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Thomas Bellut

»2056« – die Zukunft heißt »Super-Doc«

 
Thomas Bellut
Thomas Bellut
 

»Alain Dega ist spät dran. Obwohl er das ganze Wochenende mit seiner Tochter verbringen wollte, hetzt er jetzt noch zu einem Termin in die Klinik. Der Hauscomputer aktiviert die Sicherheitssysteme, als der Arzt das Haus verlässt, und ordert schon mal den Wagen. Der Hauscomputer übergibt an Alains Jacke, die von nun an die Logistik übernimmt.«

Was sich nach Science-Fiction aus »Das fünfte Element« anhört, ist nicht die neueste Hollywoodproduktion für das ZDF-Montagskino, sondern das bisher größte im ZDF entwickelte Doku-Projekt: »2056 – Die Welt der Zukunft«. Dafür stehen nicht nur das Produktionsbudget und große internationale Partner wie Discovery Channel US, der als Koproduzent gewonnen werden konnte, sondern auch eine neue Art der Dokumentation, die Fiktion und Doku zusammenbringt. Neue Wege der Erzählung und Dramaturgie sind Kern der Unternehmung »Super-Doc«, aber auch die Fähigkeit, als deutscher Sender mit solch großen Produktionen international agieren zu können.

Das ZDF ist in Deutschland Marktführer bei Dokumentationen. Programm-Marken wie beispielsweise »ZDF Expedition« stehen nicht nur im deutschen Fernsehen für höchste Qualität, sondern haben auch international zum Renommee des Senders beigetragen. Und trotzdem sehen wir in unserer strategischen Ausrichtung den Bedarf, einen Schritt weiter zu gehen. Das Ziel sind internationale Dokumentationen, die sich mit dem, was die Branchenführer derzeit produzieren, messen lassen können.

Beim Blick auf den internationalen Markt sieht man: Die BBC ist mit BBC World in 200 Ländern präsent, Kernmärkte wie USA oder Japan werden mit eigenen Kanälen bedient, der National Geographic Channel ist neben den USA noch in weiteren 152 Ländern zu empfangen, mit 25 verschiedenen Sendern vom Flaggschiff Discovery Channel bis FitTV deckt Discovery 166 Länder weltweit mit Factual Programming ab. Diese Medienhäuser stehen aber nicht nur für ihre Fernsehsender, sondern auch als Marke für internationale Produktionen, die Maßstäbe setzen und Trends etablieren, wenn es um hochwertige Dokumentationen geht. »Walking with Dinosaurs« zum Beispiel stand am Anfang einer Entwicklung, die eine neue Dimension der Dokumentation mit sich brachte. Im deutschen Fernsehen konnte man solche »Super-Docs« auf ProSieben, in der ARD oder eben im ZDF sehen – sie wurden als Lizenzankäufe, häufiger noch als Koproduktionen realisiert. Aber kein Sender im deutschen Markt hat es bisher geschafft, solch international wegweisende Produktionen selbst auf die Beine zu stellen. Mit »2056« ist der erste Schritt gelungen.

Natürlich steht auch der Programmerfolg fürs ZDF im Zentrum der »Super-Doc«-Überlegungen – Qualität und Quote. Die Messlatte liegt hier aber auch hoch: Wer mehr Aufwand betreibt, muss davon auch ein überdurchschnittliches Resultat erwarten können. Im Fiktionalen können wir für Auffälligkeiten zum Beispiel in Hollywood einkaufen; einen »Harry Potter«, einen »James Bond« und eine »Lara Croft«. Erfolgsgaranten sind seit Langem aber vor allem die selbst produzierten fiktionalen Stoffe, weil wir auf unsere Bedürfnisse besonders gut eingehen können und den größten Einfluss haben.

Im Unterschied zu bisherigen Doku-Koproduktionen dieser Größenordnung haben wir bei »2056« die Fäden in der Hand, um auf die Anforderungen des deutschen Fernsehpublikums optimal einzugehen. Nichtsdestotrotz ist die Einbindung von internationalen Partnern aus Gründen der Finanzierung unabdingbar – es geht bei solchen Projekten, egal ob von der BBC, NatGeo oder jetzt eben dem ZDF, um Budgets von einer Million Euro pro Stunde und mehr und das im Genre Doku. Eine der wichtigsten Voraussetzungen für die »Super-Doc« ist also, stärker auf die Anforderungen des internationalen Marktes – das heißt, möglicher internationaler Partner – einzugehen.

Dass wir bei einem Projekt wie »2056« nicht nur groß denken müssen, weil es die attraktive Darstellungsform erfordert, sondern auch groß denken können, weil internationale Partner gewonnen werden konnten, liegt zu einem großen Teil am Thema. Für die »Super-Doc« halten nur internationale Themen her. Von einem »Armageddon«, einem Planeteneinschlag auf der Erde, das Thema unseres zweiten »Super-Doc«-Projekts, ist nun einmal die ganze Welt betroffen. »Super-Doc«-Themen wohnt eine weit reichende Relevanz inne, die am besten keine zeitlichen, sachlichen und örtlichen Beschränkungen hat, sondern weltweit verstanden wird. Wenngleich der Protagonist der ersten Folge von »2056«, Alain, in Frankreich unterwegs sein wird oder uns das Hackertalent Paul in der zweiten Episode durch eine amerikanische Großstadt führt, stehen die Schauplätze für Erlebnisse, die überall auf unserer Erde in 50 Jahren stattfinden könnten.

Alain haben Sie schon kennen gelernt. Und Sie werden ihn in »2056« noch besser kennen lernen. Die Erzählstruktur und Dramaturgie der angloamerikanischen Projekte bedient sich stark der Spannungsbögen des fiktionalen Genres. Ein Protagonist wird zur zentralen Figur, die nicht nur für Identifikationspotenzial sorgt, sondern auch die Story transportiert. Einzelne Elemente der fiktionalen Handlung, wie beispielsweise die oben erwähnte Jacke von Alain, die mit dem Hauscomputer kommuniziert und alle erforderlichen Daten von und für Alain bereithält, treiben die Story voran und verbinden Fiktion und Fakt. In der Geschichte von Alain ist die Jacke Fiktion, für die Wissenschaft ist sie heute schon Fakt. Diese Details erklären den möglichen Alltag in 50 Jahren mit dem Kenntnisstand aktueller internationaler Forschung. Um den hohen Anforderungen an die Erzählstruktur und Dramaturgie gerecht zu werden, bedarf es Autoren, die in beiden Genres zu Hause sind. Für »2056« wurden daher verschiedene Autoren verpflichtet, die diese Art des Erzählens zum Beispiel in BBC-Projekten umgesetzt oder auch fiktionale Stoffe wie Krimis geschrieben haben. Für den internationalen Partner Discovery war wichtig, dass die im Film eingebundenen Experten nicht nur international und bei Discovery-Zuschauern bekannt sind, sondern auch in der Lage, komplexe Zusammenhänge fürs Fernsehen anschaulich zu vermitteln.

Mit Alain soll sich der Zuschauer identifizieren können, sogar müssen, um in die Welt in 50 Jahren eintauchen zu können. Spielszenen sind deshalb zur visuellen Umsetzung der zentralen fiktionalen Story unumgänglich und internationaler Standard. So genannte Re-enactments sind nichts Neues als Mittel der Dramatisierung – manche internationale Groß-Doku ist komplett szenisch gestaltet. Die Anforderungen sind jedoch höher als bei bisher von uns eingesetzten Re-enactments. Das heißt, das qualitative Niveau der fiktionalen Elemente muss dem von TV-Movies entsprechen, um nicht die Atmosphäre einer Laienspielbühne aufkommen zu lassen. Bei »2056« vertrauen wir deshalb auf einen Regisseur, der bisher vor allem für seine fiktionale Arbeit bekannt ist. Für die Umsetzung des Drehbuchs ins Englische stellt Discovery einen Dialogschreiber zur Verfügung. Sicherlich ungewöhnlich für diese Produktion ist aber, dass wir mit englischen Schauspielern drehen und dann ins Deutsche synchronisieren.

Der Reiz der visuellen Umsetzung entsteht auch gerade dadurch, zu sehen, was keiner vorher gesehen hat oder vorhersehen kann. Auf Grundlage dessen, was die Wissenschaft derzeit hergibt, dient CGI (Computer Generated Image) dem Zweck, nicht real Filmbares für den Zuschauer erlebbar zu machen. Bei Alain ist es zum Beispiel sein fliegendes Auto, in »Armageddon« wird es der Kometeneinschlag selbst und das Szenario danach sein. Ein paar Minuten davon machen schon hunderttausende Euro des Produktionsbudgets aus.

Die gesamte Produktion erfordert also Etats, die deutlich höher sind, als das, was wir derzeit für unsere Primetime-Dokumentationen in die Hand nehmen können. Wenngleich unsere hochwertigsten Produktionen wie zum Beispiel »ZDF Expedition« internationale Verkaufserfolge sind, reichen die erlösbaren Lizenzpreise für Dokumentationen nicht aus, um damit eine »Super-Doc« zu realisieren. Der Aufwand des ZDF für Dokumentationen wird mit dem Anspruch größer, Etatverlagerungen sind trotz internationaler Kostenteilung notwendig. Vor allem brauchen wir die internationalen Partner, deren Märkte große Koproduktionsbeiträge hergeben. Idealerweise USA und Großbritannien. Nur so kommen wir in Budgetbereiche, die fiktionalen Produktionen nahe kommen.

»Super-Docs« sind also nicht eine Demonstration der Leistungsfähigkeit des ZDF zum Selbstzweck. Im Zentrum dieser Unternehmung steht vor allem der Programmerfolg beim Zuschauer. Die Einbindung der international größten Partner bietet uns die Möglichkeit, auf spezialisiertes Know-how weltweit zurückzugreifen, mit Budgets zu operieren, die sich aus dem deutschen Markt alleine nicht refinanzieren lassen und schließlich die Chance, bei Dokumentationen Trends zu setzen. Das wird und muss dem Zuschauer gefallen, erfahrungsgemäß auch den jüngeren.
 
 
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