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2005  
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Markus Schächter

In der Spur bleiben ...
2005 – Markstein auf dem Weg zum erfolgreichen Qualitätsfernsehen

 
Markus Schächter
Markus Schächter
 
 

2005 ist dem ZDF ein besonderer Spagat gelungen: Es hat sein Qualitätsangebot ausgebaut und ist gleichzeitig Marktführer geworden – erstmals in der Geschichte der GfK-Forschung. Es ist nach Profil und Akzeptanz die führende Programm-Marke und die erste Adresse für erfolgreiches Qualitätsfernsehen. Dass die ARD kurz vor Jahresende noch zum ZDF aufgeschlossen hat, schmälert nicht den Programmerfolg, sondern unterstreicht die Stärke des öffentlich-rechtlichen Systems insgesamt: Selten sind in einem Programmjahr die Unterschiede zwischen öffentlich-rechtlichem Qualitätsfernsehen und kommerziellen Konkurrenzangeboten so deutlich zu Tage getreten wie 2005.

Die Deutlichkeit war natürlich auch das Ergebnis unvorhersehbarer Großereignisse in Politik, Kirche und Umwelt. Sie haben das Fernsehjahr zu einer extremen publizistischen Herausforderung gemacht. Mit »spezials« zu rund 50 tagesaktuellen Ereignissen hat das ZDF dabei eine ereignisnahe Flexibilität und sachgerechte Professionalität bewiesen: bei der Tsunami-Katastrophe in Südostasien und dem Hurrikan in Mittelamerika; bei Geiselnahmen im Irak und Terroranschlägen in London; beim Tod des Papstes aus Polen und bei der Wahl des neuen Papstes aus Deutschland; beim ersten Misstrauensvotum seit fast einem Vierteljahrhundert ebenso wie bei der Wahl der ersten Bundeskanzlerin in der deutschen Geschichte; oder bei einem eher kleinen, aber sehr bedeutenden Ereignis: der symbolträchtigen Weihe der wieder aufgebauten Frauenkirche in Dresden.

Tagesaktuelle Kurzfristigkeit in den Nachrichten und im Sonderprogramm ergänzender »spezials« wird erst zur vollen Information durch strukturelle Nachhaltigkeit im übrigen Regelprogramm. Beides zusammen steht für ein publizistisch sowohl ausdifferenziertes wie auch umfassendes Profil: Mit dem umfangreichsten Informationsvolumen seiner Programmgeschichte ist das ZDF 2005 zum führenden Informationssender geworden. Jede zweite Sendeminute galt der politischen oder kulturellen Information. Die Akzeptanz dieser Programmpolitik bei den Zuschauern bestätigt, dass sich das ZDF auf dem richtigen Weg befindet: Das »heute-journal« war das meistgesehene Nachrichtenmagazin des deutschen Fernsehens, »Frontal 21« das erfolgreichste politische Magazin, »Berlin Mitte« war Meinungsführer unter den politischen Gesprächssendungen, und »Berlin direkt« am Sonntag hat seine führende Position gegen konkurrierende Programmierungen behauptet.

Auf der breiten Basis des Informationsprogramms baut sich das übrige Programm in seiner Vielfalt und Vielschichtigkeit auf: Als »Fernsehen für alle« bietet das ZDF-Programm eine ausgewogene Kombination aus Fakten und Fiktion, Realität und Romantik, Wirklichkeit und Phantasie, Ratio und Emotio, Spannung und Spaß, Ernst und Spiel, aus »heute« und Montagskino, »ZDF.reporter« und »Ermittler«, »Berlin Mitte« und »Winterwunderland«, »Frontal 21« und »37°«, »logo!« und »SOKO«, »Bublath« und »Kerner«. Aus der umfangreichen Palette der Programmfarben ergibt sich ein buntes und rundes »mixtum compositum«. Seine Gesamtanmutung hat die Zuschauer – bei Umfragen im Herbst 2005 – veranlasst, das ZDF als den »kompetentesten« und zugleich »sympathischsten« Sender zu bewerten: als eine hoch geschätzte und gern gesehene Dachmarke, unter der eine facettenreiche Vielfalt herausragender Markenprogramme Platz hat. Ihre Mischung und Platzierung hat gestimmt, sie war ebenso durchkomponiert wie profiliert.

Profil in einem Vollprogramm für alle gewinnt man nicht zuletzt durch Schwerpunkte und Akzente. Das ZDF hat sein Programmprofil im Jahr 2005 mit drei Königsdisziplinen entsprechend weiter geschärft. Die drei Könige heißen Information, Dokumentation und Fiktion. Sie betreffen drei unterschiedliche Zugangsweisen zur Wirklichkeit: den tagesaktuellen, den geschichtlichen und den narrativen Zugang.

1. Die immer breiter aufgestellten Informationssendungen rund um die »heute«-Familie stehen für die hoch qualifizierte und dann auch hoch akzeptierte Nachrichten- und Hintergrundkompetenz des ZDF als zentrale Informationsquelle. Dabei wird die Kernkompetenz im Bereich der aktuellen Information künftig weiter optimiert: Die Sprache wird noch klarer, die Kommentare noch verständlicher, die grafische Gestaltung noch durchsichtiger. Ziel ist, dem Zuschauer durch eine transparente Umsetzung des Weltgeschehens eine immer komplexere und deutlich kompliziertere Wirklichkeit noch fassbarer zu erklären und ihm dadurch noch hilfreicher zu sein beim Finden seiner eigenen Orientierung. Äußeres Anzeichen dieser unverrückbaren programmlichen Priorität wird 2006 der Bau eines neuen Nachrichtenstudios als größte und wichtigste Einzelinvestition der laufenden Gebührenperiode sein.
 
2. Im Bereich der Kultur-, Politik- und Geschichtsdokumentationen verfügt kein anderer europäischer Vollprogramm-Sender über so viele und vielfältige Dokumentationsreihen wie das ZDF. So ist das ZDF auch in New York anlässlich der Emmy-Verleihung 2005 – neben der BBC – als der weltweit wichtigste Doku-Produzent und Doku-Sender etikettiert worden. Mit rund neun Prozent des Gesamtprogramms beansprucht der Dokumentationsanteil mehr Sendezeit als der Sport. Dies gilt nach dem Nicht-Sportjahr 2005 selbst für das Super-Sportjahr 2006. Unterscheidend und herausragend kommt hinzu, dass die Hochglanz-Dokumentationen in Premium-Qualität ihre Sendeplätze im wichtigsten Schaufenster der Hauptsendezeit finden und damit einer breiten Zuschauernachfrage entgegenkommen.
 
3. Auch im Bereich des fiktionalen Erzählfernsehens, von Fernsehspielen bis zu Mehrteilern, ist das ZDF führend und wird seine Führung weiter ausbauen: In das repertoirefähige Programm, das die Wirklichkeit erzählend vermittelt oder sie phantasievoll aufschließt, wird nach einer finanziellen Durststrecke künftig wieder mehr investiert. Mit einer großen Zahl glanzvoller Fernsehfilme meldet sich das ZDF 2006 im Wettbewerb qualitätsvoller Auffälligkeiten zurück. Es leistet darin seinen Beitrag zu einer zeitgemäßen, zeitkritischen, aber auch erfindungsreichen Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit in Geschichte und Gegenwart. Es kann damit zu einer Vergewisserung des Gestern und zu einer Standortbestimmung im Heute beitragen und so auch die Voraussetzung schaffen zu einer Orientierung für die Zukunft.

Es waren diese drei Mastergenres, die 2005 in der Akzeptanz am meisten zugelegt haben, sodass sich einmal mehr bewahrheitet: Qualität macht sich auf Dauer bezahlt. An ihr wird daher in kontinuierlicher Formatarbeit ständig weiter gefeilt, wie die neue Qualitätsoffensive des ZDF mit gezielten Investitionen in den Kernbereichen des Programms unterstreicht: Der Sender wird sich nicht auf seinem Programmerfolg des Jahres 2005 ausruhen, sondern wird auch und gerade im Super-Sportjahr 2006 seine Programm-Marken weiter ausbauen. Er wird in seine Kerngenres die größte Erfahrung, die gewissenhafteste Sorgfalt, das kreativste Engagement und nicht zuletzt auch das meiste Geld investieren. Kurz: Die Grundlinie bleibt. Das ZDF wird konsequent auf seiner Spur eines erfolgsorientierten Qualitäts- und Profilfernsehens bleiben.

Und die Spur zeigt nach vorne: Während im Dokumentationsbereich aus nahe liegenden historischen Gründen der bisherige Schwerpunkt eher in der Vergangenheit lag, schauen neue Dokumentationsansätze in die Zukunft. Das ZDF wird diese Blickwendung oder Blickergänzung 2006 mit zwei Dokumentationsreihen beginnen, die man – fast paradox – als »Zukunftsdokus« bezeichnen kann: Die eine betrachtet prospektiv, nicht spekulativ, jene Zeitzone ab dem Jahr 2030, in der die bisherigen demografischen Vorhersagen der 90er Jahre enden, und versucht eine neue, realitätsnahe Skizzierung des Szenarios unserer dann weiter gealterten Gesellschaft; die andere Reihe blickt sogar ein halbes Jahrhundert nach vorne ins Jahr 2056 und fragt, wie nach Meinung führender Forscher unsere Welt auf der Grundlage von heute wohl mittelfristig aussehen wird. Die bevorzugte Behandlung und auffällige Platzierung solcher Produktionen sind Beispiele und Belege konzeptioneller Prioritäten. Dass das ZDF dafür nicht nur hochkarätige Kooperationspartner, sondern auch immer wieder neue internationale Anerkennung findet, belegt obendrein, wie sehr der eingeschlagene Weg auch in internationaler Perspektive in die richtige Richtung weist. Und durch den Ausbau des breiten Koproduktionsnetzes stimmt auch die Ökonomie der Produktion.

Als nationaler Sender behandelt das ZDF in seinen Produktionen sowohl die spezifische Frage, was unsere plurale Gesellschaft im Innersten zusammenhält, als auch die perspektivische Frage, wie sich die heutige Gesellschaft weiter entwickeln wird. Welche Antworten oder Anstöße kann man dabei dem Zuschauer durch das Aufzeigen verschiedener Lebensmodelle, durch das Darstellen vielschichtiger Weltbilder geben, um sich in der modernen Lebenswirklichkeit besser zurechtzufinden? Orientierung ist in dieser immer komplexeren Lebenswelt der Zuschauer die oberste Aufgabe des gemeinwohlorientierten Qualitätsfernsehens. Leuchtturm oder Kompass zu sein in einer immer schwerer überschaubaren Welt, ist seine oberste Funktion. Ohne Orientierung des Einzelnen bleibt auch die Gesellschaft auf der Strecke. Damit wird Information auch zu einem substanziellen demokratischen Wert. Ihre vorrangige Behandlung ist Teil jenes Eigen- und Mehrwertes, den das öffentlich-rechtliche Fernsehen substanziell unterscheidet.

Hauptdiskussionspunkt im Bundestagswahlkampf 2005 war die mögliche Erhöhung der Mehrwertsteuer. Im Zuge der anhaltenden Diskussion gingen Ende des Jahres Gewerkschafter auf die Straße mit Transparenten: »Wir sind Mehr-wert!« oder – anders geschrieben – »Wir sind mehr wert!!« Vor diesem gesellschaftlichen Hintergrund und vor der Folie eines kommerziellen Trash-Fernsehens muss sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk immer wieder von Neuem fragen, was ihm die Gesellschaft wert ist und wie er diesem Gesellschaftswert in seinem Programm und darüber hinaus in seinem sozialen Engagement gerecht werden kann.

Auch eine Gesellschaft ist ein »mixtum compositum«, eine zunächst wenig strukturierte, ständig wechselnde Zusammensetzung unterschiedlichster Charaktere, Typen, Menschen, Gruppen, Verbände oder Parteien. Die Vielfalt eines ganzheitlichen Programmkonzepts für jeden und alle soll dazu beitragen, die zunehmend fragmentierte Gesellschaft nach Kräften und Möglichkeiten zusammenzuhalten. Dabei müssen sowohl markante Unterschiede als auch offene Gegensätze vermittelt werden: nicht nur sozialpolitisch der Gegensatz zwischen der »öffentlichen Sache« des Staates und der Privatsache des Einzelnen, nicht nur ökonomisch der Unterschied zwischen kommerziellen und sozialen Werten und nicht nur kulturell die Kluft zwischen Informierten und Uninteressierten; es geht in unseren Tagen zunehmend auch mental um die Spannung zwischen Resignation und Bürger-Courage und demografisch um den sich zuspitzenden Konflikt zwischen Alt und Jung.

Die großen Vermittlungsziele sind für ein gemeinwohlorientiertes Programmunternehmen durch immer wieder neue Umsetzung von ihrer hohen Abstraktionsebene herunterzubrechen auf den Boden gesellschaftlicher Wirklichkeit. Ein konkreter Ansatz war 2005 die konzeptionelle Annäherung an den wachsenden Generationenkonflikt: Die schwerpunktmäßige Hinwendung des ZDF zur »aktiven Mitte« der Gesellschaft ist keine Erfindung einer neuen, exklusiven Zielgruppe; sie gilt jenem Scharnier zwischen Alt und Jung, jener vermittelnden Bevölkerungsgruppe, von der die entscheidenden Impulse für die Zukunft am ehesten zu erwarten sind.

Alle programmkonzeptionellen Überlegungen zum Gelingen unserer Welt von morgen sind allerdings null und nichtig, wenn die organisatorischen Rahmenbedingungen nicht stimmen, sowohl wirtschaftlich wie auch technologisch: Wirtschaftlich zeigte sich das ZDF im Jahr 2005 durch erfolgreiche innere Reformen und Fusionen schlanker und effizienter denn je. Es ist dabei zum ersten Mal seit 1992 schuldenfrei. Gelder, die nun nicht mehr zur Schuldentilgung aufgewendet werden müssen, können künftig im Sinne des eigentlichen Unternehmensziels in weitere Programmprofilierung investiert werden.

Technologisch muss das ZDF in einer multimedialen Welt alle Möglichkeiten haben und behalten, seine Zuschauer auch auf allen Plattformen und an allen Endgeräten zu erreichen. Dies gilt zur Vermeidung eines Generationenabrisses insbesondere für die jüngere Generation, die eine größere Affinität zu technischen Neuerungen besitzt und unter ganz anderen technischen Bedingungen heranwächst. Wenn im Jahr 2006 mit der Fußball-Weltmeisterschaft im eigenen Lande das Tor zur digitalen Welt, insbesondere zur mobilen Fernsehwelt, endgültig aufgestoßen wird, muss dieses Tor auch für ARD und ZDF offenstehen. Fernsehen wird in einer zweiten Welle der Digitalisierung künftig mit rasanter Zunahme über Handy-, Mobil- und Portable-TV zum Unterwegs-Fernsehen. Wo der Zuschauer hingeht, muss das Fernsehen mitgehen, ja, es muss im Grunde vorausgehen. Öffentlich-rechtliches Fernsehen ist Wegbereiter und muss weiterhin Wegbegleiter in die digitale Medienzukunft bleiben. Nur so kann der Leuchtturm in der Flut der digitalen Programminflation für eine breite Mediengesellschaft sichtbar bleiben.

Für seine Wegbegleitung muss das ZDF weiter auf seiner eigenen Spur bleiben, ohne stehen zu bleiben. Auch wenn die Gesellschaft sich verändert, der Wettbewerb sich ausweitet und die Technologie sich revolutionär überschlägt, muss das ZDF für seine Zuschauer eine verlässliche Richtgröße bleiben: in Augenhöhe mit dem Zuschauer und auf der sowohl technischen wie programmlichen Höhe der Zeit. Das ZDF will ein Sender sein, der das Leben der Zuschauer mit wissenswerten, aber auch unterhaltsamen Programmen zugleich abbildet und bereichert; ein Sender, der die rationalen und emotionalen Bedürfnisse mit einem vielfältigen und ausgewogenen Programmangebot ernst nimmt; ein Sender, der ein Forum für einen offenen Interessen- und Meinungsaustausch bietet; ein Sender, der in einer hochkomplexen Wirklichkeit dem Zuschauer mit jenen Informationen weiterhilft, die für ihn und seine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben hilfreich sind; ein Sender, der mit alledem für Mensch und Gesellschaft einen spürbaren Mehrwert darstellt. Kurz: ein Public Service mit einem Public Value.

In dieser gesamtgesellschaftlichen Ausrichtung ist Marktführerschaft nicht das primäre Ziel, sondern ein willkommenes Mittel zum Zweck. Hauptziel aber ist eine recht verstandene Meinungsführung: keine Führung im Sinne fixer Schienen, sondern in der Weise von Leitplanken, die genügend eigene Bewegungsfreiheit lassen. Insofern bleibt Fernsehen, das kraft seiner Bilder nach wie vor das wirkmächtigste und damit auch emotionalste Medium ist, auch in einer immer breiteren Medienvielfalt publizistisch ein »Leitmedium«. Entsprechend groß ist seine gesellschaftliche Verantwortung. Ähnlich groß ist damit aber auch seine Chance, in einer krisenhaften Lage der Nation Angebote für den anstehenden gesellschaftlichen Wandel, für notwendige Um- und Neuorientierungen zu machen. Dies wäre sein angemessener Beitrag, dass auch unsere Gesellschaft ihre Spur ins Jahr 2050 – und darüber hinaus – findet und behält.
 
 
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