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Kurt Beck, Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz/Vorsitzender des Verwaltungsrats des ZDF

Mehr Rechte, mehr Pflichten
Wie neue Formen des Interessenausgleichs zu mehr Transparenz und Akzeptanz beitragen

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Kurt Beck
Kurt Beck
 
 Die Gesellschaft und auch die Medien selbst erleben durch die Konvergenz eine Zeit des Umbruchs. In der Medienpolitik werden neue Ansätze und Lösungsmöglichkeiten diskutiert. Oft ist in diesem Zusammenhang von »Media Governance« die Rede. Der schillernde Begriff »Governance« wird dabei nicht auf den staatlichen Bereich begrenzt, sondern betrifft auch – und im Medienbereich sogar vorrangig – nichtstaatliche Selbstregulierung und Selbstkontrolle. Hier kann der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit seiner systembedingt binnenpluralen Kontrolle, sprich Selbstkontrolle, als Vorreiter gelten. Inwiefern können ZDF-Fernsehrat und -Verwaltungsrat nun zu einem neuen Zusammenwirken von Regulierung und Selbstregulierung beitragen?

Der 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag beauftragt ARD, ZDF und Deutschlandradio mit einem umfangreichen linearen öffentlich-rechtlichen Angebot von Hörfunk und Fernsehen und sichert es staatsvertraglich ab. Dies gibt dem ZDF die Möglichkeit, sich neu und ergänzend zu positionieren. Wichtig ist dabei, das öffentlich-rechtliche Programmangebot auch für junge Menschen attraktiv zu machen. Mit ZDFneo ist das Zweite hier gut aufgestellt. Zusammen mit dem über den Drei-Stufen-Test qualitativ gestärkten Telemedienangebot existiert so ein vielfältiges und umfassendes gebührenfinanziertes öffentlich-rechtliches Gesamtangebot. Bestands- und Entwicklungsgarantie, insbesondere des ZDF, sind damit gewährleistet. Das ist nicht nur verfassungsrechtlich geboten, sondern ebenso medienpolitisch gewollt.

In einer Zeit zunehmender Unübersichtlichkeit ist es notwendig, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk seine Aufgabe, als Medium und Faktor des öffentlichen Meinungsbildungsprozesses zu wirken, wahrnimmt und weiterhin wahrnehmen kann. Die Quote wird angesichts der Vielzahl digitaler Angebote tendenziell an Bedeutung verlieren. Deswegen gilt: Nicht allein die Quote wird über die Zukunft des gebührenfinanzierten Rundfunks entscheiden, sondern seine Qualität und Relevanz und die sich daraus ableitende Akzeptanz. Auch deshalb muss der Gebühren zahlende Nutzer noch stärker in die Aktivitäten des Senders einbezogen werden. Zum Beispiel mit einem modernen Qualitäts- und Beschwerdemanagement des Fernsehrates. Die Programmbeschwerde lässt Programmkritik gegen aus Sicht der Beschwerdeführer verfehlte Sendungen zu, die dann an die jeweiligen Redaktionen weitergeleitet werden kann. Damit wird insgesamt mehr Transparenz hergestellt. Mit der Programmbeschwerde haben die Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, in einfacher und effektiver Weise zu reagieren, sollte der Rundfunk seine demokratische und kulturelle Aufgabe einmal nicht zu deren Zufriedenheit erfüllen. Viele Beschwerden zeigen, dass die Bürgerinnen und Bürger dafür ein gutes Gespür besitzen. So wird eine Rückkoppelung zwischen Zuschauern und dem ZDF bewirkt, die entscheidend dazu beitragen kann, Fehlentwicklungen schon im Keim zu ersticken und die Programmqualität zu verbessern.

Auch die Selbstverpflichtungen des ZDF entfalten zunehmend ihre Wirkung und sorgen für mehr Transparenz und dadurch für größere Akzeptanz. Gerade im Bereich der Überlegungen, die den jeweiligen Programmen zugrundeliegen, ermöglichen sie eine effizientere Gremienkontrolle und transparente Darstellung redaktionell programmlicher Schwerpunkte. Im materiellen Bereich haben sich die Selbstverpflichtungen in Kombination mit der Überprüfung durch die KEF bewährt. Doch ist klar, dass es noch einiger Zeit bedarf, bis sich diese neue Kultur der Transparenz in einen gewinnbringenden Dialog auch mit dem Zuschauer verwandelt. Hilfreich wäre dabei sicherlich, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk die Chancen des Internets voll nutzte, um mit den Bürgerinnen und Bürgern über Auftrag und Inhalte zu diskutieren. Hier besteht die große Chance für das ZDF, neben einem überzeugenden Programm eine neue Form des Diskurses zu etablieren, von dem alle Seiten nur profitieren können.

Die Stärkung der Gremien im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist seit Jahren eines meiner zentralen Anliegen. Mit den Verabredungen zum 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag geht eine ganz entscheidende Aufgabenstärkung der Gremien einher. Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist, dass die Verantwortung in gleichem Maße wächst. Die Doppelnatur der binnenpluralen Kontrolle, nämlich einerseits als Vertreter der Allgemeinheit das Programm zu kontrollieren und andererseits den Programmverantwortlichen beratend zur Seite zu stehen, bekommt damit eine neue Balance. Der Drei-Stufen-Test, der sowohl für das bereits bestehende Telemedienangebot als auch für alle veränderten und neuen Telemedienangebote anzuwenden ist, ist daher ebenfalls eine große Chance für das ZDF wie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk insgesamt. Diese Chance gilt es offensiv zu nutzen, weil der Wert der vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk produzierten und von den Zuschauern finanzierten Programme dadurch stärker ins Bewusstsein gerückt werden kann. Auch hier geht es um gesteigerte Transparenz und letztlich um Akzeptanz. Die binnenplurale Kontrolle steht mit dem Drei-Stufen-Test vor einer einmaligen Bewährungsprobe. Gelingt es den Gremien, mit Hilfe professioneller Strukturen, die das Ehrenamt stärken und stützen, dieser neuen Aufgabe gerecht zu werden, dann wird die binnenplurale Kontrolle als Erfolgsmodell auch europaweit gelten können. Da die staatliche Aufsicht wegen der verfassungsrechtlich vorgegebenen Staatsferne nur eingeschränkt ausgestaltet ist, sind logischerweise die Anforderungen an die öffentlich-rechtliche Gremienkontrolle umso höher anzusetzen. Es gilt das Prinzip: mehr Rechte, mehr Pflichten. Die gesteigerte Verantwortung der Gremien bedeutet auch: Das Gesamtinteresse des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die Sicherung der journalistischen Qualität muss über Partikularinteressen stehen.

Wir müssen gemeinsam neue Formen des Interessenausgleichs und neue Verabredungen zwischen den Akteuren finden und sie mit den gewünschten gesellschafts- und medienpolitischen Zielen in Einklang bringen. Beispielsweise wurde im Rahmen der Beratungen zum 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag ein Verfahren etabliert, das einen verbindlichen Diskurs zwischen den Akteuren verabredet, um Streitigkeiten um den Begriff der presseähnlichen Telemedienangebote im Vorfeld zu klären. Streitigkeiten um unbestimmte Rechtsbegriffe bergen nämlich die Gefahr, dass der beabsichtigte Interessensausgleich – in diesem Fall zwischen den privaten Anbietern und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk – nicht erreicht wird. Angesichts der dynamischen Entwicklung ist es notwendiger denn je, die jeweils Beteiligten in die Entwicklung geeigneter Instrumente und Kriterien zur Erreichung der vorgegebenen Ziele einzubeziehen. Die Akteure selbst, und damit auch das ZDF, sind gefordert, Spielregeln und Konfliktlösungen zu etablieren und so in einer koregulierten Medienordnung eine neue Form der Verantwortung, beispielsweise für ein vielfältiges – und gesellschaftlich akzeptiertes – Onlineangebot zu übernehmen.
 
 
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