und mit welcher Grundhaltung sie der Informationsvermittlung begegnen. Die Erwartungshaltung gegenüber guter Information wird sich in den kommenden Jahren auf jeden Fall weiter verändern.

Dass wir die wichtigsten TV-Ereignisse auch im Netz anbieten, ist längst selbstverständlich. Wer Barack Obama in Kairo im Originalton verfolgen wollte, konnte dies im ZDF auch ohne Fernseher tun. Wer dem Duell der Kanzlerkandidaten Merkel und Steinmeier nicht nur zusehen, sondern sich zugleich auch online dazu äußern wollte, fand das passende Angebot auf heute.de. Information – so viel zeichnet sich bereits heute ab – wird auf Dauer von den Empfängern nicht mehr als Einbahnstraße akzeptiert werden. Die Möglichkeit mitzureden, machte zum Beispiel das ZDF-Wahl-Blog zum bisher erfolgreichsten Weblog des ZDF-Internetangebots.

In der Chefredaktion gibt es längst keinen Bereich mehr, in dem die Möglichkeiten des Internets nicht mitbedacht werden. Interaktive Sendungen zur Bundestagswahl wie das ZDF-Wahlforum, »Wahl im Web« oder »KAVKA«, in die sich Fernsehzuschauer und Internetnutzer einbringen konnten, junge netzbasierte Formate wie »Erst fragen, dann wählen«, die dem Publikum neue Blickwinkel eröffneten, begleiteten die maßgeblichen politischen und gesellschaftlichen Ereignisse des Jahres 2009. Sportliche Großereignisse wie die Leichtathletik-WM in Berlin wurden in umfangreichen Onlineangeboten auf sport.zdf.de zusätzlich ausgeleuchtet. Die ZDFmediathek hielt rund um die Uhr Beiträge und Sendungen zum Nachschauen bereit. Und seit September müssen manche Internetnutzer erstmals nicht mehr den Weg zu heute.de suchen: heute.de kommt zu ihnen – auf Facebook.

Dieser erste Versuch, auch jene zu erreichen, die sich in Sozialen Netzwerken ein digitales Zuhause einrichten und von dort aus informieren, hat vor allem eines gezeigt: Es gibt im Netz ein erhebliches Potenzial für qualitativ hochwertige Information und Diskussion. Jeden Tag gewinnt heute.de auf Facebook Hunderte neue »Fans«. 2 000 zusätzliche waren es allein um den 9. November herum, als Claus Kleber die Facebook-Mitglieder fragte: »Wo warst Du, als die Mauer fiel?«. Ernsthafte Diskussionen über Themen wie diese sind seit dem Start von heute.de auf Facebook besonders gefragt. Nicht der Spaßfaktor allein bestimmt, was im Netz erfolgreich ist. Die Nutzer des Internets sind genauso vielfältig in ihren Interessen und Ansichten wie unsere Gesellschaft. Und sie erwarten, dass wir die Möglichkeiten der neuen Informationstechnologien nutzen. Nicht nur, um das Netz um anspruchsvolle Inhalte zu bereichern, sondern auch, um die aktive Teilhabe an der Auseinandersetzung über diese Inhalte zu ermöglichen.

Auf diese Weise verändert sich nicht nur die Wahrnehmung von Nachrichten im Netz. Mit der Nutzung des Internets verändert sich auch die Erwartung der Menschen an die Erklärfunktion des Fernsehens. Wo Inhalte praktisch unbegrenzt verfügbar sind, neutrale Information gleichwertig neben Meinungsäußerungen, verdeckter Werbung oder Verschwörungstheorien stehen, steigt das Bedürfnis nach verständlichen Deutungen und klarer, unabhängiger Bewertung. Die Erklärmöglichkeiten eines herkömmlichen Nachrichtenstudios reichen dafür nicht aus. Erst die Kapazitäten des neuen Studios ermöglichen hier neue Ansätze.

November 2009: Die Mauer ist zum zweiten Mal gefallen – in Styropor und unter dem Jubel Tausender Zuschauer. Europa, Russland und die USA haben am Brandenburger Tor jenen Tag vor 20 Jahren als Schlüsselmoment des europäischen Einigungsprozesses und Katalysator umwälzender globaler Veränderungen beschworen. Zwei Jahrzehnte nach dem Ende des Kalten Krieges scheint es leicht, die Ereignisse und ihre Folgen zu begreifen. Dass uns dies auch bei den Ereignissen gelingt, die uns täglich neu begegnen, müssen wir jeden Tag aufs Neue sicherstellen: mit größter journalistischer Sorgfalt, Unabhängigkeit und einem wachen Bewusstsein für die Veränderungen unserer Zeit. Die nötigen Werkzeuge dafür sind im neuen Nachrichtenstudio vorhanden.
 
 
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