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2004  
ZDF Jahrbuch
Aus der Programmarbeit
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Frank Hof

»Wetten, dass ...?« als Regisseur
Wenn das Erbe zum Erbe wird!

 
Frank Hof
Frank Hof


Alexander Arnz im Gespräch mit Thomas Gottschalk
Alexander Arnz im Gespräch mit Thomas Gottschalk


Thomas Gottschalk und Frank Hof
Thomas Gottschalk und Frank Hof


Probe mit dem blinden Achim Kustermann für die Kinderwette
Probe mit dem blinden Achim Kustermann für die Kinderwette
              
 

Für Sascha!

»Oh, Gott! Das ist der größte Mist, den ich je gemacht habe. Diese Sendung sollten wir sofort einstellen.« Mit diesen Worten verließ der Gründungsregisseur Alexander (Sascha) Arnz am 14. Februar 1981 nach der ersten »Wetten, dass …?«-Sendung den Ü-Wagen. Er ahnte nicht, dass soeben Europas erfolgreichste Sendung geboren war. Mit einer Einschaltquote von knapp 17 Millionen Zuschauern entpuppte sich der befürchtete Flop als Publikumserfolg, der mit jeder weiteren Sendung wachsen sollte.

Nach 21 Jahren zog sich Sascha Arnz im Juli 2002 von der »Wetten, dass …?«-Bühne zurück und legte das Regiezepter nieder. Die Wahl der Nachfolge fiel auf mich. Ich empfand es als große Ehre und zugleich Verantwortung, die Regie für das Flaggschiff der ZDF-Unterhaltung übernehmen zu dürfen. »Ein schweres Erbe!«, raunte es damals durch die Branche und Presse. Intensive Gespräche mit dem Moderator Thomas Gottschalk nahmen mir einen Großteil meiner Nervosität. Danach war klar, dass die Chemie stimmt. Das war mir wichtig. Die Zusammenarbeit zwischen Moderation und Regie setzt ein hohes Maß an gegenseitigem Vertrauen voraus. Davon ist mittlerweile genug gewachsen, um eine im Schnitt zweieinhalbstündige Livesendung gemeinsam zu bestreiten.

Die Nervosität ist gegangen, doch der Respekt und die Verantwortung für die Aufgabe sind geblieben. Schließlich ist es keine schlanke, wendige Yacht mehr, die man da vom Regiepult aus steuert, sondern der größte Unterhaltungsdampfer, den die Fernsehlandschaft zu bieten hat. Ich stehe in der Verantwortung, das Format »Wetten, dass …?« behutsam und kontinuierlich weiterzuentwickeln, ohne es in seinen Grundfesten zu zerstören. Eine Veränderung um der Veränderung willen wäre gefährlich, schädlich und völlig überflüssig.

An große Shows war ich aus den zurückliegenden Jahren durchaus gewöhnt. Die größte Show ist in vielerlei Hinsicht schon etwas ganz anderes. Ein Team von 250 Kollegen kreativ zu führen, bis zu 200 Mitwirkende auf den Bühnen zu inszenieren und immer wieder über 45 Prozent Marktanteil (das entspricht rund 14 Millionen Zuschauern) am Samstagabend zu erreichen – das ist das Ziel. In der von den kommerziellen Fernsehsendern heiß begehrten Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen liegt der Marktanteil sogar oft noch höher. Also eine echte Familiensendung für Jung und Alt. Das zeigt, wie ausgewogen die inhaltliche und inszenatorische Struktur des Formats ist. Natürlich lässt es sich mit diesem Erfolg ruhig und entspannt arbeiten. Dennoch ist es eine Herausforderung der besonderen Art, daran mitzuarbeiten, dieses Ergebnis noch über viele Jahre zu erreichen.

Dabei beruht der Erfolg nicht auf ehrgeizig hochgerüsteter Fernsehtechnik. »Wetten, dass …?« wird nach wie vor mit nur sieben Kameras umgesetzt. Die Tatsache, dass das ZDF diese Show nun seit 24 Jahren in Eigenproduktion herstellt, sorgt über Jahrzehnte für personelle Kontinuität. Die langjährige gemeinsame Erfahrung garantiert reibungslose Abläufe in der Zusammenarbeit und höchstmögliche Flexibilität bei größtmöglicher Präzision.

Ein wesentlicher Grund für den Erfolg ist die sorgfältige und gewissenhafte Arbeit an der Umsetzung der Wetten. Gerade weil wir nach immer ausgefalleneren Ideen suchen, sind die Wettangebote der Zuschauer nicht immer sofort umsetzbar. Oft muss eine Wettidee erst einmal fernsehgerecht aufbereitet werden. Allerdings kann man die Leistungen der Kandidaten nicht nach reinen Showkriterien inszenieren. Wenn ein Kandidat mit Billardkugeln jonglieren kann und der Fernsehregisseur sicher ist, dass es mit Bowlingkugeln aber viel besser aussieht, hilft es nichts, wenn der Kandidat anfängt, mit Bowlingkugeln zu üben und dabei von einer Kugel erschlagen wird. Hier müssen wir eine Verantwortung gegenüber dem Kandidaten erfüllen. Denn es gäbe im 21. Jahrhundert genug Bewerber, die sich für einen Auftritt bei »Wetten, dass …?« in Lebensgefahr begeben würden, was das Redaktionsteam natürlich nicht zulässt.

Auch genügt es bei »Wetten, dass …?« nicht, Weltstars von Anna Netrebko bis Robbie Williams einfach auf die Showbühne zu stellen und mit den Kameras bloß drauf zu halten. Die Ansprüche an die Umsetzung der Showacts wachsen natürlich mit dem Renommee der Künstler. Die Zuschauer sind durch Musikvideos inzwischen so geprägt, dass ein bisschen Feuerwerk und Trockeneis nicht mehr genügen, um bei ihnen wenigstens einen respektablen Eindruck zu hinterlassen. Hier braucht es für jeden Act ein eigenes Konzept, das durch Bühnenbild, Lichtgestaltung und Kamerabildsprache das einzigartige und typische Erscheinungsbild von »Wetten, dass …?« erkennen lässt, ohne als artifizieller Programmpunkt losgelöst vom Sendungskontext zu wirken.

Das Gleiche muss im dritten Dramaturgiestrang der Sendung erfüllt werden: Die Stargäste auf der Wettcouch! Ihnen gilt es, gerecht zu werden, sie so viel wie möglich in die gesamte Sendung zu integrieren und nicht als Talkblock isoliert vom übrigen Geschehen zu betrachten. Hier ist Thomas Gottschalk als Moderator die optimale Besetzung. Das Format gibt ihm Raum für Spontaneität. Seine soziale Intelligenz lässt das Aufeinanderprallen der unterschiedlichen Welten niemals peinlich oder gar bemüht erscheinen. Fast scheint es so, als hätte das Format den Moderator und der Moderator das Format gesucht und gefunden. Eine optimale Symbiose, an der beide partizipieren.

Würde man mich heute fragen, wie ich mir den Mythos und das Phänomen »Wetten, dass …?« erkläre, würde ich mit einem Zitat von Thomas Gottschalk antworten. »Wetten, dass …?« ist »das letzte große Lagerfeuer der Fernsehunterhaltung!«.

Jetzt – als Insider – weiß ich, dass dieses Lagerfeuer nicht nur in ganz Fernsehdeutschland die Menschen näher zusammenrücken lässt, sondern dass seine Wärme auch nach innen strahlt. Die Achtung und Menschenliebe, mit der alle Kollegen, vom Redakteur bis zum Kabelhelfer, miteinander und vor allem mit den oft unsicheren Kandidaten umgehen, beeindruckt mich sehr. Der Erfolg hat keinen der Beteiligten verblendet oder arrogant werden lassen – trotz allem Rückenwind, den er einem natürlich verschafft.

Dieses Lagerfeuer sechs bis sieben Mal im Jahr als Regisseur mit anzünden zu dürfen, bleibt sicher auf absehbare Zeit die spannendste Aufgabe, die das Showgeschäft im deutschen Fernsehen zu bieten hat. Meine Leidenschaft ist jedenfalls voll entfacht, an Glut und Funken von Ideen und Begeisterung wird es sicher nicht mangeln.

Sascha Arnz hat dieses Lagerfeuer insgesamt 136 Mal mit angezündet. Er hat »Wetten, dass …?« vor 24 Jahren als Regisseur mit ins Leben gerufen und 21 Jahre lang wesentlich geprägt. Auf den Tag zwei Jahre, nachdem ich die Regie von Sascha Arnz übernommen hatte, mussten wir Abschied von ihm nehmen. Während der Proben zur 150. »Wetten, dass …?«-Sendung erfuhren wir, dass Sascha mit 72 Jahren seinem Krebsleiden erlegen war. Wir widmeten ihm diese Sendung.

Alle Fernsehschaffenden haben einen großartigen Kollegen und die, die ihm nahe standen, haben einen guten Freund verloren. Mir wurde in diesem Moment klar, dass das vor zwei Jahren in der Presse beschriebene »schwere Erbe« nun zum Erbe geworden ist.

 
 
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