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2008  
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Susanne Kayser, Leiterin ZDF-Medienforschung
Gerlinde Schumacher, ZDF-Medienforschung

Jugendliche, Information und Mediennutzung

 
Susanne Kayser
Susanne Kayser


Gerlinde Schumacher
Gerlinde Schumacher
  Das Fernsehen tut sich schwer, junge Menschen mit Informationsangeboten über Politik und gesellschaftliche Themen zu erreichen. Vor allem die »Informationsklassiker« wie Nachrichten, politische Magazine und Reportagen sowie Polit-Talk stoßen bei ihnen oft auf wenig Resonanz. Ihre Präferenzen liegen klar bei Fictionprogrammen und »weichen« Infotainmentangeboten. In Zusammenhang mit den tiefgreifenden Veränderungen in der Mediennutzung – dynamischer Zuwachs der Internetnutzung, starker Rückgang in der Akzeptanz der Tageszeitung – ist sogar vereinzelt die Rede von einem Paradigmenwechsel im Umgang mit Information, bei dem die Jugendlichen Vorreiter seien. Ein großer Teil der Jugendlichen, die bereits mit dem Internet aufgewachsen sind, gewöhne sich die regelmäßige Information gar nicht mehr an, sondern ersetze sie durch eine bedarfsgesteuerte Informationsnutzung, die wesentlich ereignisgetriebener erfolge und enger auf Themen fokussiere, für die von vorneherein großes Interesse bestehe.

Wir haben keine Belege für eine derartige Entwicklung. Dennoch stellen sich uns folgende Fragen: Welche Themen interessieren Jugendliche und was verstehen sie unter Information? Welcher Medien beziehungsweise medialer Angebote bedienen sie sich, um ihre Informationsbedürfnisse zu stillen? Welche Art von Information wird von ihnen im Fernsehen favorisiert?

Auf der Suche nach tragfähigen und erfolgversprechenden Orientierungen, Werten und Normen ist die Offenheit der Jugendlichen für Umwelteinflüsse, Anregungen und Informationen zunächst sogar besonders groß. Sie haben ein starkes Interesse an Informationen im weitesten Sinne, aber ihr Informationsverständnis ist anders, weiter gefasst als das der mittleren und älteren Generation. Nicht nur die von der Gesellschaft als bedeutsam angesehenen Sachverhalte, sondern jede Art von auffälliger Neuigkeit oder Sensation wird als Information verstanden.

Wenig Interesse an Politik und gesellschaftlichen Themen
Jugendliche interessieren sich generell sehr für Themen, die für sie in ihrer Lebenswelt relevant sind. Die großen Jugendthemen sind aus verschiedenen repräsentativen Umfragen bei Jugendlichen bekannt. Das größte Interesse zeigen zwölf- bis 19-Jährige für die Themen Liebe und Freundschaft, Musik sowie Ausbildung und Beruf, die sie mit über 78 Prozent als »sehr interessant« oder »interessant« bezeichnen, dann folgen die Bereiche Sport (72 Prozent), Internet (70 Prozent) und Computer (65 Prozent). 63 Prozent nehmen am aktuellen Weltgeschehen Anteil, ebenso viele haben Interesse an Mode und Kleidung, etwas weniger an Handys. Mehr als die Hälfte interessiert sich für Schulthemen, Gesundheitsfragen, Musikstars oder Bands. Das Thema Umweltschutz (44 Prozent) rangiert noch vor Computerspielen (32 Prozent). Nur wenige Jugendliche (jeweils weniger als 20 Prozent) haben etwas übrig für Kunst und Kultur, Wirtschaft sowie Politik.1

Wie die Shell-Jugendstudien zeigen, ist seit Mitte der 90er Jahre das Interesse der Jugendlichen und jungen Erwachsenen an Politik stark zurückgegangen. Nur noch 39 Prozent der 15- bis 25-Jährigen bezeichnen sich als politisch interessiert (1991: 57 Prozent). Es ist vor allem die traditionelle, institutionalisierte Politik, die von Politikern und Parteien repräsentiert wird, die mehrheitlich auf Desinteresse oder sogar Ablehnung stößt. Sie wird als bürokratisch und anonym empfunden, als zu weit entfernt von der Lebenswirklichkeit der Menschen. Von »Politikverdrossenheit« kann jedoch keine Rede sein, vielmehr haben die jungen Leute durchaus Interesse an politischen Inhalten, sofern ein Bezug zu ihrer Lebenswelt vorhanden ist und sie eine persönliche Relevanz erkennen. Heranwachsende interessieren sich für nahezu jedes Thema, wenn es diese beiden Kriterien erfüllt.

Seit einigen Jahren verändert sich laut Umfragen das Interessenspektrum der jungen Generation langsam, aber stetig. Sie zieht sich immer mehr von Themen zurück, die sich mit der Gesellschaft, der Politik, der Wirtschaft, den sozialen Fragen oder Kultur beschäftigen. Zugleich gibt es durchaus andere Themen, die sie stärker interessieren.

Dies trifft auf alle Felder der modernen Kommunikations- und Medientechnologie wie Computer, Internet, Handy, digitales Fernsehen oder auch die Konsumfelder Mode und Kosmetik sowie psychologische oder Gesundheitsthemen zu. Das heißt, Informationen, die unmittelbar auf den eigenen Alltag übertragen werden können oder zur Optimierung von Beruf, Kaufentscheidungen und Privatleben dienlich sind, finden stabile oder größere Aufmerksamkeit.2

Fernsehen neben Internet wichtigstes Medium
Jugendliche wachsen heute in einer zunehmend von Medien geprägten Umwelt auf, den Medien kommt im Prozess ihrer Orientierungssuche eine große Bedeutung zu. Sie stellen für Jugendliche einen ständigen Alltagsbegleiter dar, den sie situations- und stimmungsabhängig gezielt und gekonnt nutzen. Die Medienauswahl wird dabei selektiv getroffen und routiniert in den Alltag eingebaut. Der Umgang Jugendlicher mit den durch Konvergenz geprägten Medien ist dadurch gekennzeichnet, dass sie nach dem Mehrwert der sich ergänzenden Angebote suchen und diesen vor allem im Lichte ihrer eigenen speziellen Interessen nutzen.

Fernsehen hat nach wie vor einen hohen Stellenwert in der Mediennutzung der Jugendlichen, auch wenn sie traditionell von allen Altersgruppen den geringsten Zeitaufwand für Fernsehen erübrigen und ihre Fernsehnutzung seit einigen Jahren leicht rückläufig ist. 2008 sahen die 14- bis 19-Jährigen 98 Minuten pro Tag fern, das ist lediglich ein gutes Drittel der Sehdauer der über 50-Jährigen.

Das Internet spielt inzwischen eine zentrale Rolle im Medienensemble der Jugendlichen. Bei ihnen – anders als bei den Älteren – ist eine Internet-Vollversorgung zu konstatieren. Erstmalig weist die ARD/ZDF-Online-Studie 2008 für die 14- bis 19-jährigen Onliner eine längere Nutzungsdauer für das Internet (120 Minuten) als für das Fernsehen (100 Minuten) aus.

Während bei der Mehrheit der Anwender noch die Informationssuche im Internet im Vordergrund steht, haben sich die Jugendlichen als erste Generation das Internet als Allround-Medium erschlossen, das nahezu alle Medienbedürfnisse – in erster Linie Kommunikation, aber auch Information und Unterhaltung – bedient. Besonders in jüngster Zeit ist das Internet für sie immer mehr auch zum Unterhaltungsmedium avanciert. Es sind vor allem die Jugendlichen, die verstärkt im Netz Bewegtbilder, überwiegend über Videoportale wie beispielsweise YouTube, nutzen.

Doch auch Jugendliche informieren sich mehr oder weniger regelmäßig im Internet über das Geschehen in Deutschland und in der Welt. So handelt es sich bei den aktuellen Nachrichten um den von 14- bis 29-jährigen Internetnutzern meistaufgesuchten Inhalt im Netz. 35 Prozent dieser Altersgruppe nutzen dieses Angebot nach eigenen Angaben häufig, 63 Prozent zumindest gelegentlich. Auch Informationen aus Wissenschaft, Forschung und Bildung zählen neben Sportangeboten sowie Freizeitinformationen und Veranstaltungstipps zu den am häufigsten aus dem Internet aufgerufenen Inhalten.

Neben dem Fernsehen sind auch für den Hörfunk und insbesondere für die Tageszeitung Nutzungsrückgänge zu verzeichnen, und es mehren sich die Anzeichen für einen emotionalen Rückzug der Jugendlichen von den klassischen Medien.3 Dagegen ist das Internet neben seiner Hauptfunktion als Kommunikationsinstrument, das zunehmend als multifunktionale Plattform für Fernsehen, Radio und Printmedien dient, heute für Jugendliche weniger verzichtbar als Fernsehen.

Es bleibt jedoch abzuwarten, ob das Nutzungsverhalten der Jugendlichen nur auf die biografische Phase »Jugend« bezogen bleibt oder ob sich hier bereits ein neues, aktiveres und individualisierteres Medienverhalten ankündigt, das in spätere Lebensphasen übertragen wird.

Sicher ist, dass mit dem Eintritt in den Beruf und der Familiengründung der passive Medienkonsum über klassische Medien (»lean back«) gegenüber dem überwiegend aktiven der neuen Medien (»lean forward«) zunehmen wird.

Fernsehen: Boulevardeske, personalisierte und nachvollziehbare Form der Information wird favorisiert
Junge Zuschauer nutzen überwiegend kommerzielle Fernsehprogramme, vorrangig ProSieben und RTL. Die öffentlich-rechtlichen Programme spielen in ihrer Fernsehnutzung eine nachgeordnete Rolle. Das weitgefasste Informationsverständnis der Jugendlichen sowie ihr geringeres Interesse an Politik haben in Bezug auf das Fernsehen zur Folge, dass »Informationsklassiker« vor allem des öffentlich-rechtlichen Fernsehens wie politische Magazine und Polit-Talk bei ihnen auf wenig Resonanz stoßen.

Sie informieren sich häufiger bei Talkshows, Boulevardmagazinen und Doku-Soaps (beispielsweise »Die Super Nanny«, »Raus aus den Schulden«) der kommerziellen Sender. Auch die Wissenschaftssendungen der Kommerziellen werden häufiger von Jugendlichen genutzt. Doch mit einigen Formaten wie zum Beispiel der Wissens-Show »Wie schlau ist Deutschland?« oder der Doku-Fiction »Die Deutschen«, die vom Genre und der Aufbereitung her »jünger« daherkommen, ist das ZDF bei den Jugendlichen und jungen Erwachsenen deutlich erfolgreicher als mit anderen Informationssendungen.

Offensichtlich kommen die kommerziellen Sender mit ihren »weichen« Infoangeboten den Bedürfnissen Jugendlicher und junger Erwachsener stärker entgegen, sowohl von den Inhalten als auch, was die Machart der Sendungen angeht – denn sie schätzen vor allem die boulevardmäßig aufbereitete, personalisierte und für sie somit leichter nachvollziehbare Form der Information. Zudem kommt den viel genutzten Sendern ProSieben und RTL zugute, dass die Jugendlichen in Zusammenhang mit der Rezeption ihrer fiktionalen Lieblingssendungen gelegentlich bei diesen Sendern auf eine Informationssendung stoßen, ohne dass sie dies beabsichtigen.

Dagegen werden die Informationssendungen von ZDF und ARD von jungen Zuschauern häufig als weniger unterhaltsam und zu informationslastig im traditionellen Sinne charakterisiert, obwohl man insbesondere den öffentlich-rechtlichen Informationsformaten mehr Seriosität und Glaubwürdigkeit bescheinigt – Eigenschaften, die in dieser Altersgruppe augenscheinlich von geringerer Relevanz für die tatsächliche Nutzungsentscheidung sind.4 Es liegt die Vermutung nahe, dass die Informationsvermittlung öffentlich-rechtlicher Sender bei Jugendlichen weniger ankommt, weil sie sachbezogen, aber auch abstrakter vorgeht und stärker auf Politik und politische Institutionen fokussiert.

Darüber hinaus kommt bei der Einschätzung von ARD und ZDF ein Stück weit auch die generelle Skepsis der Jugendlichen gegenüber tradierten gesellschaftlichen und politischen Institutionen zum Tragen und bildet eine Zugangsbarriere zum Programm, die nur schwer durch das Angebot selbst überwunden werden kann. Um Jugendliche und Information über klassische Medien zusammenzubringen, bedarf es daher sicher neben der guten Absicht und einer großen Portion Kreativität und Kraft auch eines langen Atems, Mut und keiner übertriebenen Angst vor Misserfolg.

1 Vgl. Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (Hg.): JIM 2007. Jugend, Information, (Multi-)Media. Basisstudie zum Medienumgang Zwölf- bis 19-Jähriger in Deutschland. Stuttgart 2007, S. 14–15

2 Vgl. Köcher, Renate: Schleichende Veränderung. Die Altersklasse bis 30 Jahre fügt sich nicht nahtlos in die Gesamtbevölkerung ein. Sie informiert sich anders und interessiert sich für anderes als die Generation davor. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.8.2008

3 Vgl. Reitze, Helmut/Ridder, Christa-Maria (Hg.): Massenkommunikation VII. Eine Langzeitstudie zur Mediennutzung und Medienbewertung 1964–2005. Baden-Baden 2006, sowie Köcher, Renate: AWA 2008. Die junge Generation als Vorhut gesellschaftlicher Veränderungen. Internet-Ausdruck September 2008

4 Vgl. ZDF Medienforschung: Das Image des ZDF 2008 (unveröffentlichter Bericht)

 
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