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Carl Eugen Eberle

Die Gebührenfestsetzung im Lichte von Verfassungs- und Beihilferecht
Zum ZDF-Vorschlag für ein neues Gebührenfestsetzungsverfahren

 
Carl-Eugen Eberle
Carl-Eugen Eberle
 
 

Die Neufestsetzung der Rundfunkgebühren im Neunten Rundfunkänderungsstaatsvertrag ist erstmals niedriger erfolgt als dies die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) vorgeschlagen hatte. Ob dabei die Verfahrensvorgaben eingehalten worden sind, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Gebührenurteil vom 22. Februar 1994 unmittelbar aus dem Grundgesetz abgeleitet hat, ist außerordentlich umstritten. Um insoweit für die Zukunft Rechtssicherheit zu schaffen, hat das ZDF einen Vorschlag zur Optimierung des Verfahrens zur Festsetzung der Rundfunkgebühren unterbreitet, dem sich die nachfolgenden Ausführungen zuwenden.

1. Vorgaben aus dem Verfassungsrecht und aus dem Beihilferecht
Die Ausgestaltung des Verfahrens zur Festsetzung der Rundfunkgebühren muss Vorgaben aus dem deutschen Verfassungsrecht ebenso wie solche aus dem europäischen Beihilferecht beachten.

Das Grundgesetz verlangt eine funktionsgerechte Finanzierung der Rundfunkanstalten und gleichzeitig eine staatsferne Ausgestaltung des Verfahrens zur Gebührenfestsetzung.
Das für den Rundfunk geltende Staatsfernegebot setzt der Einflussnahme staatlicher Instanzen auf die Höhe der Rundfunkfinanzierung Grenzen. Verfassungsrechtlich darf zwar die Entscheidung über die Gebührenhöhe nicht der Durchsetzung medienpolitischer Ziele dienen, wohl kann der Staatsvertragsgesetzgeber aber den Funktionsauftrag der Rundfunkanstalten umreißen und damit zugleich implizit die Höhe der Rundfunkfinanzierung determinieren. Aus der Sicht des europäischen Beihilferechts ist es sogar geboten, dass der Funktionsauftrag der Rundfunkanstalten klar festgelegt ist, damit hieraus deren Finanzbedarf nachvollziehbar ermittelt werden kann.
Das europäische Beihilferecht gebietet sodann, dass die Gebührenhöhe strikt am Finanzbedarf der Rundfunkanstalten auszurichten ist und zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen nicht darüber hinausgehen darf (Verbot der Überkompensation).

Unter Beachtung dieser Vorgaben empfiehlt es sich, die Aufgabenverteilung bei der Gebührenfestsetzung zwischen den Parlamenten einerseits und der KEF andererseits neu zu justieren.

2. Entscheidungen über Funktionsauftrag und Gebührenhöhe sollten entkoppelt werden
Nach Ansicht des BVerfG ist es Sache des Gesetzgebers, unter Beachtung verfassungsrechtlicher Vorgaben den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu umreißen, nicht aber, über die Begrenzung der Finanzierung das Tätigkeitsfeld von ARD und ZDF einzuschränken. Mit anderen Worten: Der gesetzliche Funktionsauftrag bestimmt die Finanzierungserfordernisse und nicht umgekehrt. Deshalb sollten Entscheidungen über den Funktionsauftrag einerseits und Gebührenentscheidungen andererseits entkoppelt werden. Die Befassung mit dem Funktionsauftrag – und nur diese – ist demnach die geeignete Scharnierstelle, an der die Parlamente im Rahmen ihrer verfassungsmäßigen Zuständigkeit mittelbar auch den wirtschaftlichen Aufwand der Gesamtveranstaltung Rundfunk dosieren können.

Um diese Trennung von (parlamentarischer) Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Funktionsrahmens einerseits und der Ermittlung sowie Festsetzung des Finanzbedarfs andererseits auch verfahrensmäßig zu sichern, empfiehlt sich eine Entflechtung der genannten Prozesse. Wenn sich die Parlamente mit dem Funktionsauftrag der Anstalten befassen wollen, so können sie an die Ergebnisse anknüpfen, die anhand der Selbstverpflichtungserklärungen der Rundfunkanstalten und der Überwachung ihrer Erfüllung durch die Aufsichtsgremien der Anstalten gewonnen werden. Bislang berichten die Anstalten gegenüber den Landtagen alle zwei Jahre isoliert und ohne rechtliche Konsequenzen, zukünftig könnten die parlamentarischen Beratungen über den Auftrag der Anstalten hieran anknüpfen. Die Berichte der Anstalten zur Erfüllung ihres Auftrags, zur wirtschaftlichen Lage und zu den Zukunftsprojekten eignen sich sehr gut als Grundlage für die parlamentarische Diskussion um die Fortschreibung der Anstaltsaufgaben. Hieraus können sich wiederum Anstöße für eine Befassung der Rundfunkkommission mit dem Funktionsauftrag der Anstalten ergeben und ein Verfahren zur Novellierung der staatsvertraglichen oder gesetzlichen Rechtsgrundlagen der Anstalten initiieren.

Diese Befassung der politischen Instanzen nach Art einer Aufgabenkritik mit dem Aufgabenbestand der Rundfunkanstalten sollte zeitlich nicht mit der Entscheidung über die Gebührenhöhe zusammenfallen, sondern zur Mitte der Gebührenperiode erfolgen. Diese Terminierung erlaubt einerseits, die zurückliegende Gebührenerhöhung und ihre Auswirkungen zu berücksichtigen. Sie lässt aber zugleich ausreichend Zeit, vor Ablauf der Gebührenperiode den Finanzbedarf für die neue Gebührenperiode zu ermitteln und einen Gebührenvorschlag zu erarbeiten.

3. Nach welchem Verfahren sollte die Gebührenhöhe festgelegt werden?
Liegen die Aufgaben der Rundfunkanstalten fest, dann ist die Ermittlung des Finanzbedarfs und – davon abhängig – der Höhe der Rundfunkgebühren ein Vorgang, der sich an fachlich-methodischen Vorgaben ausrichtet und grundsätzlich keinen Spielraum für politische Ermessensentscheidungen mehr eröffnet. Das folgt einerseits daraus, dass aus verfassungsrechtlichen Gründen die Gebühr ihrer Höhe nach so bemessen sein muss, dass sie für eine funktionsgerechte Finanzierung ausreicht. Aus beihilferechtlichen Gründen (Verbot der Überkompensation) andererseits dürfen den Anstalten nicht mehr als die zur funktionsgerechten Aufgabenerfüllung erforderlichen Finanzmittel zugesprochen werden.

Die Anstalten dürfen also nicht mehr, aber auch nicht weniger an Finanzmitteln bekommen als zur Erfüllung ihres Funktionsauftrags notwendig ist. Für diese Ermittlung des Finanzbedarfs nach rein fachlichen Kriterien hat sich das überkommene und auch auf europäischer Ebene hoch gelobte KEF-Verfahren hervorragend bewährt, das mit einem Vorschlag der KEF über die künftige Höhe der Rundfunkgebühren abschließt. Zur Festsetzung der Gebührenhöhe sollte zukünftig dann aber, anders als bisher, keine staatsvertragliche Regelung mehr benötigt werden. Stattdessen bietet es sich an, die Gebührenhöhe im Wege föderal gleichlautender Verordnungen der Landesregierungen festzusetzen, die dabei an den Gebührenvorschlag der KEF gebunden sind. Diese Lösung findet sich auch im Gebührenurteil des Bundesverfassungsgerichts.

Die Aufgabe der Parlamente würde dann – neben der Festlegung des Funktionsauftrags – in dieser Phase der Gebührenfestsetzung darauf gerichtet sein, die Methodik der Bedarfsermittlung in ihren zentralen Eckpunkten staatsvertraglich zu regeln und deren strikte Anwendung verbindlich vorzugeben. Ebenso bedarf es einer staatsvertraglichen Ermächtigung zur Festsetzung der Gebührenhöhe im Verordnungswege. Bei dieser Gelegenheit sollte auch, um dem Verbot der Überkompensation zu genügen, vorgesehen werden, dass die Bedarfsermittlung für die Grund- und Fernsehgebühr gesondert zu erfolgen hat.

Unabhängig von vorstehend aufgeführten Vorschlägen empfiehlt sich eine Verlängerung der Gebührenperiode auf sechs Jahre. Dies würde die Planungssicherheit auf Seiten der Anstalten erhöhen. Die Schwierigkeiten einer Vorausschätzung der wirtschaftlichen Entwicklung über einen Sechsjahreszeitraum könnten durch eine auf die Gebührenperiode befristete Indexierung gelöst werden, über die sich nicht vorhersehbare Preisentwicklungen zeitnäher auffangen lassen.

Die Anwendung der Indexierungsmethode entbindet jedoch nicht vom europarechtlichen Verbot der Überkompensation. Das bedeutet, dass Basis für die periodisch entsprechend dem Index zu verändernde Gebührenhöhe eine Finanzbedarfsermittlung durch die KEF nach Maßgabe ihrer in ihren wesentlichen Eckpunkten staatsvertraglich zu verankernden Methodik sein muss. Ebenso muss spätestens zum Ende der laufenden Gebührenperiode der Finanzbedarf der Anstalten erneut methodisch korrekt geprüft und festgestellt werden, damit auf dieser Basis dann die Fortschreibung des Indexierungsverfahrens erfolgen kann. Diese Erfordernisse sind – ebenso wie die Indexierung selbst – für Grund- und Fernsehgebühr jeweils gesondert vorzunehmen, um dem Verbot der Überkompensation, das für das Gebührenaufkommen beider Gebührenarten gesondert gilt, gerecht zu werden.

4. Fazit
Die Vorteile des vorgeschlagenen Modells liegen auf der Hand: Es belässt den politischen Entscheidungsträgern den ihnen zustehenden Handlungsspielraum und gewährleistet ein methodisch-fachlich adäquates Gebührenfestsetzungsverfahren, wie es von der KEF über Jahre hinweg erfolgreich praktiziert wurde und auch auf europäischer Ebene große Anerkennung gefunden hat. Gleichzeitig wird verfassungsrechtlichen ebenso wie beihilferechtlichen Erfordernissen Rechnung getragen. Die Transparenz in Sachen Auftrag und Finanzierung der Rundfunkanstalten wird erhöht. Die staatsvertragliche Umsetzung dieses Verfahrensvorschlags könnte zu mehr Rechtsklarheit führen und den Rundfunkanstalten für die Zukunft Rechtssicherheit geben.
 
 
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