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2004  
ZDF Jahrbuch
Produktion und Technik
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Gunnar Darge

Olympiade 2004

 
Gunnar Darge
Gunnar Darge


Schaltraum im IBC
Schaltraum im IBC


International Broadcast Center
International Broadcast Center
              
 

Im August 2001 sind wir zum ersten Mal nach Athen geflogen, um uns ein Bild von dem zu machen, an dem wir bis zum August 2004 arbeiten würden. Uns bot sich ein Bild, das man von Athen nicht anders erwartet hätte: viel Verkehr, verstopfte Straßen, Hotels, über deren Zustand man lieber nicht nachdenken wollte, und viel Fläche, die verplant war, eines der größten Ereignisse in der Athener Geschichte zu realisieren.

Der Platz, auf dem das IBC – das International Broadcast Center – errichtet werden sollte, war nur ein riesiges Gelände, aber innerhalb von knapp drei Jahren sollte hier das Herzstück der Olympischen Spiele stehen – ein Zentrum, von wo aus die Olympischen Spiele sowie die Paralympics in alle Welt übertragen werden sollten.

Immer wieder flogen wir nach Athen, um die Fortschritte der Bauarbeiten zu beobachten und zu schauen, ob die Griechen sich an unsere Vorgaben hielten, und auch, um hier und da an unseren Plänen etwas zu verbessern oder zu verändern. Oft stieg unsere Unsicherheit, ob die Griechen es überhaupt schaffen würden, bis August 2004 so weit zu sein, um im Olympiastadion das Feuer entzünden zu können. Viele Tatsachen, die sich uns boten, sprachen zumindest dagegen. Egal, ob die Hotels, die zu vereinbarten Terminen bereits fertiggestellt sein sollten, noch Baustellen waren, oder ob man bei einzelnen Veranstaltungskomplexen das Gefühl nicht loswurde, dass längere Zeit gar nichts passiert sei. Nur der große Optimismus der Griechen schaffte es, dass wir jedes Mal wieder voll Hoffnung auf ein gutes Ende nach Hause flogen und weiter unserer Planung nachgingen. Und dann sind sie doch noch fertig geworden. Pünktlich mit der Ankunft unserer LKWs stand das IBC vollendet vor uns, sodass wir uns um die Innengestaltung kümmern konnten. Dadurch, dass in diesem Sommer zwei große Events so kurz aufeinander folgten – die Fußball-EM in Portugal und die Olympischen Spiele –, war die Transportfrage umso komplizierter. Teile des Materials mussten direkt von Portugal nach Athen transportiert werden. Dafür fuhren zehn Sattelschlepper von Portugal über Italien, um von dort aus nach Athen verschifft zu werden. Dort warteten schon acht weitere Sattelschlepper aus Mainz auf sie – und dann konnte es losgehen mit dem Entladen und Aufbauen. Alles Material wurde vom IBC verschlungen, das insgesamt eine Größe von 60 000 m² hatte. Uns standen davon 2 100 m² zur Verfügung. Mit stattlichen 80 Prozent eigener Technik entstand unter anderem ein 120 m² großes Studio, sechs Regien, 22 Schnitträume, sechs OFF-Sprecher-Plätze und zwei Audio-Nachbearbeitungsplätze, die alle in einem gewaltigen Schaltraum zusammenliefen. In Zusammenarbeit mit dem SWR begannen wir am 12. Juli, unseren zur Verfügung stehenden Platz zum Übertragen des sportlichen Ereignisses 2004 sendebereit zu machen.

Aber die Olympischen Spiele fanden natürlich nicht im IBC statt. Überall in Athen und Umgebung wurden neue Stadien errichtet und Landschaft gestaltet. Ob Rudern, Reiten oder Schießen, alle Wettkampfstätten wurden so hergerichtet, dass sie weltweit Anerkennung fanden. Und da wir natürlich auch an diesen »Außenstellen« ganz nah dabei sein wollten, hatten wir auch dort eigene Kameras, Ü-Wagen und Kommentatoren. Aber was auf einem Stadtplan gut aussieht, muss natürlich auch verkehrstechnisch durchdacht sein.

Da wir angesichts des Verkehrschaos während der Jahre 2001 bis 2004 sehr skeptisch waren, wie der Transport der Athleten und der anderen wichtigen Leute zwischen den einzelnen Veranstaltungsorten reibungslos ablaufen sollte, waren wir gespannt auf die Lösung des Problems seitens der Griechen. Und es war eine geniale Idee, die das Problem löste: Es wurde eine so genannte »Fast Lane« auf den bereits bestehenden Straßen eingerichtet, kenntlich gemacht durch eine rote Fahrbahn-Begrenzungslinie.

Vom 12. August an war diese Fahrspur ausschließlich für Autos mit entsprechender Genehmigung reserviert. Dadurch wurde der allgemeine Verkehr in Athen zwar etwas zäher, aber es war gewährleistet, dass der Terminplan der Olympischen Spiele ohne Verzögerungen eingehalten werden konnte. Und, um den Zuschauern die Anbindungen ebenfalls zu erleichtern, wurden neue U-Bahn-Strecken gebaut und die Straßenbahn nach 45 Jahren wieder ins Leben gerufen. Sie verband die Vororte Glyfada und Piräus mit dem Zentrum von Athen. So hielt sich das Verkehrschaos tatsächlich sehr in Grenzen.

Somit konnte am 10. August pünktlich die Übertragung aus Athen beginnen. Die Eröffnungsfeier aus dem Olympiastadion war ein eindrucksvoller Auftakt zu großartigen Spielen. Der Regisseur hatte in der Eröffnungsfeier die Geschichte Griechenlands anschaulich umgesetzt. Am Olympiastadion waren wir mit unserem MP3 vertreten. Durch die Hitze – typisch für Athen im August – hatten nicht nur wir extreme klimatechnische Probleme zu bewältigen. Temperaturen von zeitweise 54° C in der Sonne stellten eine große Herausforderung an unsere Klimaanlage dar. Und bis auf einen kurzen Ausfall, der zum Glück nicht sendegefährdend war und schnell wieder behoben werden konnte, ließ sie uns nicht im Stich. Und dennoch haben wir darüber nachgedacht, es vielen anderen Ländern gleichzutun, die ihre Ü-Wagen unter großen weißen Zelten geparkt hatten, um durch den Schatten vor Überhitzung geschützt zu sein.

Für 17 Tage standen die Olympischen Spiele ganz im Mittelpunkt des Fernsehprogramms. Erstmalig wurden die Spiele auf vier zusätzlichen Kanälen parallel zum Hauptprogramm übertragen. ARD und ZDF hatten sich entschlossen, je zwei ihrer digitalen Kanäle den Olympischen Spielen zur Verfügung zu stellen. Dadurch war es möglich, auch über Trend- und Randsportarten ausführlich zu berichten, was von den Zuschauern begeistert angenommen wurde. So konnten wir breitgefächert den Interessen der Zuschauer gerecht werden, ohne im Hauptprogramm auf die Sportarten mit dem größten Interesse zu verzichten. Durch diese Programmvielfalt kamen wir mit Hilfe von 324 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Bereich der Technik und ebenfalls so vielen im Bereich Redaktion und Produktion auf insgesamt 1 300 Sendestunden.

Einzigartig bei diesen Spielen war auch das Übertragungskonzept. Über eine Glasfaserverbindung waren Griechenland und Deutschland miteinander verbunden. Über diese Glasfaserverbindung, die den Schaltraum im IBC mit dem Sendezentrum in Mainz verband, wurde die gesamte Signalführung realisiert – Hauptprogramm, vier Digitalkanäle, Rückleitungen, Kommunikation und Datenanbindung. Diese Technik schuf die Möglichkeit, das Signal unserer eigenen SNG (Satellite News Gathering) – die innerhalb Athens unter anderem für die Randberichtserstattung im Einsatz war –, sehr viel kostengünstiger in Mainz zu empfangen und Bild sowie Ton dann über die Glasfaserleitung wieder der Regie in Athen zur Verfügung zu stellen.

Nach der Schlussveranstaltung am 29. August hieß es für uns, umzurüsten auf die Paralympics. Die Olympischen Spiele der Behinderten haben in den letzten Jahren bei den Zuschauern und Organisatoren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Athen wurde vorbereitet, um den behinderten Athleten ebenso gerecht zu werden wie den nichtbehinderten. Diesmal standen uns täglich rund 60 Sendeminuten zur Verfügung, um die beeindruckenden Leistungen zu übertragen. Vom 17. bis 28. September waren noch 88 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter damit beschäftigt, die Leistungen auch dieser Athleten zu dokumentieren.

Nach der Schlussfeier am 28. September waren die Olympischen Sommerspiele schon wieder Geschichte. Geblieben sind schöne Erinnerungen an eine Produktion der Superlative. Die Zusammenarbeit mit dem SWR war sehr konstruktiv und harmonisch. Trotz vieler Überstunden und immer wieder Zeitdruck war die Stimmung im Team während der ganzen Zeit stets motiviert und freundlich. Wir konnten in Athen eine perfekt funktionierende Infrastruktur und vorzügliche Sicherheitsmaßnahmen erleben. Nie hatte man den Eindruck, es würde etwas außer Kontrolle geraten. Die Athener begegneten uns freundlich und zuvorkommend. So werden wir auf diese Zeit immer wieder gerne und mit Stolz auf unsere Leistung zurückblicken können – angespornt, es bei den nächsten Olympischen Spielen in Peking mindestens genauso gut zu machen.

 
 
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