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2008  
ZDF Jahrbuch
Grundlagen der Programmarbeit
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Jan-Philipp Müller, Geschäftsfeld Design
Janek Czechowski, Geschäftsfeld Design

Herstellstraße Gestaltung

 
Jan-Philipp Müller
Jan-Philipp Müller


Janek Czechowski
Janek Czechowski


Die vier Phasen der Entstehung eines Erklärstücks: von der Handzeichnung zum Computermodell (Phase eins ...
Die vier Phasen der Entstehung eines Erklärstücks: von der Handzeichnung zum Computermodell (Phase eins ...


... und zwei)
... und zwei)


Moderator im Studio (Phase drei)
Moderator im Studio (Phase drei)


Moderator mit Computermodell (Phase vier)
Moderator mit Computermodell (Phase vier)


Die Entstehung eines Tsunamis im Erklärstück: Handzeichnung (Phase eins)
Die Entstehung eines Tsunamis im Erklärstück: Handzeichnung (Phase eins)


Computermodell (Phase zwei)
Computermodell (Phase zwei)


Computermodell im Studio (Phase drei)
Computermodell im Studio (Phase drei)


Computermodell mit Moderator (Phase vier)
Computermodell mit Moderator (Phase vier)
  Erwartungsvoll blicken immer mehr Interessierte in Richtung des neuen Nachrichtenstudios. Der Bau steht, doch was sich in seinem Inneren abspielt, liegt noch weitestgehend im Verborgenen. Das, was sich auf dem Bildschirm zeigen soll, ist der Öffentlichkeit noch unbekannt. Fest steht: Die Erwartungen sind hoch. Fest steht aber auch: Gutes Design alleine schafft keine Quote.

Glaubhaftigkeit und Seriosität für das virtuelle Studio
Für die Glaubhaftigkeit und Seriosität des Informationsangebots ist es wichtig, dass die Virtualität nicht als Selbstzweck in den Vordergrund tritt, sondern das Ziel des Erklärenden und Einordnenden unterstützt. Erst ein funktionierendes, umfassendes Konzept der Nachrichtenpräsentation macht aus der Verlautbarung von Meldungen wirklich einordnende und erklärende Nachrichten und rechtfertigt den betriebenen Aufwand, nicht zuletzt im Hinblick auf Medienkonvergenz.

Dieser Anspruch ist die Grundlage der weiteren Überlegungen. In der Vielfältigkeit der Medienlandschaft und der Vielzahl der Angebote an Informationen ist es notwendig, sich mit diesem klar umrissenen Profil zu etablieren. Die Themen werden abstrakter, und der Anspruch der Zuschauer steigt. Wie erklärt man beispielsweise die Gesundheitsreform? Wie funktionieren Integration und Assimilation in unserer Gesellschaft? Es braucht eine Form, die den Zuschauer in diese Themen mitnimmt und die am Ende ein wirkliches Verständnis auslöst.

Dass sich dieser Anspruch mit den bisherigen Mitteln nicht realisieren ließ, war schnell klar. Das alte »heute«-Design ist fast zehn Jahre alt, die räumlichen Verhältnisse im alten Studio sind stark eingeschränkt. Ein Neubau alleine konnte nicht genügen, die Ansprüche haben sich grundlegend geändert. Die technische Entwicklung im Bereich der digitalen Verbreitungswege und des HDTV müssen Eingang in diese Überlegungen finden.

In unterschiedlichen Artikeln wurde über diese Fragen berichtet. Was aber passiert eigentlich genau im neuen Studio, was meint »virtuell« und wie wird eine Sendung im neuen Nachrichtenstudio mit den Möglichkeiten der Virtualität hergestellt und gestaltet?

Leistungsreserven für eine neue Bildsprache
Mit Einführung der Bluebox-Technologie wurde es möglich, einen mit der Kamera aufgenommenen realen Vordergrund mit einem anderen, beliebigen Hintergrund zu verknüpfen.

So ist es beispielsweise möglich, mit der Dachkamera des Hauptstadstudios in Berlin das Brandenburger Tor aufzunehmen und diese Bilder als künstlichen Hintergrund für die Gäste im Studio bei Schaltgesprächen zu nutzen. In Wirklichkeit sitzen die Gäste vor einer blauen Fläche, und durch einen technischen Trick werden sämtliche Bestandteile der Fläche durch den Hintergrund ersetzt.

Diese Technik wird an vielen Stellen bei uns und bei anderen Sendern eingesetzt und ermöglicht eine Vielzahl von gestalterischen Möglichkeiten.

Alle diese Einsatzmöglichkeiten haben jedoch eines gemeinsam: Vordergrund und Hintergrund sind statisch miteinander verknüpft. Verändert man nur den Vordergrund oder nur den Hintergrund alleine, ändert sich automatisch der Raumeindruck.

Hier setzt die virtuelle Technik an: Für jedes Kamerabild des Vordergrundes werden die Hintergrundbilder berechnet und angepasst. Dadurch wird es möglich, sich mit der Kamera frei im künstlichen Raum zu bewegen. Der Moderator im Vordergrund und der Hintergrund stehen immer im richtigen Größenverhältnis zueinander.

Das Studio ist mit einer Greenbox, einer grün gefärbten Hintergrundwand, ausgestattet, innerhalb derer sich die Moderatoren bewegen. Nur der Tisch in der Mitte des Studios ist ein reales Möbelstück, alle anderen Elemente, die man als Zuschauer sieht, werden aus dem Computer hinzugerechnet. Dadurch steigt auch der Anspruch an die Moderatoren. Alles, was wir als Zuschauer als zusammenhängendes Bild sehen, müssen sich die Moderatoren im Studio vorstellen. Die zu erklärenden Objekte sind eben virtuell aus dem Computer und nicht realer Bestandteil der Kulissen. Um das virtuelle Erklärstück wirkungsvoll präsentieren zu können, muss die Moderatorin oder der Moderator über entsprechende Erfahrungen verfügen.

Durch den Einsatz der Virtualität wird es möglich, eine neue Form des Erklärens und Darstellens zu präsentieren. Abstrakte Größen wie Mengen, Verhältnisse oder Ordnungen können räumlich dargestellt werden. Durch die Interaktion mit dem Moderator werden sie greifbar gemacht.

Auch sehr konkrete Themen, beispielsweise aus den Naturwissenschaften oder der Technik, können anhand von Anschauungsobjekten durch Experten präsentiert werden. Als weiteres Feld eröffnen sich wirtschafts- und gesellschaftswissenschaftliche Themen, beispielsweise die Globalisierung. Komplexe Zusammenhänge rund um den Globus können als schlüssiges Ganzes dargestellt und vom Moderator präsentiert werden.

Hier liegt die angesprochene Leistungsreserve gegenüber anderen Nachrichtenformaten. Neben den bekannten Formen der Präsentation kommt die Interaktion des Moderators als neue Form hinzu. Präsentation, Einordnung und journalistische Bewertung rücken dichter zusammen. Gleichzeitig eröffnet sich hier das Spannungsfeld, glaubhaft bleiben zu müssen. Die Virtualität darf nicht zu dem eingangs genannten Selbstzweck werden.

Eine Herstellstraße für anspruchsvolle Gestaltung
Für das neue Studio wurden unter den Gesichtspunkten der Effizienz und der technischen Möglichkeiten neue Workflows erarbeitet. Damit ist die Zukunftsfähigkeit im Hinblick auf die Vielzahl der zu bedienenden Verbreitungswege gegeben. Neben den Gesichtspunkten eines Effizienz­gewinns durch den Einsatz von Technik und die Überarbeitung bestehender Workflows nimmt zudem der gestalterische Aspekt einen neuen Stellenwert ein: Die Präsentation im virtuellen Raum verhilft zu neuen Möglichkeiten und Formen der Darstellung. Umso wichtiger ist es, durch geeignete Strukturen die tägliche Umsetzung eines so anspruchsvollen Vorhabens überhaupt erst zu ermöglichen.

Der Anspruch an die Zusammenarbeit von Regie, Kamera, Grafiker und Redakteur steigt. Die virtuellen Erklärstücke müssen inszeniert werden. Sie müssen sich in den Ablauf der Sendung einfügen lassen, und sie müssen inhaltlich den gewünschten redaktionellen Mehrwert des Einordnenden und Erklärenden erbringen.

Wenn die Inszenierung geklärt ist, müssen die 3D-Objekte im Computer von Setdesignern »gebaut« werden. Möglicherweise sind Anpassungen am virtuellen Set und an der Architektur notwendig, sodass auch diese Änderungen umgesetzt werden müssen. Da die Elemente Teil einer bewegten Inszenierung sind, müssen sie in das Steuerungs­konzept eingebunden werden. Das Steuerungskonzept sorgt für die Einhaltung der korrekten Reihenfolge (Sendeablauf), beispielsweise au­tomatischer Roboterfahrten in den Übergängen zwischen den Sendungselementen. Anschließend finden Proben mit den Moderatorinnen und Moderatoren statt.

Erst wenn die gesamte Inszenierung abgestimmt ist, die Implementierung der Designelemente vorgenommen ist, die technische Anbindung an die Steuerung erfolgt ist und die Proben abgeschlossen sind, kann das neue Erklärstück auf Sendung gehen. Dazu wird es entweder aufgezeichnet und als Beitrag zugespielt oder live inszeniert.

Neue Berufsbilder für neue Anforderungen
Der gestiegene gestalterische Anspruch an die angesprochenen Sendeformate der aktuellen Berichterstattung wie Nachrichtensendungen oder Magazine zieht eine Veränderung bei den Berufsbildern mit sich. Neue Berufsbilder kommen hinzu, bestehende Berufsbilder verändern sich. Beispiele für neue Berufsbilder sind Designkoordinator, Setdesigner und Grafikredakteur.

Um die Abstimmung zwischen Kamera, Regie, Design und Redaktion vorzunehmen, wurde gemeinsam mit dem Geschäftsfeld Design und der Hauptredaktion Aktuelles die Rolle des Designkoordinators eingeführt. Er hat die Aufgabe, die Ideen und Vorstellungen der Redaktion gemeinsam mit den Grafikredakteuren konzeptionell in ein Erklärstück umzusetzen und die notwendigen Abstimmungen mit den beteiligten Fachbereichen zu treffen. Ähnlich einem Drehbuch, muss ein Story­board gefertigt und als Grundlage der Abstimmung verwendet werden. Entsprechend höher wird auch der Anspruch an Regie und Kamera.

Zur Entwicklung der neuen Bildanalogien werden im redaktionellen Bereich Grafikredakteure beschäftigt, die gemeinsam mit den Grafikern an der Umsetzung der Ideen in Erklärstücke arbeiten sollen. Damit die virtuellen Setelemente unter Berücksichtigung der gestalterischen und steuerungstechnischen Anforderungen gebaut werden können, mussten Grafiker mit Erfahrungen auf dem Schwerpunkt des virtuellen Setdesigns gefunden und ausgebildet werden. Da auch die bisherigen Formen des 3D-Erklärstücks, der Katastrophenanimationen und der Kartenanimationen nach wie vor erhalten bleiben, wird die angesprochene enge Zusammenarbeit zwischen Grafik und Redaktion auch in diesem Bereich zunehmen.

Die Berufsbilder nähern sich einander an. Damit sie sich nicht substituieren und womöglich bestimmte Kompetenzen schleichend verloren gehen, sind die Schnittstellen in Form des gemeinsamen Konzepts der Herstellstraße Gestaltung beschrieben.

Ausblick
Mit dem neuen Nachrichtenstudio wird das ZDF einen Vorsprung in der Informationslandschaft erringen. Dieser Vorsprung versetzt uns in die Lage, dem zunehmenden Anspruch der Zuschauer gerecht zu werden: ausführliches Erklären und anschauliche Einordnung der Sachverhalte in einer Zeit des Wandels und der Neuorientierung. Das ZDF kann bei dieser Veränderung unserer Gesellschaft hilfreicher Begleiter sein, das neue Nachrichtenstudio ist ein wichtiger Baustein.
 
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