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2006  
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Susanne Kayser/Katharina Kuchenbuch

»Ich glaube, der ist auch wirklich so«
Zur Qualitativen Fernsehforschung im ZDF

 
Susanne Kayser
Susanne Kayser


Katharina Kuchenbuch
Katharina Kuchenbuch
 

Denkt man über die Fernsehforschung eines großen Senders wie des ZDF nach, fallen einem spontan die täglich ermittelten Quoten und die zahlreichen damit zusammenhängenden Analysen beispielsweise zu Zielgruppen, Sendungsverläufen und Gegenprogrammen ein. Auch die Ergebnisse der Repräsentativbefragungen sind in der Öffentlichkeit vergleichsweise bekannt. So werden Zuschauer zum Beispiel nach wichtigen politischen und gesellschaftlichen Ereignissen wie Bundestags- oder Landtagswahlen oder der Fußball-WM nach ihrem Urteil zur TV-Berichterstattung gefragt. Auch das Image der Fernsehsender, die Bekanntheit und Beliebtheit von Fernsehsendungen oder die Onlinenutzung werden regelmäßig auf repräsentativer Basis untersucht.

Neben den Quotenerhebungen und den Repräsen­tativbefragungen sind die Resultate aus der Qualitativen Forschung eine dritte, nicht so bekannte Säule im Portfolio der Medienforschung. Hier kommen vielfältige qualitative Forschungsmethoden zum Einsatz, um das Verhalten von Zuschauern besser verstehen und erklären zu können. Im Unterschied zu den Quoten und einem Teil der repräsentativ erhobenen Befragungsergebnisse werden die mittels Qualitativer Studien ermittelten Ergebnisse im Regelfall nicht veröffentlicht, sondern dienen dazu, den Programm-Machern ein intensives Feedback der Zuschauer zu ihren Programmen mit den jeweiligen Stärken, Schwächen und Wirkungen zu geben und das ZDF-Angebot damit näher an sein Publikum zu bringen.

So werden im ZDF mithilfe verschiedener Methoden wie Gruppendiskussionen, Einzelinterviews oder Kreativworkshops jährlich etwa 50 Formate untersucht. Zusätzlich werden übergeordnete Fragestellungen zu Zeitschienen wie dem Vorabend, zu Sendeleisten wie der 18-Uhr-Leiste oder zu Events wie der Fußball-WM mithilfe Qualitativer Forschung beantwortet. Dabei werden im Rahmen von Sendungstests nicht nur bereits in der Ausstrahlung befindliche Sendungen untersucht, sondern es wird auch der Produktionsprozess neuer Formate forscherisch begleitet. So können bereits schriftliche Konzepte, Drehbücher, bildliches Rohmaterial oder Piloten mit Testzuschauern diskutiert werden. Damit können Hinweise für die Weiterentwicklung neuer Formate – zum Beispiel im Hinblick auf das Rollengefüge einer neuen Serie oder das Spielregelwerk einer neuen Show – generiert werden. Auch die Wahl des geeigneten Moderators oder des richtigen Sendungstitels kann die Medienforschung mithilfe von Casting- beziehungsweise Titeltests unterstützen.

Im Unterschied zu quantitativen Repräsentativbefragungen ist die Zahl der befragten Zuschauer bei Qualitativen Untersuchungen deutlich kleiner. So werden in der Regel insgesamt zwischen 40 und 80 Zuschauer befragt, dafür jedoch deutlich ausführlicher und tiefgehender. So wird beispielsweise bei Gruppendiskussionen mit jeweils etwa zehn Testzuschauern ein zwei bis drei Stunden langes, intensives Gespräch über die Einstellungen, Erfahrungen und Einschätzungen zur jeweiligen Sendung beziehungsweise Thematik geführt. Noch tiefgehender können Assoziationen, Emotionen und Meinungen im Rahmen von Einzelinterviews erhoben werden, bei denen ein Moderator sich ganz auf die Ausführungen eines einzelnen Befragten einlassen kann. Unabhängig vom konkreten methodischen Vorgehen sind die für das untersuchte Format zuständigen Redaktionen kontinuierlich in den Forschungsprozess eingebunden, bringen ihre Fragestellungen ein und haben die Möglichkeit, beobachtend an den Befragungen teilzunehmen, sodass sie sich einen unmittelbaren Eindruck von den Reaktionen der Zuschauer auf ihr Format machen können. Angesichts der vergleichsweise kleinen Zahl von Personen, die im Rahmen dieser Untersuchungen befragt werden, ist klar, dass Qualitative Forschung keine im statistischen Sinne repräsentativen Ergebnisse generiert. Bei Qualitativen Untersuchungen ist in erster Linie wichtig, Dinge zu verstehen, das Verhalten von Zuschauern also nicht bloß abzubilden, sondern zu erklären. Es geht entsprechend nicht darum, wie viel Prozent aller Zuschauer ein Format gut finden, sondern zu ermitteln, warum eine Sendung gefällt. Es wird nicht in die Breite, sondern in die Tiefe geforscht. So sollen Stärken und Schwächen eruiert werden, um auf dieser Basis zentrale Empfehlungen, beispielsweise für die weitere Produktion eines Formats, geben zu können. Entsprechend geht es bei Qualitativen Untersuchungen nicht um statistische, sondern um – wie wir sagen – »psychologische Repräsentativität«. So interessiert bei einem Moderator an dieser Stelle nicht, die genaue Zahl seiner Fans und Ablehner zu erheben, sondern seine zentralen Wahrnehmungsdimensionen zu ermitteln und zu verstehen.

So wurde beispielsweise durch Qualitative Studien zu Thomas Gottschalk und »Wetten, dass ..?« ermittelt, dass die Faszination des Moderators aus Zuschauersicht zustande kommt, weil es ihm gelingt, einerseits ein schillernder Showmensch und Entertainer zu sein, der mit den internationalen Größen auf Augenhöhe agiert, andererseits aber als normal und bodenständig gebliebener Lausbub rüberzukommen, der dem Zuschauer sehr nah ist. So gewinnen Zuschauer, obwohl sie vergleichsweise wenig Privates von ihm wissen, den Eindruck, dass Thomas Gottschalk ganz und gar authentisch auftritt und vermuten, dass der Privatmensch Gottschalk der öffentlichen Figur Gottschalk ganz ähnlich ist. Entsprechend äußerten Zuschauer im Rahmen von Gruppendiskussionen Vermutungen wie: »Ich glaube, der ist wirklich so« oder »Zugleich ist er auch immer noch der nette Junge, der zu seiner Herkunft steht«. Nur durch diesen gelungenen Spagat zwischen der schillernden und begehrlichen Promi-Welt und der gleichzeitig vermittelten Bodenständigkeit und Vertrautheit, fühlt sich der Zuschauer Thomas Gottschalk so nah und lässt sich gerne von ihm in die Welt der Stars und Sternchen mitnehmen. Darin liegt die Besonderheit von Thomas Gottschalk, die ihn von allen anderen Fernsehmoderatoren in Deutschland unterscheidet. Damit erweist sich Thomas Gottschalk für das ZDF als ausgesprochen wichtiger und gewinnbringender Protagonist, der positive ZDF-Image-Faktoren wie Harmonie, Sympathie und Verlässlichkeit auf der einen Seite verkörpert, gleichzeitig aber auch Dimensionen wie Innovation, Modernität und Exklusivität mitbringt.

Generell ist uns der Wert des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für die Zuschauer ein zentrales Anliegen. Dabei ist das Urteil der Zuschauer über unsere Angebote für unsere Arbeit ein wichtiger Maßstab. Aus diesem Grund setzen wir uns differenziert mit der Akzeptanz unserer Angebote auseinander. So findet anhand der Zuschauerbefragungen ein Abgleich mit dem professionellen Urteil der Fernsehschaffenden und den im Programmauftrag und in der Selbstverpflichtungserklärung formulierten Zielen des ZDF statt. Entsprechend gehen die Ergebnisse aus der Zuschauerforschung dann in die Programmentwicklung ein. Dabei reichen die Konsequenzen der erarbeiteten Forschungsergebnisse von allgemeineren strategischen Entscheidungen wie der Stärkung gewisser Genres oder der Platzierung von Formaten zu bestimmten Zeitschienen über Entscheidungen für oder gegen einzelne Sendungen bis hin zu zahlreichen sendungsrelevanten Fragestellungen wie der Entwicklung von Rollen in Serien, der Themenwahl bei Magazinen oder dem Styling des Moderators.

 
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