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Ruprecht Polenz

»Vom sichern Port lässt sich's gemächlich raten«
Anmerkungen zur Gremienarbeit

 
Ruprecht Polenz
Ruprecht Polenz
              
 

»Vom sichern Port lässt sich's gemächlich raten«, steht schon bei Friedrich Schiller im Wilhelm Tell zu lesen. Das Zitat zur Abwehr von Ratschlägen unbedarfter Dritter hat inzwischen Karriere gemacht. Auch andere Sentenzen – wie etwa: »Kommt Zeit, kommt Rat«, »Ratschläge sind auch Schläge« oder »Guter Rat ist teuer« (= selten!) – kommen einem bei dem Versuch in den Sinn, die Arbeit von Räten auf einen kurzen Nenner zu bringen. Nur allzu rasch und gerne setzt man Ratgeber in ironischen Kontrast mit solchen Sprüchen und bleibt bei der kleinen, gut oder auch weniger gut gemeinten Provokation stehen.

Ein angemessenes Verständnis der komplizierten Arbeit des Ratgebens, noch dazu in einem großen Gremium wie dem 77-köpfigen ZDF-Fernsehrat (dessen Zusammensetzung in der Dokumentation nachzulesen ist; d. Red.), befördert ein solches Vorgehen allerdings nicht. Vielmehr lässt sich für die Arbeit des Fernsehrats sagen: Sicher ist heute nichts mehr; gelassen abwarten bedeutet immer öfter, von Entwicklungen abgekoppelt zu werden; und »teuer« im doppelten Sinne des Wortes ist der gute Rat weder für die Gebührenzahler noch für das ZDF.

Nun mag sich einem Außenstehenden die komplizierte Zusammensetzung des Gremiums, dessen Aufgaben und Arbeitsweisen bei den regelmäßigen Ausschuss- oder den vierteljährlichen Fernsehrats-Sitzungen nicht auf den ersten Blick erschließen. Dennoch entspringen die Gremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks keinem Akt bürokratischer Überverwaltung. Sie sind auch kein überflüssiger Luxus. Sie sind vielmehr ein entscheidendes Konstitutivum zur demokratischen Überwachung der Programmautonomie, die verfassungsmäßig begründet den öffentlich-rechtlichen Anstalten verliehen ist.

Zur Erinnerung: Die Angebote von ARD und ZDF sind gesetzlich definiert und werden von demokratisch legitimierten Repräsentanten – übrigens nicht den politischen Parteien – kontrolliert. In den Rundfunkstaatsverträgen und in der einschlägigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichts wurde die besondere Qualität des Mediums Fernsehen für die deutsche Medienlandschaft stets erkannt und ihr der notwendige Freiraum eingeräumt. Gleichzeitig trägt der Gesetzgeber den Entwicklungen und Veränderungen bei den Medien Rechnung und passt diese den Normen an.

Ein Beispiel: Mit der siebten Novellierung des Rundfunkstaatsvertrags, die am 1. April 2004 in Kraft treten soll, wird der Rundfunkgesetzgeber unter § 11 Abs. 4 für ARD und ZDF eine Auflage beschließen, die das geltende Rundfunkrecht um einen entscheidenden Punkt erweitert. So heißt es dort: »Die in der ARD zusammengeschlossenen Rundfunkanstalten, das ZDF und das DeutschlandRadio erlassen jeweils Satzungen oder Richtlinien zur näheren Ausgestaltung ihres jeweiligen Auftrags … (Sie) veröffentlichen alle zwei Jahre, erstmals zum Oktober 2004, einen Bericht über die Erfüllung ihres jeweiligen Auftrags, über die Qualität und Quantität der Angebote und Programme sowie geplante Schwerpunkte der jeweils anstehenden programmlichen Leistungen.«

Die Erarbeitung der Selbstverpflichtungserklärungen setzt deren Einbindung in die bestehenden Gesetzesgrundlagen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk voraus. Daher schafft zunächst eine »Grundnorm« im Rundfunkstaatsvertrag die Rechtsgrundlage der Selbstverpflichtungserklärungen. Sodann sind die Satzungen und Programmrichtlinien von ARD und ZDF an diese Grundnorm anzupassen. Schließlich werden im dritten Schritt die eigentlichen Selbstverpflichtungserklärungen entwickelt.

Bei der Formulierung und Konkretisierung der angesprochenen Satzungen und Richtlinien sind die Anstalten autonom. Sie binden sich auf dem Wege der Selbstverpflichtung. Ein vergleichbares Modell findet sich bei der britischen BBC, die bereits seit 1996 in den so genannten »Promises to Viewers and Listeners« Programminhalte und -standards veröffentlicht. Sie gibt Rechenschaft über das eingesetzte Gebührengeld ab, dokumentiert gebündelt die exzellente Programmqualität und -vielfalt vor allem gegenüber dem kommerziellen Rundfunk, und trägt auf diese Weise zu besserem Verständnis und höherer Akzeptanz der BBC bei.

Analog läuft dies beim ZDF darauf hinaus, dass das Haus nach der Erarbeitung entsprechender allgemeiner und konkretisierender Richtlinien in einem Zwei-Jahres-Turnus Programm- und Unternehmensziele festlegt, auf die es sich verpflichtet und die es nach Ablauf der beiden Jahre konkret überprüft.

Die Selbstverpflichtungserklärungen, die amtlich veröffentlicht werden, beinhalten damit einen perspektivischen sowie einen bilanzierenden Teil. Damit wird der öffentlich-rechtliche Funktionsauftrag nicht nur konkreter gefasst, er wird auch für das Publikum anschaulicher.

Die Ausarbeitung der Selbstverpflichtungserklärung ist somit eine Kernaufgabe der Kollegialorgane Intendant, Fernsehrat und Verwaltungsrat des ZDF in den nächsten Monaten. Eine inhaltlich zu expansiv gefasste und damit gesellschaftlich wie medienpolitisch nicht vermittelbare Formulierung seines Aufgabenportfolios ist dabei ebenso zu vermeiden wie eine zu restriktive Eingrenzung seiner Programmtätigkeiten, die den Erfordernissen des Wettbewerbs zuwiderliefe, den spezifischen Funktionsauftrag unterlaufen und somit auch die Stabilität des dualen Rundfunksystems im Ganzen eingrenzen würde.

Dass hierbei nicht allein programmliche Gesichtspunkte leitend sein können, versteht sich von selbst. Vielmehr ist mit Blick auf den Funktionsauftrag des ZDF, auf die Gebührenakzeptanz in der Bevölkerung, auf die Sozialverträglichkeit der Höhe der Rundfunkgebühren insgesamt sowie auf die Signalwirkungen für den Wettbewerb im dualen System immer auch die finanzielle und strategische Tragweite von Unternehmensentscheidungen zu berücksichtigen.

Aus diesem Grund hat auch die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten in ihrem 14. KEF-Bericht die Gremien von ARD und ZDF gebeten, die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Bezug auf eine kostenintensive Ausweitung seines Leistungsangebots aufmerksam zu begleiten. Unter Teilziffer 13 heißt es: »Die Kommission bittet die verantwortlichen Gremien, die hier aufgezeigten Entwicklungen bei zukünftigen Entscheidungen zu berücksichtigen.«

Dieses höflich formulierte Ansinnen weist im Klartext darauf hin, dass auch Fernsehräte nicht über dem Gebot der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit stehen, sondern sich die finanziellen Auswirkungen ihrer Beschlüsse immer vor Augen führen sollten, wenn sie die langfristige Wettbewerbsfähigkeit wie die gesellschaftliche Relevanz und Akzeptanz »ihrer« Rundfunkanstalt sichern möchten und sich als das verstehen, was sie sind: Interessenvertreter der Gesellschaft im Ganzen in einer dem Gemeinwohl dienenden Rundfunkfreiheit.

Ein solcher »Rat« kann auch angenommen werden. Um noch einmal Schiller zu strapazieren: Fernsehräte agieren eben nicht vom sicheren Port aus, sondern sitzen fest und unverzichtbar mit »im Boot« namens ZDF.

 
 
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