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2004  
ZDF Jahrbuch
Programmbouquet und Beteiligungen
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Susanne Müller

Die ZDF-Onlineangebote zwischen Regeln, Wünschen, Ansprüchen und Forderungen

 
Susanne Müller
Susanne Müller
              
 

Online und ich

Wie man es macht – es ist verkehrt. Eine öffentlich-rechtliche Onlineverantwortliche zwischen Szylla und Charybdis. Dabei mache ich doch keine Politik, sondern Programm und bin vor zwei Jahren ganz bewusst aus der Fernsehredaktion zu den so genannten »Neuen Medien« gegangen! Viele Fernsehkollegen haben sich (und mich) gefragt: warum? Einfache Antwort: wegen der Zukunftsperspektive. Vorher war ich verantwortlich für das Kinder- und Jugendprogramm und musste oft erklären, warum diese jungen Menschen so wenig ZDF sehen. Ein Grund, der immer wichtiger wurde: Weil sie sich zunehmend anderen Bildschirmen zuwenden. »Early adopters« neuer Technologien.

Ich sah es an meinen Kindern: Fernsehen war ihnen zu passiv, es sei denn, mit Freunden als eine Art Kinoerlebnis. Aber lieber war ihnen aktiver Umgang – beispielsweise über das Handy oder über den PC. Spiel, Kommunikation und Information als die Schwerpunkte ihrer Aktivität. Also, war eine meiner Schlussfolgerungen, müssen wir jungen Menschen auch für ihre bevorzugten Bildschirme Angebote machen.

Die Wettbewerber

Ich verstehe schon, warum andere Medienveranstalter im Onlinebereich die Aktivitäten der Öffentlich-Rechtlichen einschränken wollen. Keiner hat die Internetblase der späten 90er Jahre ohne Blessuren überstanden. Die Annahme, dass alle Menschen ganz schnell von den traditionellen Medien zu diesen neuen Medien wechseln und dann auch noch Geld dafür ausgeben würden, erwies sich als falsch. Bis heute ist noch nicht klar, wie erfolgreiche Geschäftsmodelle aussehen können. Gerade hat zum Beispiel Bild.T-Online die Werbepreise radikal gesenkt. Alles, was es anscheinend umsonst gibt, macht es schwer, an anderer Stelle für ähnliche Leistungen Geld zu verlangen. Und die Frühgeschichte des Internets hat viele zu der Annahme gebracht, dass hier nicht nur ein demokratisches, sondern auch ein preiswertes Medium zur Verfügung steht.

Die User

Zitate aus einem Leserbrief: »Sendungsarchiv – bittä wo?! Wieso sind alte Sendungen nicht online – insbesondere sauber archiviert, indiziert, ettiketiert, mit einer kleinen Suchmaschine versehen? Bezahlt haben es die GEZ-Sklaven … Wer wird ein schlauer Deutscher oder: der Informations- und Bildungsauftrag der öffentlich-rechtlichen Sender … Hier muss ich wieder Richtung britannischer Inseln fingerweisen. Deren Onlineangebot … bietet solche Bildungsperlen wie Länderdatenbanken und Kurse und Sprachen und … «. So unterschiedlich sind die Erwartungen vieler User: Sie wollen viel mehr als wir anbieten!

Die Politik

Hat sich irgendwie auf Online eingeschossen. Es ist (noch) kein Massenmedium, sondern erst auf dem Weg dahin. Da kann man leichter ein Exempel statuieren. Bei unpopulären Maßnahmen wie der Gebührenerhöhung ein gutes Ventil. Strukturveränderungen werden gefordert – und der Druck bei Online erhöht. Relativ unisono. Der FDP-Koordinator für Internet und Medien, Hans-Joachim Otto, fordert eine Begrenzung der Onlineaktivitäten der Sender, Ministerpräsident Beck, auch Vorsitzender der Rundfunkkommission der Länder, kritisiert die Praxis der öffentlich-rechtlichen Sender bei ihren Onlineaktivitäten; sie gingen an einigen Stellen zu weit, sagt er. Ministerpräsident Steinbrück verweist auf die EU-Kommission, die prüfe, ob der Umfang der öffentlich-rechtlichen Onlineangebote mit dem Wettbewerbsrecht vereinbar sei – wenn Sender Bratpfannen und Mode über ihre Internetseiten anböten, würden diese kommerziellen Aktivitäten von Brüssel hinterfragt. Übrigens: Das Bratpfannenbeispiel geistert schon seit mehreren Jahren durch die Gazetten – ursprünglich stammt es aus einem Papier der privaten Wettbewerber. Ich frage mich dann manchmal: Schauen sich die Rundfunkreferenten denn auch mal Onlineangebote an? Bratpfannen gab es beim ZDF noch nie und beim WDR gibt es sie auch schon lange nicht mehr. Und trotzdem bleiben sie ewig in der Diskussion, angebliches Synonym für den Sündenfall.

Brüssel, die EU-Kommission

Betrachtet Rundfunk als Wirtschaftsgut, in das der Staat mit gebührenfinanzierten Sendern nur eingreifen darf, wenn der Markt die Funktion des Rundfunks nicht allein abdeckt und wenn der Markt nicht verzerrt wird. Welche Teile des Onlineauftritts dienen dem Rundfunkauftrag und dürfen mit Gebühren finanziert werden? VPRT hat das Verfahren in Brüssel initiiert – und der Wettbewerbskommissar will verhindern, dass es Wettbewerbsnachteile für die alleine auf Werbeeinnahmen angewiesenen Privatsender gibt. »Wir überprüfen sehr sorgfältig, in wie weit Onlinespiele, Chatrooms oder kommerzielle Links den Markt verzerren«, sagt Kommissar Lowe. Da müssen wir aufpassen, dass er uns nicht gleich ganz von der digitalen Entwicklung fernhält.

Die KEF

Beklagt, dass eine transparente und aussagekräftige Leistungserfassung der öffentlich-rechtlichen Onlineangebote noch nicht existiert. Im TV ist das leicht zu machen: Kosten pro Sendeminute, aufgeteilt nach unterschiedlichen Genres, das kann man dann noch mit den Nutzungsdaten verknüpfen – und gut. Diese Währung ist allgemein akzeptiert und wird von allen Sendern, privat und öffentlich-rechtlich, angewandt. Bei Online ist alles anders. Wir senden nicht – wir stellen bereit. Was einmal da ist, verschwindet nicht wieder. Es gibt keine Beschränkung durch Zeit – allerhöchstens vorübergehend durch begrenzte technische Kapazitäten. Was kann man messen oder zählen? Derzeit vor allem die so genannten Pageimpressions (PIs). Aber sie sagen nicht wirklich etwas aus: Ein lang recherchierter und gründlich geschriebener Artikel, für dessen Lektüre man zehn Minuten braucht, generiert möglicherweise nur eine PI, während eine Bildergalerie mit Fotos vom roten Teppich bei der Oscar-Verleihung 20 PIs bringt – schnell durchgeklickt, innerhalb von einer Minute. Das ist eine kommerzielle Währung. Wir versuchen, eine Währung zu finden, die unterschiedliche Aufwände erfasst, die Nutzung mit dem Fernsehen vergleichbar macht.

Lobbyisten

Unbegrenzte Expansion wurde den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanbietern im Internet schon 2002 vorgeworfen – und es wird immer mal wieder nachgelegt: So werden Verlinkungen von zdf.de oder heute.de auf Internetseiten privater Anbieter in Frage gestellt. Dabei ist doch der Link eines der konstituierenden Merkmale des Internets überhaupt! Ich sammle alle Informationen zu einem Thema, biete sie einem User an – sage ihm, wo er noch mehr Informationen finden kann. Er will selbst auswählen, du sollst ihn nicht bevormunden, lautet das allgemeine Credo. Oder: Sind Onlinespiele programmbegleitend? Die Torwand aus dem »ZDF SPORTstudio« ist ein absoluter ZDF-Klassiker. Wenn die Torwand original online nachgebildet ist und virtuell jeder drei oben und drei unten versenken kann (oder auch nicht), dann hat das doch einen unmittelbaren Zusammenhang mit dem ZDF-Klassiker, oder nicht? BDZV und VPRT antichambrieren in Brüssel. Ziel: öffentlich-rechtliche Angebote auf ein Minimum zurechtzustutzen. Grundversorgung – soll heißen: Kultur und Ähnliches, was für Minderheiten gemacht werden muss, aber nicht mehrheitsfähig/erfolgsträchtig ist. Programmbegleitung wohlverstanden als pure Abbildung des Programms, nicht mehr.

Staatsvertrag, die Richtlinien, Selbstbindung, Selbstverpflichtung

Im jüngsten Änderungsstaatsvertrag wurde der Passus zu den Mediendiensten geändert. Jetzt heißt es: »Das ZDF kann programmbegleitende Mediendienste mit programmbezogenem Inhalt anbieten. Werbung und Sponsoring finden in diesen Mediendiensten nicht statt.«

In den Richtlinien für die Sendungen des ZDF ist mehr geregelt:

  • Mediendienste haben der Erfüllung des Programmauftrags zu dienen.
  • Sie erfordern eine eigene journalistische Leis- tung.
  • Sie haben öffentlich-rechtlichen Programmstandards zu entsprechen.
  • Sie enthalten keine auf regionale Räume zielende Inhalte.
  • Sie sollen einen Beitrag zur Sicherung der Vielfalt, Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit der neuen Medien leisten.
  • Jüngere Bevölkerungsgruppen sollen an die Programme des ZDF herangeführt werden.
  • Das Setzen von Links bedarf besonderer Sorgfalt.
  • Chats sind redaktionell zu begleiten.

In seiner Selbstbindung hat der Intendant festgelegt, dass nicht mehr als 0,75 Prozent des ZDF-Haushalts für Online ausgegeben werden. In der Selbstverpflichtungserklärung ein weiteres Versprechen: Das ZDF wird gezielt die Qualität und Tiefe der Angebote ausbauen, die Breite der Themen aber reduzieren. Ist doch eigentlich alles gut geregelt, oder?

Zwischen Szylla und Charybdis

Es ist nicht leicht, durch alle diese Klippen, an allen Seeungeheuern vorbeizusteuern. Fakt ist: Zwischen 55 Prozent aller Erwachsenen ab 14 Jahren (ARD/ZDF-Online-Studie 2004) und zwei Drittel der Deutschen (Forschungsgruppe Wahlen, 10. Januar 2005) sind im Netz oder haben Zugang zum Internet. Überdurchschnittliche Zuwachsraten gibt es in den neuen Bundesländern und bei den Frauen. Wir müssen diesen Menschen Angebote machen! Zentrale Anwendungen für die meisten Nutzer sind: Infosuche, Kommunikation, E-Commerce. Tagesaktuelle Information steht an erster Stelle der abgerufenen Inhalte – 46 Prozent der Onlinenutzer greifen mehr oder weniger regelmäßig darauf zu. Hier kommen die Stärken des Webs zum Tragen: schnelle Verfügbarkeit, hohe Aktualität, zeitsouveräne Nutzung eines großen Nachrichtenpools. Nutzer schätzen die klassischen Nachrichtenanbieter auch als die kompetentesten im Netz ein – »heute«, »Tagesschau«, Spiegel. Diese Klientel bedienen wir mit heute.de ganz besonders. Auch die zdf.de richtet sich vor allem an die informationsorientierten Nutzer mit Infos zum ZDF, zu einzelnen Sendungen und aus dem Ratgeberbereich. Die 54 Prozent der Nutzer, die im Internet einkaufen, bedienen wir kaum – das Angebot des ZDF-Online- shops beschränkt sich auf Merchandising-Artikel von ZDF-Marken und Begleitmaterial zu Sendungen. Auch die Menschen, die Kommunikation suchen, sind nicht unsere Adressaten: Zwar gibt es Chats und Foren, jedoch nur programmbegleitend; offene Chats, die nicht redaktionell betreut sind und in denen man sich zur Individualkommunikation »treffen« kann, gibt es nicht.

Zwischen Regeln, Wünschen, Ansprüchen, Forderungen und Erwartungen suchen wir unseren Weg. Unser Schwerpunkt derzeit: von früher stark leseorientierten Angeboten hinzukommen zu fernsehorientierten Webangeboten, mit bewegten Bildern und Tönen, also mit multimedialen Elementen, die zusätzlich Interaktivität bieten. Das meinen wir, wenn wir von mehr Qualität und Tiefe sprechen.

Zwar hatte ich mir diesen Job nicht so vorgestellt – aber eigentlich finde ich ihn doch ziemlich spannend!

 
 
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