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2003  
ZDF Jahrbuch
Produktion und Technik
Albrecht Ziemer
Rolf Gith/Beate Scherer
Martin Kühne/Bruno Krüger
Hans Heber

Albrecht Ziemer

Von der Vision zur Wirklichkeit

 
Albrecht Ziemer
Albrecht Ziemer
              
 

Das hat es bei Infrastrukturmaßnahmen so noch nie gegeben. Haftet ihnen doch gemeinhin die Harzigkeit langwieriger Umstellprozeduren an. So gab es beispielsweise das bleihaltige Benzin noch über elf Jahre lang an den Tankstellen zu kaufen, nachdem es vom Gesetzgeber im Jahr 1976 geächtet worden war. Doch beim digitalen terrestrischen Fernsehen DVB-T in Berlin/Brandenburg war alles ganz anders.

In dieser ersten Umstellinsel in Deutschland markieren zwei relativ kurz aufeinander folgende Daten einen Prozess, der zugleich auch eine Weltpremiere war: der vollständige und irreversible Umstieg der terrestrischen Fernsehversorgung von analog auf digital. Am 13. Februar 2002 erfolgte die Unterzeichnung einer Vereinbarung zwischen den Marktpartnern zu diesem Umstieg – und am 4. August 2003 wurden die letzten analogen Sender abgestellt. Ein Versorgungsgebiet mit 5,5 Millionen Einwohnern war in einem Zeitraum von nur 18 Monaten vollständig digitalisiert worden – und alle haben mitgemacht: Programmanbieter, Medienbehörden, ausländische Nachbarn bei der Senderkoordination, Ausrüstungsindustrie, Endgeräteindustrie, Fachhandel und vor allem die Zuschauerinnen und Zuschauer.

Das Überall-Fernsehen – wie DVB-T inzwischen ohne Rückgriff auf die sonst stereotypen Anglizismen genannt wird – hat auf Anhieb überzeugt und im Publikum Akzeptanz gefunden. Obwohl es statistisch im Versorgungsgebiet nur noch 125 000 terrestrische Haushalte gab, wurden im angegebenen Zeitraum über 180 000 Beistellboxen (Set-Top-Box) für DVB-T-Empfang verkauft.

Dabei hat es auch Wanderungsbewegungen gegeben, zum und vom Kabel und zum und vom Satelliten; das Überall-Fernsehen hat also den TV-Markt in seiner ganzen Breite angesprochen, der terrestrische Empfang ist durch die Digitalisierung aus seiner Nische herausgetreten. Und genau das war die strategische Planung (auch) des ZDF, deshalb haben wir uns seit Jahren so intensiv für DVB-T eingesetzt.

Es ist noch eine weitere Rechnung des ZDF in einem ersten Ansatz aufgegangen – die Verjüngung des Publikums. Das Überall-Fernsehen soll den Menschen in ihren Lebensbereichen folgen, die in der Handygeneration mobiler und ortsunabhängiger geworden sind. Diese Handygeneration hat DVB-T offensichtlich für sich entdeckt. Auch wenn bislang noch wirklich portable und mobile Endgeräte fehlen, hat sich, wie in Bild 1 wiedergegeben, das Publikum im terrestrischen Empfangsweg stark verjüngt. Auf der Internationalen Funkausstellung, IFA 2003, sind übrigens erste Ansätze neuer, portabler Endgeräte mit Flachbildschirmen gezeigt worden. Außerdem hat das ZDF zusammen mit Kooperationspartnern aus der Industrie in einer weiteren Weltpremiere vorgestellt, dass auch »artfremde« Endgeräte wie Notebooks und PDAs über Einsteckkarten auf DVB-T-Empfang nachgerüstet werden können (Bild 2). Die wirkliche Mobilisierung des Fernsehempfangs ist damit technische Realität geworden, und dass das Publikum dem folgen wird, kann nach den ersten Erkenntnissen in Berlin/Brandenburg nunmehr als gesichert gelten.

Zudem befinden wir uns in einem Marktumfeld, das von einer ganz anderen Seite auf denselben Punkt gestoßen ist. Die Automobilindustrie sucht nach Mehrwerten für ihre Produkte und setzt dabei verstärkt auf Unterhaltungssysteme. Neben Radio und CD sind das vor allem auch Fernsehen und Videospiele – nur für die Fondsitze, versteht sich, aber auch für die Stunden im Stau. Nach einer Prognosezahl der Automobilindustrie wird sich dieser Markt in einem Zeitraum der nächsten fünf Jahre von derzeit zehn Milliarden Euro auf 20 Milliarden Euro verdoppeln, der DVB-T-Empfang im Auto kann damit zum Ausstattungsstandard werden – und unser Programmangebot ZDFmobil würde so zum Begleiter im Fahrzeug. Auch das bringt Verjüngung und erlaubt uns untertags die Vorbereitung des Fernsehabends in der ZDF-Familie; Crosspromotion kann so etwas auch genannt werden, eine Spielart, über die das ZDF mangels Hörfunk bislang nicht verfügt hat.

Auch die Statistik moderner, prinzipiell fernsehfähiger Endgeräte zeigt, auf welches Potential das Überall-Fernsehen stößt, um in der Multimediawelt auf fremden Geräten trittbrettfahren zu können: Sechs Prozent der Bevölkerung besitzen schon heute ein Notebook, über eine Million PDAs sind in Europa verkauft worden, 24 Prozent der Zwölf- bis 18-Jährigen besitzen ein eigenes Handy, und der Handyanteil mit guten, farbigen Bildschirmen steigt ständig. Alle diese Zahlen sind weiterhin im Steigen begriffen, sie vergrößern sich von Jahr zu Jahr, und sie betreffen vor allem eine jugendliche Zielgruppe, die bislang nicht gerade das Stammpublikum des ZDF ausgemacht hat. Alle Anstrengungen und Investitionen, diese für ZDFmobil zu erschließen, tragen hier unmittelbar Früchte, weil es Neukunden betrifft und keinen Austausch darstellt.

Doch zurück zum Erfolg in Berlin/Brandenburg. Die Initiative Digitaler Rundfunk (IDR) der Bundesregierung sieht vor, dass alle Verteilwege des Rundfunks bis zum Jahr 2010 digitalisiert werden sollen, also auch die terrestrische Ausstrahlung. Berlin/Brandenburg ist dabei nur ein erster Schritt, dem nun rasch weitere folgen werden. Das Planungskonzept sieht vor, dass in Deutschland zunächst ballungsraumbezogene Inseln umgestellt werden, wie es in Bild 3 wiedergegeben ist. Das hat frequenztechnische Gründe. Erst nach Abschluss einer internationalen Planungskonferenz für Frequenznutzung, die im Jahr 2004 beginnt, kann auf eine Flächenversorgung umgestellt werden. Die ausgewiesenen Inseln stellen dazu bereits einen Einstieg dar und erreichen für sich nahezu schon 80 Prozent der Wohnbevölkerung.

Ein rasches Vorgehen mit diesen Inseln ist also auch wirtschaftlich sinnvoll und ist darüber hinaus dringend notwendig, um nach dem erfolgreichen Start in Berlin/Brandenburg die Erwartungshaltung des Marktes von der Endgerätefertigung bis hin zum Publikum nicht zu enttäuschen und auch um den föderalen medienpolitischen Ansprüchen gerecht zu werden.

Für 2004 sind die Inseln Norddeutschland, Nordrhein-Westfalen sowie das Rhein-Main-Gebiet und Leipzig/Halle und Erfurt/Weimar durchgeplant und vorbereitet. Sollten alle hierfür noch notwendigen regionalen (politischen) Vereinbarungen rechtzeitig, das heißt noch 2003 abgeschlossen werden, kann dieser Zeitplan eingehalten werden. Deutschland hätte dann relativ kurzfristig auf dem terrestrischen Weg etwa 30 Prozent seiner Wohnbevölkerung digitalisiert und im internationalen Vergleich seine Spitzenstellung gesichert, zur Freude der Geräte- und Ausrüstungshersteller, zum Nutzen der neuen Zielgruppen mit den Lebensgewohnheiten einer mobilen Handygeneration und – auch das sollte nicht unterdrückt werden – nicht gerade zum Nachteil des ZDF. Und die Vereinbarungen sind inzwischen unterschrieben worden: am 20. Oktober 2003 für Norddeutschland und Nordrhein-Westfalen, und am 25. Oktober 2003 haben die Ministerpräsidenten von Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen eine gemeinsame Erklärung für den mitteldeutschen Raum abgegeben. Zusätzlich hat Hessen ebenfalls eine Umstellung noch im Jahr 2004 angekündigt.

Die Zuschauer, die über Antenne fernsehen, sind jünger geworden

 

Ausstattung vorhandener Geräte für DVB-T-Empfang

 

Bundesweite DVB-T- Startregionen

 
 
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