ZDF.de
                Kontakt    
Suche
Erweiterte Suche
 
2005  
ZDF Jahrbuch
Schwerpunkte des Jahres
Markus Schächter
Kurt Beck
Carl-Eugen Eberle
Andreas Bereczky
Thomas Bellut
Bettina Schausten
Susanne Gelhard
Peter Frey
Christoph Minhoff
Martin Schmuck
Susanne Müller
Delia Thomas und Markus Mörchen
Rolf Decker

Kurt Beck

Zukunftsperspektiven des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im nationalen und europäischen Medienmarkt

 
Kurt Beck
Kurt Beck
 
 
1.

Wir haben in Deutschland über die Jahre hinweg einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf hohem Niveau geschaffen, der mit seinen vielfältigen Qualitätsprogrammen den europaweiten Vergleich nicht zu scheuen braucht. Insoweit gilt es auch, in schwierigen Zeiten diesen Standard zu halten und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zukunftssicher aufzustellen.

Von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit seiner künftigen Positionierung national, aber auch auf europäischer Ebene, sind die aktuellen beihilferechtlichen Verfahren gegen ARD und ZDF. In diesen Verfahren stellt die EU-Kommission über die europäischen Beihilfevorschriften zwar nicht die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks insgesamt, aber einzelne Betätigungsfelder erneut in Frage.

Hier galt und gilt es, klare Positionen seitens der Länder zu beziehen. Dies haben wir in der Antwort an die EU-Kommission in Abstimmung mit dem Bund sowie den Rundfunkanstalten getan. Unsere Position ist klar: Die deutschen Rundfunkgebühren sind keine Beihilfe. Damit ist eine Prüfkompetenz der EU-Kommission nur in besonderen Ausnahmefällen überhaupt gegeben.

Ein solcher Ausnahmefall der gemeinschaftswidrigen Beeinträchtigung der Handels- und Wettbewerbsbedingungen, wie es das Amsterdamer Protokoll zum EU-Vertrag bezeichnet, liegt jedoch nicht vor. Vielmehr geht es der Kommission darum, ihre Vorstellungen von einem öffentlich-rechtlichen Rundfunksystem an die Stelle unserer nationalen Vorgaben zu setzen. Dies werden wir nicht hinnehmen. Unabhängig davon müssen wir uns natürlich selbst fragen, wo beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk Reformbedarf besteht.

Deshalb haben wir in der Antwort auf das Auskunftsersuchen der EU-Kommission einen Kompromiss vorgeschlagen. Wir haben Änderungen und Ergänzungen des Rundfunkrechts angekündigt, allerdings unter der Bedingung, dass die Kommission grundsätzlich bereit ist, die Verfahren einzustellen. Gedacht ist dabei an eine weitere Konkretisierung des Auftrags für ARD und ZDF etwa in den Bereichen Online, digitale Kanäle/Spartenkanäle. Hier soll das mit dem Siebten Rundfunkänderungsstaatsvertrag eingeführte System von Staatsvertragsnormen beziehungsweise Satzungen, Richtlinien durch Selbstverpflichtungen weiter ausgeformt werden. Denkbar ist die Vorlage- und Genehmigungspflicht für neue Vorgaben an die Gremien. Diese müssten prüfen, ob dieses Vorhaben zum Auftrag gehört, welchen Beitrag es zum publizistischen Wettbewerb im Medienumfeld leistet sowie, wie hoch der Aufwand ist.

Der Bereich der kommerziellen Tätigkeit muss vor diesem Hintergrund klar ausgegrenzt werden. Dies kann geschehen durch Aufzählung von Einzelbereichen, die die kommerziellen Tätigkeiten konkretisieren. Dies betrifft insbesondere die Bereiche Werbung, Sponsoring, Merchandising sowie Verwertungstätigkeiten. Dabei muss aber klar sein, dass diese Tätigkeiten von einem weit verstandenen Auftrag abgedeckt sein müssen, das heißt, ihren Beitrag mittelbar zur Erfüllung des Auftrags erbringen. Der zweite Schritt wäre eine staatsvertragliche Regelung, die für kommerzielle Tätigkeiten vorsieht, dass diese nur unter Marktbedingungen erbracht werden dürfen. Vorgaben sind dabei Marktkonformität, Fremdvergleich, getrennte Buchführung sowie effiziente Kontrollen. Auch hier ist es vorstellbar, dass die näheren Einzelheiten durch die Anstalten in Form von Selbstverpflichtungen konkretisiert werden.

Die Länder haben ferner angeboten, weitere ergänzende staatsvertragliche Bedingungen für Beteiligungen der Sender zu schaffen, wie etwa die gesetzliche Festlegung von Gründungs- und Beteiligungsvoraussetzungen, gesellschaftsrechtliche Vorgaben für die Ausgestaltung der Beteiligungsverhältnisse sowie institutionelle Regelungen des Beteiligungsmanagements.

Mit dieser Stellungnahme haben wir deshalb ein klares Signal in Richtung Brüssel gegeben, dass wir zum Dialog bereit sind. Wir haben aber auch deutlich gemacht, dass wir Eingriffe in die Programmautonomie, wie das Gestaltungsrecht der Mitgliedsstaaten, auch künftig nicht hinnehmen werden. Diese Verhandlungslinie lässt sich aber nur aufrecht erhalten, wenn auch ARD und ZDF bereit sind, ihren Beitrag konstruktiv zu leisten.
 
2. Dass wir hier mit Blick auf Europa wachsam sein müssen, zeigen auch aktuelle Initiativen der Kommission in anderen Bereichen, etwa der Frequenzpolitik. Die EU-Kommission hat kürzlich eine Mitteilung und entsprechende Vorschläge zu einem rein marktorientierten Ansatz für die Frequenzverwaltung veröffentlicht. Diese Überlegungen bergen Gefahren für die Mitgliedsstaaten. Marktwirtschaftliche Instrumente allein, wie etwa der Frequenzhandel, vermögen Pluralismus und kulturelle Vielfalt auf nationaler wie auf regionaler Ebene nicht sicherzustellen. Vor diesem Hintergrund gilt es, diese Entwicklungen gemeinsam mit dem Bund auch im Interesse des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und der Gewährleistung seiner Übertragungswege kritisch zu begleiten.
 
3.

Ungeachtet dieser Initiativen ist es erforderlich, die Weichen für die weitere inhaltliche Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks rechtzeitig zu stellen. Öffentlich-rechtlicher Rundfunk in Deutschland muss auch künftig für Qualität stehen. Er muss ein hochwertiges und unterscheidbares Angebot sowohl im Bereich des klassischen Rundfunks als auch der Neuen Medien bereithalten. Die Aufgabe, Orientierung in der Vielfalt der medialen Angebote zu bieten, wird dabei zunehmend wichtiger. Hierzu hat er ein breit gefächertes Angebot bereitzuhalten. Er muss den gesamten Bereich unseres gesellschaftlichen Lebens abdecken. In diesem Zusammenhang erteile ich deshalb den immer wieder zu hörenden Rufen nach einer Beschränkung der Angebote, wie etwa einem Verzicht auf Sport und Unterhaltung, eine klare Absage.

Dennoch muss sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk in der Masse der Angebote durch ein klares Profil auch künftig deutlich abheben. Als notwendigen Schritt in diese Richtung sehe ich die Digitalkonzepte von ARD und ZDF, die derzeit erarbeitet werden. Mit diesen Konzeptionen sollten Antworten auf veränderte Sehgewohnhei­ten der Zuschauer gefunden, neue programmliche Schwerpunktbildungen vorgenommen und eine weitere Profilierung der Angebote erreicht werden. Neue Frequenzressourcen, die auch neue Möglichkeiten der Programmgestaltung eröffnen, sollten im Interesse der Rundfunkteilnehmer für ein vielfältiges und qualitativ höherwertiges öffentlich-rechtli­ches Angebot genutzt werden.

Die Anstalten sollten auf ihren bisherigen Erfahrungen mit ihren digitalen Programm­angeboten aufbauen und diese weiterentwickeln. Entscheidend ist, dass dem Zu­schauer ein deutlicher programmlicher Mehrwert geboten und damit auch zu einer weiteren dynamischen Entwicklung des digitalen Fernsehens in Deutschland beigetragen wird.
 
4.

Neben diesen inhaltlichen Aspekten wird es angesichts kritischer Fragen privater Konkurrenz, aber auch der EU-Kommission, darum gehen, die inneren Strukturen, insbesondere der Binnenkontrolle der Rundfunkanstalten, offen zu diskutieren. In diesem Zusammenhang möchte ich klarstellen: Ich bin ein überzeugter Vertreter der binnenpluralen Kontrolle der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Nur auf die­sem Weg kann die notwendige Einbindung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in die Gesellschaft, die ihn trägt und ein wesentliches Element seiner Legitimation ist, gewährleistet werden.

Oberstes Ziel ist für mich deshalb, eine nachhaltige Stärkung der Gremien zu errei­chen. Vor diesem Hintergrund habe ich, um die Diskussion anzustoßen, einzelne Überlegungen eingebracht. Es geht dabei unter anderem um mögliche Sanktionsrechte der Gremien bei Rechtsverstößen, die Frage der Inkompatibilität für Gremien bei der Vertretung in Aufsichtsräten von Beteiligungsunternehmen wie auch um eine stärkere Einbindung und Prüfungsmöglichkeit der Gremien bei der Aufnahme neuer Programme und Angebote.

Insofern begrüße ich erste Reaktionen und entsprechende Initiativen der Sender, wie etwa die kürzlich vorgenommenen Änderungen der ARD-Satzung als einen ersten Schritt in die richtige Richtung.

Die Diskussion in diesem Bereich hat erst begonnen und sie wird uns voraussichtlich noch eine ganze Zeit beschäftigen. An ihrem Ende wird – dessen bin ich mir sicher – ein nach innen und außen mit seinen Gremien gestärkter öffentlich-rechtlicher Rundfunk stehen, der für die Zukunft und die auf ihn zukommenden Aufgaben gut gerüstet ist.
 
 
zum Seitenanfang
 
über das ZDF Impressum Kontakt   Erweiterte Suche © ZDF 2006
zdf.de ZDFinfokanal ZDFdokukanal ZDFtheaterkanal arte 3sat phoenix kika