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2002  
ZDF Jahrbuch
Aus der Programmarbeit
Nikolaus Brender
Peter Frey
Thomas Bellut
Wolf von Lojewski/Claus Kleber
Bettina Schausten
Elmar Theveßen
Eberhard Piltz
Udo van Kampen
Uwe Kröger
Dirk Sager
Alexander von Sobeck
Maria von Welser
Joachim Holtz
Eberhard Figgemeier/Dieter Gruschwitz/Rainer Deike
Hans Janke
Heike Hempel/Claudia Tronnier
Hans Helmut Hillrichs
Werner von Bergen
Carola Wedel
Susanne Krummacher
Claus Beling
Birte Dronsek/Axel Laustroer
Anca-Monica Pandelea

Wolf von Lojewski/Claus Kleber

Der Moderator muss neugierig machen
Ein Gespräch zu Abschied und Neubeginn

 
Wolf von Lojewski
Wolf von Lojewski


Claus Kleber
Claus Kleber
              
 

Ihre Biografien haben auffällige Parallelen: Sie haben beide Jura studiert, waren Auslandskorrespondenten der ARD in Washington und London. Nun folgen Sie, Herr Kleber, den Spuren Wolf von Lojewskis: Sie werden das »heute-journal« ab Februar 2003 leiten und moderieren. Ist das Zufall, Bestimmung oder Fluch?

Kleber: Es ist ein Segen! Wolf von Lojewski »nachzusteigen«, lohnt in jeder Hinsicht. Ich finde es reizvoll, wie ein vom anderen Planeten gelandeter Fremdling zu sehen, was in Deutschland passiert. Hätte ich die letzten zehn Jahre in Deutschland verbracht, wäre mein Blick dem der Kollegen und der Zuschauer zu ähnlich. Ich freue mich darauf, das Ganze ein bisschen anders anzugehen.

von Lojewski: Für uns ist das natürlich auch genau das, was einen Kollegen wie Claus Kleber so reizvoll macht: Dass er die Welt kennen gelernt hat. Die Berichterstattung aus den USA zwingt den Korrespondenten ja auch, mit »seinem Präsidenten« in alle Teile der Welt zu reisen. Er läuft also nicht Gefahr, Afrika nach den Maßstäben Berliner Politik zu erklären.

Was hat Sie damals bewogen, Ihr Korrespondentenleben für das »heute-journal« aufzugeben?

von Lojewski: Ich war damals zehn Jahre in einem Rutsch im Ausland. Gegangen war ich, weil ich dachte, es passiert hier nicht mehr viel Neues. Politik schien mir ziemlich eingefroren. Wann immer ein Politiker durch die Tür kam, hatte ich den Eindruck, ich weiß schon vorher, was der sagen will. Und als plötzlich die Deutsche Einheit geschah und Deutschland auch weltpolitisch der Nabel der Dinge wurde, hatte ich eine große Sehnsucht zurück in die Heimat. Das »heute-journal« habe ich aus der Ferne immer wie eine entfernte Geliebte betrachtet. Ich bin also nicht so sehr von der ARD zum ZDF desertiert, sondern von der ARD zum »heute-journal«.

Können Sie, Herr Kleber, das so nachvollziehen?

Kleber: Absolut! Meine persönliche Strategie war folgendermaßen: Ich plante, so lange Auslandskorrespondent zu bleiben, bis ich als nicht mehr resozialisierbar gelte und deshalb immer weiter im Ausland herumgeschickt werde. Ich habe ja gerade einen Fünf-Jahres-Turn bei der ARD im Studio London begonnen. Das hätte mich auf insgesamt 17 Auslandsjahre gebracht. Zu den wenigen begehrenswerten Schönheiten, die mich von diesem genialen Lebensplan abbringen können, gehört das »heute-journal«. Ich liebe ja die ARD, sie hat viele Stärken: der riesige Talentpool, die Präsenz überall, die Ressourcen, die größeren Programmflächen, aber sie kann nicht, wie das ZDF, ein Nachrichtenmagazin nur von einer Redaktion zentral veranstalten.

von Lojewski: Ich habe Claus Kleber auch immer wieder gesagt, dass er das wirklich als großen Vorteil und Segen ansehen soll, hier nicht zwölf Chefredakteure zu haben, die ihm täglich mit ihrem Rat helfen, sondern einen. Vorgesetzte gehen einem, so sehr sie auch etwas Nettes und Gutes sind, irgendwann ja auch einmal auf den Keks; und je weniger man davon hat, desto besser. Claus Kleber hat hier, zusammen mit seinen Kollegen, eine sehr große Verantwortung, aber auch große Gestaltungsmöglichkeiten, die er woanders wahrscheinlich nicht haben würde.

Wie stehen Sie zu der Aussage, dass Nachrichtenmagazine noch immer zu viele deutsche Themen aufbereiten? Muss die Themenauswahl nach dem 11. September nicht noch viel häufiger internationale Zusammenhänge verdeutlichen?

von Lojewski: Natürlich muss eine Nachrichtensendung internationale Zusammenhänge verdeutlichen. Es ist wahrscheinlich auch der Einfluss der privaten Konkurrenz, dass vermehrt diejenigen Themen herausgegriffen werden, in denen der Zuschauer eigene Interessen wiedererkennt. Vor 20 Jahren konnten wir es uns durchaus leisten, eine kontinuierliche Berichterstattung über die Probleme einzelner Länder Afrikas, Asiens oder so etwas zu haben. Heute berichten wir selbstverständlich auch darüber, aber wenn ein großes Thema in Deutschland – sei es Steuerreform, Rentenreform – große und leidenschaftliche Auseinandersetzungen in Berlin hervorruft, drängt das heute stärker ins Programm; und das geht natürlich zu Lasten anderer Länder und Kulturen.

Kleber: Der 11. September und die Auswirkungen auf den Journalismus habe ich in erster Linie aus den USA beobachtet. Dort haben die kommerziellen Networks erkannt, dass die Minuten, die im Ausland produziert werden, unendlich teuer sind und vergleichsweise wenige interessieren. Und dann wurde der 11. September für so ein paar Tage als der große Beweis dafür angesehen, dass die alte Form des Journalismus wieder zurückkommen muss, man muss die Welt eben erklären. Es gab eine richtige Aufbruchstimmung unter Leuten wie Wolf von Lojewski und mir. In den amerikanischen Medien hieß es: Wir gucken wieder auf die Welt. 16 Monate später ist das schon wieder verraucht, die Zahlenknechte haben die Kontrolle zurückgewonnen. Es wird wieder nur noch von dort berichtet, wo es knallt. Sollte der Irak-Krieg kommen, wird es wieder eine Glanzstunde der Aufsager amerikanischer Kollegen geben. Alle werden sie da sein mit Satellitenantennen. Für mich gilt der geniale Satz von Peter von Zahn: »Das ist eine Art, die Welt, die Ereignisse ohne Rahmen zu sehen.« Wir haben die Verpflichtung, komplizierte Themen so aufzubereiten, dass die Leute sich angesprochen fühlen.

Heißt das, es wird keine Amerikanisierung des »heute-journals« durch Sie geben?

Kleber: Nein, die wird es nicht geben. Aber was man den amerikanischen Kollegen zugestehen muss, ist, dass sie es besser als wir verstehen, die Ereignisse oder die Hintergründe in fernsehgerechte Storys umzubauen. Also diese O-Ton-Salate, die wir oft bieten und die unser Publikum in bemerkenswerter Weise aushält, die kommen im amerikanischen Fernsehen überhaupt nicht vor. Wir müssen nicht so weit gehen, dass wir Storys, die sich nicht in schönen Bildern darstellen lassen, einfach weglassen. Aber über die ansprechende Optik sollten wir uns jeden Tag neu Gedanken machen. Das »heute-journal« hat, wie ich bereits festgestellt habe, genau die richtige Mannschaft, mit der man das hinbekommen kann.

von Lojewski: Was die amerikanischen Journalisten uns natürlich immer voraus hatten, ist eine gewisse unsentimentale, nüchterne Art, mit der sie an Nachrichten herangehen. Wir Deutschen werden manchmal von zu vielen sensiblen Gefühlen gehetzt und glauben, dass etwas Missionarisches in unserem Beruf liegt. In dieser Beziehung sind die Amerikaner vorbildhaft. Eine Debatte über politische Voreingenommenheiten von Journalisten – die gibt es in Amerika gar nicht. Die jungen Kolleginnen und Kollegen des »heute-journals« sind da schon sehr auf einem amerikanischen Weg.

Ihre besondere Art der Moderation hat das »heute-journal« sehr geprägt. Was, glauben Sie, kann ein Moderator leisten, um Hintergründe zu erhellen?

von Lojewski: Meiner Meinung nach soll der Moderator in erster Linie ein Vermittler zwischen dem Zuschauer und dem Bericht unseres Autors sein. Er soll Interesse wecken, nicht zu schlau sein, also nicht die 35. Statistik nennen, wenn der Reporter schon 34 interessante Statistiken erwähnt hat. Er muss manchmal sachliche Dinge vorgeben, aber vor allem die Sendung zusammenhalten.

Wie werden Sie, Herr Kleber, moderieren?

Kleber: Das Teuflische ist, dass mir Lojos Stil so gut gefällt, dass ich ihn am liebsten kopieren würde. Nein, im Ernst: Ich muss meinen eigenen Stil finden. Was ich mir aber nicht nehmen lassen will, ist diese Leichtigkeit im Umgang mit den Themen. Letztendlich geht es in 90 Prozent der Stücke nicht um Leben und Tod. Es ist immer ein Spiel zwischen Mächten, das zu beobachten auch eine gewisse sportliche Neugier bedeutet und eine Faszination an Menschen und Typen, die da handeln. Der Moderator muss ein Werber für den nächsten Beitrag sein. Er muss die Zuschauer überzeugen, dass es sich lohnt hinzuschauen, auch wenn es unter Umständen ein bisschen anstrengend wird.

Welche politischen Ereignisse haben Sie, Herr von Lojewski, in den elf Jahren, seit Sie das »heute-journal« leiten, geprägt?

von Lojewski: Alles, was mit dem Zusammenwachsen Deutschlands zusammenhing. Mit dem amerikanischen Präsidenten habe ich als Korrespondent die ganze Welt bereist. Aber als ich zum ersten Mal auf dem Frankfurter Flughafen landete und auf der Abflugtafel einen Lufthansaflug nach Dresden sah, bin ich fast umgefallen vor Erschütterung, Freude und vor totaler Verblüffung. Ich war gewohnt, dass man von Frankfurt zum Nordpol und zum Südpol fliegen kann, aber nicht nach Dresden. Die Nachrichten geprägt haben sicherlich die Kriege in Jugoslawien und Afghanistan. Die Flut an der Elbe hat so beeindruckt, weil wir alle zum ersten Mal diesen Fluss überhaupt kennen lernten. Wir dachten immer, die Elbe ist eigentlich so ein netter Fluss in der Mitte von Europa, der nie Probleme macht. Und dann plötzlich eine Flut in dieser Dimension. Der 11. September war schrecklich. Dass Flugzeuge entführt werden, wussten wir schon. Aber dass keine Forderungen damit verbunden werden, sondern koordiniert mehrere Maschinen in Hochhäuser und symbolträchtige Bauwerke gerammt werden, um möglichst viele Menschen in den Tod zu reißen, mussten wir als politische und finstere menschliche Dimension erst einmal begreifen.

Welche Veränderungen im »heute-journal« waren in Ihrer Zeit die wichtigsten?

von Lojewski: Die ungeheure Geschwindigkeit, mit der wir zunehmend arbeiten. In meinen Jahren als junger Auslandskorrespondent war das Tempo der Berichterstattung ruhiger, aber dafür intensiver. In den frühen 70er Jahren konnte ich durchaus mal zehn Tage zu den Indianern oder Eskimos fahren oder auch irgendwo hin mit dem amerikanischen Präsidenten. Die Beiträge wurden unentwickelt nach Köln oder Hamburg geschickt, dann geschnitten und gesendet. Mit der Technik werden die Übertragungswege schneller und für den Reporter die Zeit zu erleben und zu begreifen kürzer. Er muss sofort alles wissen, wird geschaltet und muss erklären, was er vielleicht selbst noch gar nicht verstanden hat.

Zum 20-jährigen Jubiläum hatten Sie es als Manko angesehen, dass es keine weibliche Moderatorin gibt. Warum gibt es erst seit 2001 eine Marietta Slomka?

von Lojewski: Das Problem war ganz simpel. Wir hatten Moderatoren, die Verträge hatten. Ich hätte mich selbst zurückziehen müssen, um einen Platz frei zu machen. Als dann der Vertrag von Alexander Niemetz auslief, haben wir eingesehen, dass wir nicht immer nur von einer Frau reden können, sondern ihr jetzt eine Chance geben müssen.

Wen werden Sie nach Ihrem Ausscheiden am meisten vermissen?

von Lojewski: Frau Hartung, Frau Burg und Frau Stücker aus meinem Sekretariat, die mein Leben gemanagt haben. Ich werde mich künftig um viele Dinge wieder selber kümmern müssen. Aber im Grunde werde ich alle vermissen. Jeder kannte die Stärken und Schwächen des anderen.

Wie sieht Ihr Leben nach dem »heute-journal« aus?

von Lojewski: Ich werde erst einmal versuchen – und sei es für zwei, drei Wochen – mal nichts zu tun. Dann war ich noch nie in Australien. Ich hoffe, dass ein ZDF-Kameramann mich begleitet, damit vielleicht Reportagen entstehen. Fest steht, dass ich im neuen Jahr die Sendung »Abenteuer Wissen« moderieren werde. Man wollte keinen Experten, der alles schon weiß, sondern mich nach dem Motto: Wenn der Lojo es kapiert, dann bringt er es auch den Zuschauern rüber. Heute bereue ich, dass ich in Physik und Chemie nicht gut war und will das jetzt wieder gutmachen.

Welche Tipps geben Sie Ihrem Nachfolger für den Wechsel von der Themse an den Rhein?

von Lojewski: Er muss sich einfach seelisch damit abfinden, dass Mainz nicht Washington ist, die Metropole der Welt. Dass dies nicht London ist, die ehemalige Metropole der Welt, sondern eine sehr hübsche, wein- und kulturdurchtränkte Gegend ist. Er soll das genießen, was sich hier bietet, zum Beispiel das Rheingauer Musikfestival; und das, was war, sich gelegentlich im Fotoalbum angucken.

Herr Kleber, wo werden Sie am 2. Januar 2003 um 21.45 Uhr sein?

Kleber: In der Redaktion, die »25 Jahre heute-journal« feiert.

Was werden Sie am 3. Februar 2003 um 21.45 Uhr tun, Herr von Lojewski?

von Lojewski: Die Premiere meines Kollegen Claus Kleber ansehen – doch es ist schwer zu sagen, von wo aus.

Das Interview führte Katharina Riwola

 
 
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