ZDF.de
                Kontakt    
Suche
Erweiterte Suche
 
2003  
ZDF Jahrbuch
Programmbouquet und Beteiligungen
Gottfried Langenstein
Engelbert Sauter
Heiko Holefleisch
Simone Emmelius
Barbara Biermann
Bodo H. Hauser
Reinhold Elschot
Ernst Elitz

Simone Emmelius

MHP - Fernsehen zum Mitmachen

 
Simone Emmelius
Simone Emmelius
              
 

Mitraten, mitdenken, mitreden. Schluss mit der Einbahnstraße. Das Fernsehen als Hin- und Herverkehr – zumindest für diejenigen, die ihre Programme digital empfangen. Das Zauberwort heißt MHP (neudeutsch: Multimedia Home Platform). Dahinter verbirgt sich ein technischer Standard, der es möglich macht, interaktive Angebote parallel zum Fernsehprogramm zu veranstalten oder sogar in eine Sendung zu integrieren. Frei nach der Devise: Was mit dem analogen Teletext möglich ist, das muss sich doch in einer digitalen Fernsehzukunft noch deutlich steigern lassen.

»Unsere Besten«, das Programmereignis im ZDF 2003, lieferte ein anschauliches Beispiel, welcher Zusatznutzen dem Zuschauer durch ein flankierendes MHP-Angebot entsteht. Während die Zuschauer »im Sauseschritt der Sendung« die Biografien und Anekdoten zur Hitliste der 100 Besten verfolgten, konnten sie sich die Namen und Fakten auch unabhängig vom unmittelbaren Sendungsgeschehen über ihren Fernsehbildschirm aufrufen; genauso wie interessante Informationen im Überblick, zum Beispiel »Wer sind unsere besten Frauen?« oder »Wie viele Naturwissenschaftler gehören zu den 100 Besten?«.

Vor allem aber während der IFA 2003 in Berlin nutzte das ZDF die Gelegenheit, die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten solcher Angebote anschaulich zu demonstrieren. Mit von der Partie natürlich das Kinderquiz »1, 2 oder 3«, bei dem die Zuschauer vom heimischen Sofa aus gegen die Kandidaten im Studio antreten konnten – per Knopfdruck auf der Fernbedienung. Weniger aufs Mitspielen als auf das Mitdenken und Mitreden-Können ausgerichtet waren Zusatzangebote wie beispielsweise zu »Berlin Mitte«, die den Zuschauer mit relevanten Hintergrundinformationen zur Diskussion versorgten – von der Vita der geladenen Gäste bis hin zur Begriffsklärung bei Fachausdrücken oder der Möglichkeit, eine eigene Bewertung abzugeben. Ein Angebot, das sich auf eine Vielzahl von Informationssendungen übertragen lässt.

Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass insbesondere der ZDFinfokanal im Mittelpunkt vieler Überlegungen zu interaktiven Zusatzinformationen steht. Als Ratgeber- und Servicekanal versteht er es als originäre Aufgabe, den Zuschauer mit Hilfe interessanter Bilder und anschaulicher Fallbeispiele bei der Bewältigung alltäglicher Fragen zu unterstützen. Das Angebot eines interaktiven Zusatzdienstes, mit dem der Zuschauer die Informationstiefe nach seinen individuellen Bedürfnissen erweitern kann, liegt damit nahe. Das avancierteste Projekt in diesem Zusammenhang war sicherlich der Versuch, eine Verbindung von Fernsehprogramm und Zusatzinformationen für stationäre und mobile Empfangsgeräte gleichermaßen zu adaptieren. Auch hierfür ist der ZDFinfokanal aufgrund seines bereits an zukünftigen Nutzungsgewohnheiten orientierten, kurzgetakteten Programmschemas prädestiniert.

Bei der auf der IFA gezeigten Lösung empfing der Zuschauer das Programm des ZDFinfokanals über DVB-T. Dies ist derzeit nur in Berlin und Umgebung möglich, wird 2004 aber durch die Einführung in Nordrhein-Westfalen und weiteren Gebieten in Norddeutschland erheblich an Reichweite und Bedeutung gewinnen. Der große Vorteil von DVB-T entspricht dem des Handys: Ich erreiche eine Person, nicht einen Ort. Durch die Antenne ist der Zuschauer räumlich völlig ungebunden, unabhängig von Kabeln und Steckdosen. Er kann seinen Fernseher in jeden beliebigen Raum seiner Wohnung tragen, um dort fernzusehen. Mehr noch: Er kann sein Programm überall empfangen – im Bus, auf dem Bahnhof, im Café. Dies geschieht mit Hilfe spezieller Empfangsteile, die sich wie eine Scheckkarte beispielsweise in ein Laptop oder ein so genanntes PDA hineinschieben lassen.

Ein anderes auf der IFA gezeigtes Beispiel für zukünftige Möglichkeiten eines interaktiven Miteinanders von Fernsehprogramm und Zuschauer war die Adaption der ZDF-Dokumentation »Eine Frage der Perspektive – Die Flugzeugkatastrophe von Überlingen«. Im Gegensatz zur ZDF-Dokumentation, die das Geschehen zwar aus wechselnden Perspektiven, aber in seiner linearen, zeitlichen und damit auch filmdramaturgischen Chronologie zeigte, war es in der interaktiven Umsetzung für den Zuschauer möglich, jeweils einem Erzählstrang, einer Perspektive zu folgen und den Wechsel der einzelnen Erzählebenen selbst zu bestimmen. Ziel dieser Variante war es, den Zuschauer selbst erfahren zu lassen, wie sich seine Einschätzung, sein Bild von »der Wahrheit« verändert, wenn er bewusst eine andere Perspektive zu dem Geschehenen einnimmt.

Ebenfalls auf der IFA zu sehen: die Eingangstür in das Digitalangebot des ZDF, das Portal von ZDFvision. Nach der Abschaltung des Elektronischen Programmführers EPG auf Basis eines proprietären Softwarestandards »Open-TV« will das ZDFvision-Portal den übersichtlichen und vor allem ungehinderten Zugang der Zuschauer zu allen Angeboten des ZDF sicherstellen und muss deshalb ebenfalls dem technischen Standard MHP entsprechen. Und nicht zu vergessen: der Klassiker unter den MHP-Angeboten, der ZDFdigitext. Er ist das erste dauerhafte MHP-Angebot im deutschen Fernsehen überhaupt. Als »Teletext für die digitale Welt« ist er seit Sommer 2003 auf Sendung und versorgt die Zuschauer mit allen aktuellen Informationen aus den Bereichen Nachrichten, Sport, Wetter und Programminformationen.

Natürlich stehen hinter so vielen praktischen Einsatzmöglichkeiten für interaktive Angebote in einem frühen Stadium vor allem strategische Überlegungen und Erkenntnisse: Fernsehen verändert sich. Individualität – Mobilität – Interaktivität: Diese drei Schlagworte stehen für tiefgreifende Veränderungen im Nutzungsverhalten der Zuschauer und damit auch im Angebotsverhalten der Programmveranstalter.

Individualität: Die Digitalisierung ermöglicht es den Programmveranstaltern, Spartenkanäle anzubieten, die zielgruppenspezifischen Zuschauerwünschen Rechnung tragen. Eine entsprechende »Anspruchshaltung« ergibt sich bereits heute aus der Vielfalt an bestehenden Programmalternativen.

Mobilität: Die individualisierte Erwartungshaltung hinsichtlich der Inhalte korrespondiert mit einer von eigenen Präferenzen geprägten Erwartungshaltung hinsichtlich der räumlichen Verfügbarkeit von Medienangeboten: Ich will nicht nur sehen, was ich will – ich will es vor allem sehen, egal wo ich bin!

Interaktivität: Mitmachen, Mitdenken, Mitreden und Fernsehen passen zusammen. Voraussetzung: kinderleichte Bedienung und eine Umsetzung, die das »Mitmach«-Fernsehen zum Gemeinschaftserlebnis der Zuschauer macht.

Die Zukunft für interaktive Fernsehangebote liegt mittelfristig vor allem in drei Bereichen:

  • sendungsbegleitende Zusatzdienste oder Sendungselemente, die den Informationsgehalt eines Programms unter individuellen Gesichtspunkten vertiefen. Gerade solche Angebote sind auch prädestiniert für ein mobiles Nutzungsverhalten;
  • Sendungen mit »traditioneller« Zuschauerbeteiligung. Das Spektrum reicht hier vom reinen Bewerten (»Voting«) über das Mitdiskutieren bis zur Mitspiel-Form: Fernsehstudio gegen heimisches Sofa;
  • der Schwerpunkt interaktiver Angebote bei kommerziellen Anbietern wird allerdings mit großer Wahrscheinlichkeit in der Entwicklung neuer Werbeformen liegen, die mit einer unmittelbaren Einkaufsmöglichkeit verknüpft sind.

Wie die geschilderten Beispiele eindrücklich belegen, hat das ZDF mit Beginn seiner digitalen Fernsehaktivitäten auch im Bereich interaktiver Fernsehangebote kontinuierlich Know-how aufgebaut und ist damit zur viel beachteten »Messlatte« für MHP-Anwendungen geworden.

Und diese Erfahrungen in der programmlichen und technischen Umsetzung sind unverzichtbare Voraussetzung für das ZDF, wenn es gilt, die erste Bewährungsprobe für das Digitalfernsehen zu bestehen: die Olympischen Spiele in Athen 2004.

 
 
zum Seitenanfang   
 
über das ZDF Impressum Kontakt   Erweiterte Suche © ZDF 2004
zdf.de ZDFinfokanal ZDFdokukanal ZDFtheaterkanal arte 3sat phoenix kika