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Michael Müller-Probst

dieGesellschafter.de
Die Zivilgesellschaft diskutiert

 
Michael Müller-Probst
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Nachdem in den vergangenen Jahren Staat und Wirtschaft die Diskussion um die Zukunft der Gesellschaft bestimmt haben, meldet sich seit Frühjahr 2006 die Zivilgesellschaft selbst eindrucksvoll zu Wort. Mehr als 45 000 Beiträge und Kommentare rund um die Frage »In was für einer Gesellschaft wollen wir leben?« wurden auf der Website dieGesellschafter.de bislang gesammelt. Hinter dem Projekt stehen die Aktion Mensch und zahlreiche Verbände und Organisationen – darunter das ZDF und die Wohlfahrtsverbände. Ziel des Projekts ist es, der Bevölkerung die Möglichkeit zu geben, sich die Diskussion um die Zukunft der Gesellschaft wieder anzueignen. Ein Förderprogramm der Aktion Mensch unterstützt im Rahmen des Gesellschafter-Projekts Initiativen für mehr Gerechtigkeit in der Gesellschaft.

In was für einer Gesellschaft wollen wir leben?
»Nicht die Frage, in was für einer Gesellschaft Menschen leben müssen oder sollen, bestimmt die Zukunft des Zusammenlebens in einer Demokratie, sondern die Frage, in was für einer Gesellschaft sie gemeinsam leben wollen«, erklärte Intendant Markus Schächter, Vorsitzender der Aktion Mensch, auf der Pressekonferenz zum Start des Projekts. Dieser Perspektivwechsel löst große Diskussionen aus. Die sehr gute Resonanz auf das Internetangebot http://diegesellschafter.de – mehr als 700 000 Besucher seit dem Projektstart – zeigt: Es gibt ein großes Bedürfnis in der Bevölkerung, sich öffentlich über sozialpolitische Themen und die Weiterentwicklung des Gemeinwesens auszutauschen. Von einem »regelrechten Diskussionsstau« spricht Dr. Bernhard Conrads, Geschäftsführer der Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung und Mitglied im Vorstand der Aktion Mensch. Die bis jetzt gesammelten mehr als 45 000 Beiträge und Kommentare beantworten die Frage »In was für einer Gesellschaft wollen wir leben?« mit poetischen, utopischen, politischen und sozialen Visionen; daneben wird in Themenforen kontrovers über politische Konzepte und gesellschaftliche Werte gestritten. Besonders heftig diskutiert wird in den Foren »Gesellschaft & Gesellschaftskonzepte« mit mehr als 3 700 Beiträgen, »Zuwanderung & Zusammenleben« (2 800), Bildung (1 700) und Armut (1 600 Beiträge). »In diesen Foren spiegeln sich idealtypisch die politisch und medial ausgetragenen Differenzen in der Gesellschaft«, resümiert Heike Zirden, Bereichsleiterin für Öffentlichkeitsarbeit und Aufklärung bei der Aktion Mensch. Um eine möglichst gute Diskussion zu ermöglichen, werden die Foren von einem zwölfköpfigen Moderatorenteam beobachtet, das die Einhaltung der Diskussionsregeln überwacht. Beleidigende, diskriminierende und fremdenfeindliche Beiträge werden ebenso depubliziert wie kommerzielle und werbliche Anliegen. »Wir bieten den Besucherinnen und Besuchern ein offenes Gesprächs- und Meinungsforum, in dem gleichwohl die Grundregeln gelungener Kommunikation eingehalten werden.

Dies wird von vielen Teilnehmern sehr positiv bewertet«, so Zirden. Ausgedruckt ergäben alle 45 000 Beiträge und Kommentare einen Text von mehr als 7 000 Buchseiten. Einen kleinen Ausschnitt aus den Diskussionen dokumentiert die regelmäßig erscheinende Gesellschafter-Zeitung, die kostenlos in Büchereien, Volkshochschulen, soziokulturellen Zentren etc. ausliegt. Die Zeitung mit einer Auflage von 200 000 Exemplaren soll auch den Interessenten eine Einbindung in das Projekt ermöglichen, die keinen Zugang zum Internet haben. Einen umfangreicheren und tieferen Einblick in gesellschaftliche Visionen und Utopien wird ein Buch geben, das im Frühjahr 2007 publiziert und an Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft übergeben wird.

Ehrenamt mit zehn Millionen Euro fördern
Die Frage »In was für einer Gesellschaft wollen wir leben?« braucht auch praktische Antworten der Zivilgesellschaft. Deshalb unterstützt die Aktion Mensch im Rahmen des Projekts neue Initiativen für mehr Gerechtigkeit in der Gesellschaft mit jeweils bis zu 4 000 Euro. Die Aktion Mensch möchte mit diesem Programm vor allem Projekte und Ideen von Menschen fördern, die sich unter dem Dach eines gemeinnützigen Trägers freiwillig oder ehrenamtlich engagieren. Insgesamt stehen dafür in diesem Jahr zehn Millionen Euro zur Verfügung. Der Zugang zu den Mitteln ist unbürokratisch: Anträge können auf der Gesellschafter-Website online ausgefüllt werden. Mehrere hundert Projekte konnte das Kuratorium bereits bewilligen, darunter viele Initiativen aus dem Bereich der Kinder- und Jugendarbeit, etwa ein Jugendkunstprojekt für Jugendliche aus Brandenburg, Polen und Dänemark, oder eine Patenschaftsvermittlung, die Jugendliche mit Menschen mit Berufserfahrung zusammenbringt, um die Jugendlichen bei ihrem Weg in die Arbeitswelt zu unterstützen. Aber auch für breitere Gruppen der Gesellschaft gibt es zahlreiche Projektideen, beispielsweise die Gestaltung einer Badestelle des Gemeindesees oder ein Welcome-Service-Guide für neu hinzugezogene Migrantenfamilien. Beispielhafte Projekte werden auf der Gesellschafter-Website und in Anzeigen vorgestellt.

Für Menschen, die kein eigenes Projekt starten, sondern sich in bestehenden Organisationen, Einrichtungen und Initiativen engagieren möchten, steht unter dieGesellschafter.de darüber hinaus eine Datenbank mit über 2 000 Adressen bereit. Sie dient als Schwarzes Brett, um Projekte und Interessenten zusammenzubringen, und wird kontinuierlich ausgebaut. Hier kann sich jeder mittels einer Postleitzahlensuche über Angebote in seiner unmittelbaren Umgebung informieren.

Herkunft = Zukunft?
Das Meinungsforschungsinstitut forsa ermittelte bereits kurz nach Projektstart, dass jedem fünften Bundesbürger die mit dem Gesellschafter-Projekt verbundene Frage »In was für einer Gesellschaft wollen wir leben?« auf Plakaten, in Anzeigen oder in Fernsehspots aufgefallen war. Im Frühsommer startete eine zweite Plakatserie, die für sozialpolitische Themen mit Hilfe von Gleichungen wie »Herkunft = Zukunft?« sensibilisiert. Fluchtpunkt dieser Fragen, für die jeweils ein Wohlfahrtsverband mit als Absender zeichnet, ist wiederum die Frage »In was für einer Gesellschaft wollen wir leben?«.

Gemeinsam mit Wohlfahrtsverbänden, Eltern-, Sozial- und Selbsthilfeorganisationen sowie Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) wird es auch in den kommenden Monaten weitere Aktionen geben, darunter Wettbewerbe wie »Utopia, die Gesellschaft von morgen« (gemeinsam mit dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels und der Stiftung Lesen), »Echt arm? Perspektiven auf das Thema Armut« (gemeinsam mit dem Paritätischen Wohlfahrtsverband), »Ungewöhnliche Freundschaftsgeschichten« (gemeinsam mit dem Caritasverband). Außerdem beginnen ab Herbst in über 70 Städten Filmfestivals zu den Themen Arbeit, Wirtschaft und Globalisierung.

Um eine möglichst große Anzahl von »Gesellschaftern« ansprechen zu können und einen breiten Austausch der Meinungen zu ermöglichen, wird die Aktion Mensch das Projekt »In was für einer Gesellschaft wollen wir leben?« voraussichtlich auch im Jahr 2007 fortführen.
Abschließend folgt eine kleine Auswahl von Diskussionsbeiträgen und Kommentaren, die auf der Website dieGesellschafter.de gesammelt wurden:

»In einer Gesellschaft ohne Börse, Banken, Zinsen und soziale Unterschiede ... Ein Traum?«
G. G., 17.3.2006

»Ich möchte in einer Gesellschaft leben, die nach ihrem Grundgesetz lebt. Deren höchstes Bildungsziel Freiheit und Selbstentfaltung ist. (...)«
Lutz Naumann, 18.3.2006

»Ich möchte dort leben, wo Menschen Musik auf Parkplätzen machen und Passanten einladen. Dort, wo man Häuser bunt anstreichen darf, ohne tausend Genehmigungen einzuholen. Dort, wo nachts das Leben auf den Straßen tobt. Und nicht im Fernsehen.« K. H., 18.3.2006

»Ich möchte in einer Gesellschaft leben, in der ich ohne Ängste mit einer ausländischen Partnerin leben kann. Ich möchte in einer Gesellschaft leben, in der meine adoptierten Kinder später auch ohne einen Abiturabschluss von mindestens 1,5 einen Ausbildungsplatz bekommen. In der ich wieder Arbeit finden kann, ohne erst im Ausland suchen zu müssen. (...)«
P. H., 18.3.2006

»Ich will in einer Gesellschaft leben, in der Toleranz nicht nur ein hohles Schlagwort ist.«
D. K., 19.3.2006

»(...) in einer Gesellschaft, die aktiv, behindertengerecht, charakteristisch, dynamisch, erlebnisreich, friedvoll, gottgerecht, harmonisch, interessant, junggeblieben, kompromissbereit, lustig, musikalisch, natürlich, offen, produktiv, quicklebendig, respektvoll, sinnvoll, tolerant, übereinstimmend, verträumt, wunderbar, xenophil, yin, zukunftsweisend ist, wird oder bleibt!«
D. A., 21.4.2006

»In einer fehlertoleranten Gesellschaft. Einer Gesellschaft, in der Menschen die Fehler anderer Menschen erkennen, benennen, gegebenenfalls korrigieren und dann erklären. Einer Gesellschaft, in der man so nicht nur von einem Lehrer oder Dozenten lernt, sondern von jedem seiner Mitmenschen. Einer Gesellschaft, die auf diese Art Gelerntes auch anerkennt.«
B. B., 27.6.2006

 
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