ZDF.de
                Kontakt    
Suche
Erweiterte Suche
 
2007  
ZDF Jahrbuch
Aus der Programmarbeit
Thomas Bellut
Caroline von Senden
Elke Müller/
Klaus Bassiner
Heike Hempel
Annette Reisse
Volker Panzer
Nikolaus Brender
Martin Ordolff
Stefan Raue
Susanne Biedenkopf-Kürten
Udo van Kampen
Britta Hilpert
Guido Knopp
Heiner Gatzemeier
Maybrit Illner

Maybrit Illner, Moderatorin der gleichnamigen Talksendung

Nur wer sich ändert, bleibt sich treu: von »Berlin Mitte« zu »Maybrit Illner«

 
Maybrit Illner
Maybrit Illner


Maybrit Illner vor neuer Kulisse
Maybrit Illner vor neuer Kulisse


Maybrit Illner mit Gästen
Maybrit Illner mit Gästen
 

»Raider heißt jetzt Twix, sonst ändert sich nix!« Was glauben Sie, wie oft ich diesen Kalauer gehört habe, als unsere Sendung im März den Namen wechselte. Nun ist es zwar richtig, dass mit dem Wechsel von »Berlin Mitte« zu »Maybrit Illner« kein radikaler Formatwechsel verbunden war. Aber dass sich »nix« geändert hätte, kann man wahrlich nicht behaupten. Wäre unsere Talkshow ein Schokoriegel, könnten wir auf jeden Fall damit werben, dass sie nun rund 30 Prozent länger ist und außerdem noch knackiger als zuvor.

Seit dem 15. März 2007 jedenfalls dauert die Sendung 60 (statt bisher 45) Minuten und wird im 16:9-Format ausgestrahlt. Mit einem neuen, deutlich kürzeren Vorspann und Aufhellungen im Bühnenbild zeigt sie ein freundlicheres Gesicht. Wir haben uns mehr »Spielmöglichkeiten« verschafft für Experteninterviews und Publikumsgespräche außerhalb des Halbmonds der klassischen Talk­runde. Grafiken und Einspielfilme haben eine neue »Verpackung« erhalten. Zuschauer können uns jetzt über das Internet nicht nur Fragen und Anregungen in Textform schicken, sie sollen uns auch mit geringem technischem Aufwand kleine Filme schicken, »Videobotschaften« mit einem Statement oder einer Frage. Ein Angebot, das sich vor allem an die jüngeren Zuschauer richtet. Die interessantesten Videobotschaften bauen wir in die Sendung ein. Zwei Tage vorher führe ich, wann immer das geht, ein Telefoninterview mit einem spannenden Prominenten zum aktuellen Thema, das wir am Donnerstag behandeln wollen. Das geht sofort danach ins Netz. Und nach der Sendung wird gechattet. Die ZDF-Maxime »Online first« wird also auch bei uns umgesetzt.

Doch all das interessierte die Kollegen von der Presse viel weniger als die Entscheidung, der Sendung nach über sieben Jahren nunmehr den Namen der Moderatorin zu geben. Ich konnte das ziemlich entspannt erklären, weil diese Idee nicht von mir kam. Mit der Namensänderung haben wir lediglich nachvollzogen, was beim Publikum längst Gewohnheit und gängiger Sprachgebrauch war. »Gestern habe ich bei der Illner den Genscher gesehen ...«, sagen die Zuschauer und nicht: »Gestern habe ich bei Berlin Mitte ... gesehen«. Das ist wohl schlicht der Trend zur Personalisierung im Fernsehen.

Unsere Abkehr vom alten Titel sollte aber auch eine inhaltliche Entscheidung nachvollziehen, die wir schon vor Jahren getroffen haben (übrigens schon längst vor der Zeit der Großen Koalition): In unserer Sendung geht es nicht nur darum, was die politische Klasse bewegt. Wir wollen nicht in erster Linie diesen Quadratkilometer Berlin Mitte abbilden, wo sich die Politiker gegenseitig auf den Zehen stehen. In unseren Sendungen blieben die Damen und Herren ja auch schon lange nicht mehr unter sich. Oft stellen die Amts- und Mandatsträger gerade mal zwei von fünf Gästen.

Natürlich gab es auch kritische Kommentare. Wann gibt es die nicht, wenn jemand sich neu positioniert? Viel Spaß gemacht hat uns der »Zappende Zippert« in seiner WELT-Kolumne: Er warf die Frage auf, ob Menschen nun künftig von Kreuzberg (statt nach Berlin Mitte) nach Maybrit Illner umziehen würden? Und ob Ladenbesitzer ihre Geschäftslage jetzt mit »im Herzen von May­brit Illner« umschreiben sollten ...

Am meisten interessierte die Kollegen, warum wir uns verändern. »Um Anne Will etwas vor- oder um Frank Plasberg etwas nachzumachen?«, wurde ich in Interviews immer wieder gefragt. Weder noch! Wer seit 1999 mehr oder weniger regelmäßig bei »Berlin Mitte« reingeschaut hat, der weiß, dass wir an unserer Sendung und ihrem Format schon immer genauso hartnäckig, liebevoll und detailversessen basteln wie ein »Schrauber« an seinem tiefergelegten Auto. Wir haben über die Jahre getunt, Spoiler angeschraubt und umlackiert, damit unsere Sendung schöner, schneller und eleganter wird. Bei einem Fernsehformat ist es nämlich wie beim Auto: Man wartet mit dem Schrauben besser nicht, bis einen der Zuschauer-TÜV aus dem Verkehr zieht oder die Geschmackspolizei einem eine Mängelliste überreicht.

Klar, das Wichtigste an einer Talkshow sind und bleiben die Gäste, das Thema und die Fragen. Wir wollen keine gemütlich dahinplätschernde Plauderei, sondern eine spannende, lebendige Kontroverse. Um das zu schaffen, gibt es viele Möglichkeiten: Man kann Gesprächsgäste einzeln oder in einer Duell-Situation befragen, man kann mit Grafiktafeln erklären, mit Bildern oder Einspielfilmen provozieren, man kann Experten hinzuziehen, Zuschauerfragen aufgreifen usw. Diese Techniken, Mittel und Elemente sind ganz selbstverständlicher Teil des journalistischen Handwerks und als solche weder von einer Redaktion erfunden noch gepachtet. Einspielfilme in Gesprächssendungen gab es vor Frank Plasberg, und manches von dem, was bei uns gut funktioniert, wird möglicherweise Anne Will nutzen. Das ist doch normal. Über die Jahre hinweg haben wir – ohne die Grenzen des Talkformats zu sprengen und unsere Handschrift zu verlieren – unseren Werkzeugkasten immer besser bestückt. Damit – und nicht zuletzt auch mit den im März 2007 eingeführten Neuerungen – haben wir an Flexibilität gewonnen, uns mit der Zeit immer mehr Spielräume erschlossen. Dabei geht es natürlich nicht um Abwechslung als Selbstzweck, sondern darum, in jedem Fall das beste Mittel wählen zu können: um ein Problem deutlich zu machen, eine Frage zuzuspitzen, einem Gast Neues zu entlocken. Unterschiedliche Themen und unterschiedliche Gäste verlangen unterschiedliche Formen. Aber immer nach dem Motto: Der Inhalt regiert das Format, nicht andersherum. Da gilt die Forderung aus dem Hamlet: »Mehr Inhalt, weniger Kunst!«.

Indem wir uns immer wieder verändert haben, sind wir uns treu geblieben. Und »Berlin Mitte« ist zwar in den Iden des März zu »Maybrit Illner« mutiert, was aber nichts mit Cäsarenwahn zu tun hat. Ein TV-Format bleibt lebendig, wenn es sich entwickelt, im Fluss bleibt, nicht erstarrt. Das ist uns nicht von Anfang an klar gewesen. Immer wenn wir glaubten, wir hätten den Stein endlich nach oben gewuchtet, mussten wir wieder neu in die Hände spucken und drücken. Und weil uns dabei der Humor nicht abhanden gekommen ist, fällt es uns auch nicht schwer, uns Sisyphos als fröhlichen Menschen vorzustellen.
 
 
zum Seitenanfang   
 
Das Unternehmen Impressum Kontakt   Erweiterte Suche © ZDF 2008
zdf.de ZDFinfokanal ZDFdokukanal ZDFtheaterkanal arte 3sat phoenix kika