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Klaus-Peter Siegloch

40 Jahre »heute«-Nachrichten

 
Klaus-Peter Siegloch
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Klaus-Peter Siegloch im »heute«-Studio
Klaus-Peter Siegloch im »heute«-Studio


»heute« 1971 mit Wibke Bruhns und Hanns Joachim Friedrichs
»heute« 1971 mit Wibke Bruhns und Hanns Joachim Friedrichs


Schalte zu Ulrich Tilgner nach Bagdad
Schalte zu Ulrich Tilgner nach Bagdad
              
 

Die Eierpreise bleiben vor Ostern stabil, bei den Wahlen in Rheinland-Pfalz bekommt die CDU einen Dämpfer und in München liegt Schnee – Meldungen aus der ersten »heute«-Sendung am 1. April 1963. Nicht nur in unserer Republik ging es noch etwas beschaulicher zu, sondern auch in den »heute«-Nachrichten, die mit dem Start des Zweiten Deutschen Fernsehens gerade auf Sendung gegangen waren. Filme von Auslandsereignissen etwa trafen oft erst nach Tagen in der Redaktion ein. Für einen Bericht aus Washington zum Beispiel mussten erst einmal die Bilder entwickelt und geschnitten werden, bevor sie zum Flughafen gebracht wurden. Den Filmbeutel nahm dann meist der Lufthansa-Kapitän persönlich mit nach Frankfurt. Heute hat der Washington-Korrespondent häufig nur Minuten Zeit, um die Bilder beispielsweise von der Pressekonferenz des US-Präsidenten am digitalen Editor zu schneiden, um den O-Ton zu übersetzen und mit seinem Text zu mischen. Dann geht die Überspielung direkt aus dem Studio an der M Street zum Sendezentrum auf dem Mainzer Lerchenberg. Gerade noch rechtzeitig zum Beginn der 19-Uhr-»heute«-Nachrichten. Doch nicht nur das hat sich seitdem verändert.

Die deutschen Fernsehzuschauer, die 1963 gerade einmal die Wahl zwischen dem ARD-Programm mit der »Mutter aller TV-Nachrichten«, der »Tagesschau«, und »heute« beim ZDF hatten, bekommen 2004 nicht nur in den öffentlich-rechtlichen Programmen fast stündlich Nachrichten. Auch jeder private Kanal hat News im Programm, wenn es auch manchmal schwer fällt, deren Nachrichtengehalt auszumachen. Dazu kommen für Kabel-Nutzer mit n-tv und N24 zwei deutsche 24-Stunden-News-Programme sowie CNN und BBC World. Nachrichten und Bilder aus aller Welt also, wann immer man sie sehen will.

Völlig verändert hat sich auch die Technik – und das hat auch Konsequenzen für den Inhalt. Während der Schritt von der Film- zur EB-Kamera schon erhebliche Beschleunigung brachte, sind es jetzt digitale Kameras, deren Bilder am Laptop geschnitten werden und die über Mini-Satellitenschüsseln oder über Satellitentelefone sogar aus der Wüste direkt in die Sendezentrale überspielt werden können. Wir Journalisten sind damit viel mobiler und schneller geworden – aber auch besser? Wer früher zwei, drei Tage lang mit seinem Team unterwegs war, um Bilder für einen »heute-journal«-Beitrag zu sammeln, der wird da eher skeptisch sein. Denn heutzutage haben die Korrespondenten oft nicht mehr als zwei, drei Stunden für die gleiche Aufgabe. Das wichtige Ereignis vom frühen Abend gehört eben ins Journal, mit den besten Bildern und der Analyse. Früher hätte auch der nächste Tag noch gereicht. Doch wir Nachrichten-»Macher« haben gar keine andere Wahl, weil sich das Sehverhalten der Zuschauer mit den technischen Möglichkeiten gewandelt hat. Sobald sie etwa im Hörfunk von einem wichtigen Ereignis, beispielsweise einer Katastrophe oder einem politischen Skandal, hören, schalten sie ihr Fernsehgerät ein und machen sich auf die Suche nach Bildern und Erläuterungen. Wer dann nichts zu bieten hat, wird beim nächsten Mal gar nicht erst eingeschaltet.

In dieser harten, oft internationalen Konkurrenz haben ZDF und ARD sich das Vertrauen der Zuschauer bisher erhalten können. Ganz gleich, ob Krieg im Irak, Erdbeben in Algerien oder Regierungskrise in Berlin: »heute« und »Tagesschau« sind die erste Wahl im Krisenfall. Dieses Vertrauen haben wir uns durch Jahrzehnte glaubwürdiger Berichterstattung erarbeitet, doch ausruhen können wir uns darauf nicht. Mindestens so schnell wie die Konkurrenz müssen wir sein und dabei verlässlich und gründlich bleiben.

Für uns Journalisten ändert sich die Aufgabe nicht, doch die Anforderungen werden höher. Denn wer kurz nach den Bombenanschlägen in Istanbul als Korrespondent live geschaltet wird, kann nicht mehr nachlesen über die kleine radikal-islamische Gruppe, die sich zu den Selbstmordattentaten bekennt – er muss es wissen. Und er muss in der Lage sein, sehr schnell, klar und knapp die Situation zu analysieren und für die Zuschauer einzuordnen. TV-Sender, die sich kein Korrespondentennetz wie ZDF und ARD leisten, können das nicht. Und die Zuschauer merken das. Der Erfolg von Ulrich Tilgner während des Irak-Kriegs beruhte eben darauf: Jeder spürte das Wissen und die Erfahrung des jahrzehntelangen Kenners der Region. Wenn während der Liveschaltung aus Bagdad in die 19-Uhr-»heute« hinter ihm die Bomben und Raketen einschlagen, kann er unaufgeregt die militärische Lage erklären. Livebilder von Ereignissen – in unseren Nachrichtensendungen bewusst die große Ausnahme – so sind sie zu verantworten. Denn sie sollen nicht die Lust an der Sensation bedienen, sondern helfen, sich ein realistisches Bild von der Lage zu machen, vermittelt vom Kenner vor Ort.

Schneller sein als die Konkurrenz, das kann auch eine gefährliche Versuchung sein. Die Bilder von Ereignissen sind inzwischen meist schneller bei uns als die Informationen dazu. Statt zu informieren und zu erklären, kann oft nur spekuliert werden, was da geschehen ist. Die seriösen Nachrichten unterscheiden sich von den anderen dadurch, dass sie erkennbar machen, was sie nicht wissen. Im Irak-Krieg war es oft genug der Fall: Die eine Quelle meldete amerikanische Erfolge, die andere, dass der US-Vormarsch gestoppt sei. Da hilft es nur, die Zuschauer über solche Widersprüche zu informieren, wenn man keine eigenen Informationen aus ersten Hand hat.

Für Kriegführende, aber auch für Terroristen in aller Welt sind Fernsehbilder eine wichtige Waffe geworden. Ganz bewusst hat Osama bin Laden die World Trade Towers in New York als Ziele für die Anschläge vom 11. September ausgewählt. Und der Sturz der Saddam-Statue in Bagdad war eine Inszenierung der US-Armee. Diese Bilder gingen um die Welt und haben sich in unser Gedächtnis eingebrannt. Umso wichtiger ist es, dass wir alles tun, um nicht zum Instrument solcher Propaganda zu werden – unsere Rolle als kritischer Prüfer der Informationen und als Erklärer wirklich wahrnehmen.

Der 11. September und der Irak-Krieg haben auch deutlich gemacht, dass öffentlich-rechtliche Vollprogramme bei solchen die Welt erschütternden Ereignissen eine Zeit lang ihre Sendestrukturen vergessen müssen. Sie werden dann wie Nachrichtenkanäle: Alles wird dem einen Thema untergeordnet. »heute«-Nachrichten wechseln sich ab mit »ZDF spezial«-Sendungen. Das ist nicht nur eine große journalistische Herausforderung, sondern auch eine technische und logistische Höchstleistung. Da Redaktion, Produktion und Technik es gewohnt sind, in Sendungen zu denken, muss es im Fall von Breaking News auch einen Wandel im Denken geben: Wenn das Ereignis also gerade passiert ist, wird nicht mehr eine Nachrichtensendung für den nächsten »heute«-Termin geplant, sondern so schnell wie möglich gesendet. Die Redakteure von »heute« und »heute-journal« haben das im Jahr 2003 viele Male geübt, zusammen mit Moderatoren, Korrespondenten und der gesamten Produktion und Technik. Schon wenige Minuten nach dem für alle überraschenden Alarm war ein Team sendebereit, Korrespondenten zumindest am Telefon zugeschaltet, Karten und – wenn möglich – Bilder abrufbar. Nur durch solche Übungen war es möglich, als erster großer deutscher Sender die Festnahme Saddam Husseins in einer »heute«-Sondersendung zu vermelden.

Vieles hat sich also geändert in 40 Jahren Fernsehnachrichten. Das Wichtigste ist aber in jedem Fall gleich geblieben: unsere Aufgabe, so schnell und gründlich wie möglich jeden Tag ein Bild der Welt zu vermitteln und unseren Zuschauern zu helfen, es zu verstehen.

 
 
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