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Dietmar Timm

Podcasts, Blogs und die Generation iPod
Die Verwertung von Beiträgen des Deutschlandradios im Multimediabereich

 
Dietmar Timm
Dietmar Timm
 

Glaubt man den Veranstaltern der Frankfurter Hörfunkgespräche1, dann ist es um die Zukunft des Radios nicht gut bestellt. Internet-Streams, MP3-Player und Podcasts, heißt es auf ihrer Website, »machen dem Hörfunk immer mehr Konkurrenz«, und »gerade junge Hörer wenden sich ab«. Natürlich steckt hinter solchem Krisengerede eine unzulässige Verallgemeinerung, denn das Radio gibt es ebenso wenig wie den Hörer, die Zeitung oder den Leser. Es fragt sich also, von welchem Radio hier die Rede ist.

Dazu liefern jüngste Media-Analysen eindrucksvolle Antworten: Die vom Wort geprägten Angebote des nationalen Hörfunks mit seinen beiden Programmen Deutschlandfunk und Deutschlandradio Kultur verzeichnen unerwartet hohe Zugewinne – trotz der Konkurrenz durch iPod und Internet. In gleichem Maße schwächeln die öffentlich-rechtlichen Jugendradios. Die Gründe für den Akzeptanzverlust liegen auf der Hand: Die vom musikalischen Einheitsbrei gelangweilte Generation iPod lädt sich die Musik ihres individuellen Geschmacks aus dem Internet auf ihren MP3-Player. Sie ist ständig auf der Suche nach neuen, unverwechselbaren Inhalten und findet interessante Angebote offenbar eher im Qualitätsradio als im maingestreamten Dudelfunk.

Auch aus diesem Grund ist das Deutschlandradio gut beraten, neue digitale Techniken wie bisher aus einer Vorreiterrolle heraus für sich zu nutzen. Streams, Audio on Demand, Podcasts, Blogs und Multimedia, wie sie die Initiatoren der Frankfurter Hörfunkgespräche zu einer Renaissance des Radios empfehlen, sind keine Zukunftsmusik, sondern längst viel genutzte Angebote in unseren Programmen. Digitaltechnik ist darüber hinaus die Schlüsseltechnologie beim Aufbau zusätzlicher Vertriebskanäle: Abseits der analogen Ultrakurzwelle sowie der Mittel- und Langwelle zeigen DAB (Digital Audio Broadcasting), das darauf aufbauende Format DMB und digitales Satellitenradio, auf welch vielfältigen Wegen der Hörfunk heutzutage zum digitalen Empfänger kommt.

Auch das Internet spielt eine zunehmend wichtigere Rolle als Vertriebskanal. Mit der wachsenden Zahl an Breitband-Zugängen nimmt die Zahl derjenigen zu, denen das Web den Radioapparat ersetzt. Über eine halbe Million Mal wurden im Oktober 2006 die Live-Streams des Deutschlandradios angewählt. Manchem Hörer in Deutschland eröffnet das weltweit präsente Netz sogar erst die Möglichkeit, die beiden Programme Deutschlandfunk und Deutschlandradio Kultur zu empfangen, denn der Vertrieb über UKW ist dem nationalen Hörfunk vielerorts blockiert und die landesweite Versorgung der Hörer nicht gewährleistet.

Und was für Deutschland gilt, trifft andernorts erst recht zu: Das Angebot des Deutschlandradios im World Wide Web, berichten deutsche Studenten aus den USA, gehöre zu ihren wichtigsten Informationsquellen und helfe, den Kontakt in die Heimat aufrechtzuerhalten. Dies, so wird ausdrücklich betont, gelte sowohl für die angebotenen Texte oder Datenbanken mit Buchrezensionen wie auch für die Möglichkeit, an jedem PC das laufende Hörfunkprogramm mitzuhören. Und was die Audio-Qualität anbelangt, kann sich das Internetradio von Deutschlandfunk und Deutschlandradio Kultur dank hochkarätiger Kompressionsformate wie Ogg-Vorbis längst mit bester UKW-Qualität messen. Dass derlei von unseren Hörern geschätzt wird, beweist die durchschnittliche Besuchsdauer auf unseren Streaming-Servern. Derzeit liegt sie bei gut zweieinhalb Stunden.

Die Live-Streams sind allerdings nur ein Beispiel für die Verwertung von Beiträgen des nationalen Hörfunks im Multimediabereich. Viele Besucher der Website dradio.de finden im Internet, was ihnen das klassische Radio verwehrt: Sie hören ihre Lieblingssendung dann, wenn sie Zeit dazu haben. Oder sie stöbern, unterstützt von einer Audio-Suchmaschine, im reichhaltigen Angebot von über 90 weiteren Sendungen aus beiden Programmen. Täglich landen rund 100 neue Beiträge auf unseren Audio-on-Demand-Seiten und im Web-Archiv lagern weitere 15 000 – Spieldauer zwischen zwei und 70 Minuten.

Das sendezeitsouveräne Radio ist mittlerweile so beliebt, dass sich erste Spielarten herausbilden. Denn der multimedial gerüstete Hörer will sein Radioprogramm nicht nur vor dem Computer hören, sondern auch bei der Fahrt zur Arbeit, in der U-Bahn, beim Joggen im Wald oder im Urlaub am Strand. Mit Podcasts lassen sich solche Wünsche erfüllen. Das praktische Format passt auf tragbare MP3-Player und wird im kostenfreien Abonnement zugestellt. Auf diesem Weg gelangten im Oktober 2006 rund 1,1 Millionen Beiträge aus den Programmen des Deutschlandradios zu den Hörern.

Die ungewöhnlich große Nachfrage lässt sich unter anderem mit nüchternen Zahlen erklären. Rund 60 Podcasts – im öffentlich-rechtlichen Rundfunk bisher unerreicht – stehen derzeit zur Auswahl mit einer wöchentlichen Gesamtspielzeit von rund 57 Stunden. Gelegentliche Besucher der Webseiten von Deutschlandfunk und Deutschlandradio Kultur sind in der Regel erstaunt über die Vielfalt des Angebots und die immer noch wachsende Zahl an Abonnement-Angeboten.

Doch das Internet und der PC sind längst nicht mehr der einzige multimedial geprägte Vertriebskanal des Radios. Es geht auch ohne den Computer: Seit kurzem sind beide Programme des Deutschlandradios in erstklassiger Qualität per UMTS-Handy zu empfangen. Dabei kommt ein in das Ogg-Vorbis-Format gewandeltes Radiosignal zum Einsatz, das per GPRS (General Paket Radio Service) übertragen wird. Noch ist die Zahl der Nutzer gering, aber mit der Verfügbarkeit von Pauschalpreisen, sogenannten Flatrates, wird sich das schnell ändern.

Doch die Verbindung des klassischen Radios mit dem Multimediabereich ist längst nicht abgeschlossen. Die viel bemühten Schlagworte Web 2.0 und UGC (User Generated Content) deuten bereits das Spektrum der künftigen Entwicklungen an. Dass dadurch auch bisher ungewohnte Formen der Hörer-Partizipation möglich werden, zeigt das derzeit wohl spannendste Projekt im deutschsprachigen Radio: Blogspiel nennt sich ein neuer Sendeplatz im Deutschlandradio Kultur, der dem klassischen Radio über das intentional-kommunikative Medium Internet einen Rückkanal öffnet. Über die Website blogspiel.de können ambitionierte Hörer ihre selbst produzierten Audio­blogs veröffentlichen, Audio-Beiträge kommentieren und einen Wochengewinner wählen. Der jeweilige Siegerbeitrag wird angemessen honoriert und in der Sendung vorgestellt.

Die genannten Beispiele liefern die Belege dafür, dass das Deutschlandradio die neuen Techniken nicht als Konkurrenz begreift, sondern mit ihnen längst eng verbunden ist. Den Nutzen haben in jedem Fall die Hörerinnen und Hörer. Sie finden verlässliche und qualitativ hochwertige Inhalte vor und profitieren von zusätzlichen Multimediafunktionen.


1 Die Hörfunkgespräche fanden am 29. November 2006 statt, siehe http://www.gep.de/14_281.htm

 
 
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